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11.11.2020 Nachgefragt! Corona und die Immobilienmärkte

Tobias Mutter, Vertriebsleiter (links) und Walter Rüsch, Geschäftsführer der Großbau Projekte Intern GmbH
Die Corona-Pandemie hat unsere Gesellschaft und die gesamte Wirtschaft weiter fest im Griff – das belegen die aktuellen, zumeist negativen Entwicklungen, eindeutig. Die Pandemie hat aber auch eine ganz andere, eine positivere Seite, die einen Transformationsprozess in der Immobilienbranche in Gang gesetzt hat, für den es ohne Covid-19 wahrscheinlich noch viele Jahre gebraucht hätte.

Durch die rasante „Quasi-über-Nacht-Etablierung“ des Homeoffice verändert sich beispielsweise die Büroarbeit massiv. Wird die Corona-Krise ein ganz neues Zeitalter für die Büroarbeit einläuten? Hat das klassische Bürogebäude in seiner jetzigen Form ausgedient? Wie entwickelt sich der Hotelmarkt in Zukunft? Und welche Assetklassen sind die großen Gewinner der Krise?

Um Antworten auf diese Fragen zu erhalten, haben wir uns mit den beiden Experten Walter Ruesch und Tobias Mutter, Geschäftsführer und Vertriebsleiter der Großbau Projekte Intern GmbH, zum Gespräch getroffen und sie zu ihren persönlichen Einschätzungen zu diesen komplexen Themen befragt.

DEAL-Magazin: Herr Ruesch, wie haben Sie die zurückliegenden Monate erlebt?

Walter Ruesch: Natürlich hat sich Covid-19 auch auf unsere Arbeitsabläufe und -organisation ausgewirkt. Allerdings ist das Thema Homeoffice für unser Unternehmen kein Neuland, da unsere Mitarbeiter schon vor Corona bei Bedarf von zu Hause aus arbeiten konnten.

Wirtschaftlich gesehen sind wir relativ stabil durch die Krise gekommen, da unsere Kunden den „Großbau Projekt Reporter“ ohnehin meist mittel- bis langfristig für ihre Projektarbeit beziehen. Zuletzt hatten wir sogar wieder eine anziehende Nachfrage feststellen können, da bei vielen Unternehmen die Aufträge nicht mehr von alleine ins Haus flattern und das Thema Akquise wieder verstärkt in den Fokus rückt.

DEAL-Magazin: Wird der Homeoffice-Trend den Büroflächenbedