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08.01.2021 Bürovermietung im Corona-Würgegriff: Flächenumsatz sinkt um 35%

Die Corona-Pandemie war das beherrschende Thema in Wirtschaft und Gesellschaft im Jahr 2020. Der gut zehnjährige wirtschaftliche Aufschwung nach der globalen Finanzkrise fand ein abruptes Ende – es war ein Schwarzer-Schwan-Ereignis. Insbesondere die Stimmungs- und Arbeitsmarktindikatoren haben einen Einbruch erfahren. In vielen Branchen konnte ein stärkerer Arbeitsplatzverlust nur durch massive Nutzung des Kurzarbeitergeldes verhindert werden. Exemplarisch zeigen folgende Indikatoren die Entwicklung des Wirtschaftsjahres:

• Die Arbeitslosenquote ist im Jahresverlauf von 4,9% (Dez. 2019) auf 5,9% (Dez. 2020) gestiegen
• Die Zahl der Kurzarbeiter ist im April 2020 auf rund 6 Mio. angestiegen und lag im Herbst 2020 noch bei gut 2 Mio.
• Das ifo-Beschäftigungsbarometer fiel im April 2020 auf 86,8 Punkte und damit den niedrigsten Wert seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2002 – bis zum Jahresende 2020 hat es sich wieder etwas erholt
• Das ifo-Geschäftsklima sank im April 2020 auf 75,4 Punkte und somit den niedrigsten Wert seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2005 – bis zum Jahresende 2020 ist es wieder merklich angestiegen
• Im Ergebnis wird das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2020 laut Consensus-Prognose um 5,4% sinken, jedoch in 2021 mit rund 4% auf Erholungskurs gehen

Der wirtschaftliche Einbruch hat deutliche Spuren am Bürovermietungsmarkt hinterlassen. Mit Beginn des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 ist die Unsicherheit unter den Akteuren stark gestiegen. „Für einige Wochen gab es nahezu einen Stillstand bei der Büroflächennachfrage. Insbesondere für kleinere Flächen ging so gut wie nichts mehr – die Prozesse der großen Gesuche liefen allerdings weiter. Erst im Sommer konnte ein anziehendes Nutzerinteresse registriert werden“, kommentiert Christian Lanfer, Head of Office Agency Germany bei Cushman & Wakefield.

Jedoch fast ausschließlich im kleineren und mittleren Flächensegment sowie mit weiterhin großen Fragezeigen hinsichtlich der zukünftigen Bedarfe. Die Nutzer waren verunsichert und wer flächenmäßig nicht reagieren musste, zum Beispiel durch auslaufende Mietverträge, der hielt die Füße still und wartete ab. „Das weltweite Experiment Home-Office hat alles in allem gut funktioniert und neue Erfahrungen mit sich gebracht. Home-Office ist gekommen, um zu bleiben, und wird die Flexibilität in der Arbeitswelt erhöhen. Aber mit welcher zukünftigen Intensität das passieren wird, das ist noch nicht klar. Klar ist aber, dass das Büro seine zentrale Bedeutung behalten und bei erhöhter Home-Office-Nutzung möglicherweise sogar ausbauen wird: Kollaboration, Unternehmenskultur, Team Spirit, Kommunikation und Recruitment erfordern regelmäßigen persönlichen Kontakt und Nähe“, analysiert Helge Zahrnt, Head of Research & Insight bei Cushman & Wakefield.

Der Blick ins Jahr 2021 wird von der großen Hoffnung auf Impfung begleitet. Im positiven Szenario stehen bis Jahresmitte Impfdosen für alle Menschen bereit und eine Herdenimmunisierung rückt allmählich in greifbare Nähe. Abstands- und Kontaktregeln können aufgehoben werden, Läden, Kulturbetriebe sowie Institutionen wie gewohnt öffnen und ein „normales“ Wirtschaftsleben wird wieder aufgenommen. Das Produktionsniveau und die Investitionen werden steigen, einige Branchen wie die pharmazeutische Industrie bleiben im Aufwind, andere wie Automobil sowie Finanzen müssen mit ihren (alten) strukturellen Problemen kämpfen. Corona hat in vielen Bereichen als Katalysator gewirkt: Es hat Entwicklungen und Trends verstärkt. Abseits von Corona wird sich zeigen, wie sich der vollzogene Brexit im Wirtschaftsalltag niederschlägt und ob der globale Handelskonflikt durch die neue US-Administration an Schärfe verlieren wird.

Unsicherheit am Markt resultiert in sinkender Büroflächennachfrage

„Die Unsicherheit der Nutzer über die zukünftige Entwicklung und Flächenbedarfe sowie die Verzögerungen bei den Flächenbesichtigungen und Prozessen haben den Büroflächenumsatz der Top-5-Märkte im Jahr 2020 auf 2,2 Mio. Quadratmeter fallen lassen“, kommentiert Christian Lanfer. Das ist ein Rückgang um über ein Drittel (-35%) im Vergleich zum Vorjahr und der niedrigste Wert seit dem Jahr 2009 (damals 1,96 Mio.). Für das Jahr 2021 erwarten wir einen Gesamtumsatz in Höhe von 2,5 Mio. Quadratmetern (ein Plus von 14% gegenüber 2020).

Berlin bleibt mit 700.000 Quadratmetern der umsatzstärkste Markt und verzeichnet ein vergleichbares Minus wie alle Top-5-Märkte zusammen. Den stärksten Rückgang gab es in Düsseldorf um 47% auf 270.000 Quadratmeter. Den geringsten Rückgang weist München auf – minus 26% bedeuten 567.000 Quadratmeter und Rang 2 unter den Top-5-Märkten.

Das vierte Quartal allein betrachtet (fast 600.000 Quadratmeter) belief sich ungefähr auf dem Niveau des ersten Quartals. Auch hinsichtlich der Anzahl der Vertragsabschlüsse hat das vierte Quartal das gleiche Niveau wie die Schlussquartale der beiden vorherigen Jahre. Also, eine gewisse Erholung zum Jahresende ist erkennbar. Allerdings mit Blick auf die Abschlüsse nach Größenklasse wird sichtbar, dass gerade in den größeren Flächensegmenten die Anzahl in 2020 deutlich gesunken ist: Im Segment ab 10.000 Quadratmetern gab es 2020 nur 23 Abschlüsse, während es im Vorjahr noch 51 und im 5-Jahresschnitt 35 waren. Bei den kleineren Flächen ist der Rückgang geringer, da hier die Nachfrage zur Jahresmitte schneller wieder angestiegen ist.

Die umsatzstärkste Branche (18% des Flächenumsatzes und 25% aller Abschlüsse ab 5.000 Quadratmetern) war im Jahr 2020 die öffentliche Verwaltung, gefolgt von der IKT-Branche (17%) und den Industrieunternehmen (12%).

Büroflächenangebot steigt, bleibt aber auf niedrigerem Niveau als in letzter Krise

Ein großer Unterschied zur letzten Krise ist das aktuell deutlich niedrigere Leerstandsniveau. Ende 2008 lag die Leerstandsquote über alle T5-Märkte hinweg bei knapp über 9,3% und stieg dann bis auf 10,3% Ende 2010. Im aktuellen Zyklus lag die Leerstandsquote vor einem Jahr bei 3,7% und ist nun auf 4,5% gestiegen. Dieser Niveauunterschied sorgt für eine mehrheitliche Stabilität bei den Spitzenmieten. Unter den einzelnen Märkten haben Frankfurt (7,6%) und Düsseldorf (7,0%) weiterhin die höchsten Leerstandsquoten – Berlin mit 2,7% nach wie vor den geringsten Wert. Bis Jahresende 2021 erwarten wir in allen Märkten ein weiteres Wachstum der Leerstandsquote – um bis zu einem Prozentpunkt in Frankfurt und Berlin sowie marginaler Anstieg in Düsseldorf.

Ende Sommer 2020 hatten wir berichtet, dass die Untermietflächen in den Top-5-Märkten auf 290.000 Quadratmetern angestiegen waren. Wir hatten die Ursachen analysiert und bis Jahresende eine weitere Erhöhung prognostiziert. Dieser ist deutlich geringer ausgefallen als erwartet. Aktuell stehen rund 350.000 Quadratmeter zur Verfügung – Corona hat nicht zu einem stärkeren Wachstum dieser Flächen geführt.

Neben Leerzügen und neuen Untermietflächen waren auch freie Flächen in Fertigstellungen Ursache für das Leerstandswachstum. Im Jahr 2020 wurden Büroflächen in Summe von 1,24 Mio. Quadratmetern fertiggestellt – das ist der höchste Wert seit 2004. Gut 85% der Flächen waren bei Fertigstellung bereits vermietet. Berlin führt mit 466.000 Quadratmetern die Fertigstellungsstatistik an. Hamburg (nur knapp 100.000 Quadratmeter) und München (314.000 Quadratmeter) weisen mit jeweils rund 90% die höchsten Vorvermietungsquoten auf. Die Projektfertigstellungen steigen in den nächsten Jahren deutlich an. Derzeit befinden sich vier Mio. Quadratmeter im Bau, davon noch knapp die Hälfte verfügbar. In Berlin sind mit 1,8 Mio. Quadratmetern die meisten Flächen im Bau.

Nominalmieten mehrheitlich stabil bzw. gestiegen – Mietanreize bei 5 bis 8%

Trotz der gesunkenen Nachfrage sind die Nominalmieten auf breiter Front stabil geblieben bzw. noch weiter gestiegen. Das niedrige Flächenangebot hat verhindert, dass die Mieten sinken. Allerdings ist das Bild gemischt. Berlin ist der einzige Standort, an dem die Spitzenmiete gesunken ist (-2,6%), während es in Düsseldorf (+1,8%) und Hamburg (+3,4%) einen Anstieg zu verzeichnen gab. Auch bei den Durchschnittsmieten gibt es mit Düsseldorf nur einen Standort, an dem der Wert im Jahresverlauf gefallen ist (-8% auf 15,30 Euro). Alle anderen Märkte weisen ein Wachstum auf, so dass über die Top-5-Märkte hinweg ein Wachstum der Durchschnittsmiete um 4,9% zu verzeichnen ist. Für 2021 erwarten wir einen Rückgang der Spitzenmiete in Berlin, Düsseldorf und Frankfurt sowie Stabilität in Hamburg und München.

Die Mietanreize sind bereits im Laufe des Jahres erhöht worden und wirken als Puffer zur Verhinderung von sinkenden Nominalmieten. Im Jahresverlauf sind die Mietanreize in den innerstädtischen Toplagen der Top-5-Märkte von durchschnittlich 1,2 mietfreien Monaten auf 3,2 gewachsen. Somit liegen die Effektivmieten gut 5% unter den Nominalmieten – in dezentralen Lagen sogar bei 8%.

Das Pendel schlägt um vom Vermietermarkt in Richtung Mietermarkt

„Die große Frage ist, wann die Nutzer wieder Vertrauen fassen und Sicherheit hinsichtlich zukünftiger Bedarfe haben, so dass die Flächennachfrage wieder anspringt. Und dann stellt sich die Frage nach der geeigneten Büronutzung und Arbeitsweise: Mehr oder weniger Fläche? Andere Flächenzuschnitte? Andere Standorte? Corona hat den Referenzpunkt verschoben. Der Schwan ist nicht mehr schwarz, sondern kommt in Grautönen daher. Wir können nun daraus lernen – zum Beispiel werden Arbeitsplätze nicht mehr so stark verdichtet – und die Erfahrung für anstehende Flächenentscheidungen nutzen“, kommentiert Helge Zahrnt.

„Kurzfristig werden die Mietanreize ein Absinken der Nominalmieten verhindern. Anmietungen in teuren Projektentwicklungen werden zudem das Mietpreisniveau stabil halten oder eher noch anheben. Aber sollte die Nachfrage auch zum Sommer 2021 nicht wieder erstarkt sein und die Mietanreize kein Stabilisierungspotential mehr aufweisen, dann können (vereinzelt) die Nominalmieten auch sinken. Das gilt insbesondere für Vermieter, die ihre freien Flächen dringend füllen müssen“, kommentiert Christian Lanfer.

Damit haben wir eine gegensätzliche Marktentwicklung als in den vorherigen Jahren. Das Pendel schwingt nun in Richtung Mietermarkt – damit eröffnen sich den Nutzern auch Chancen.







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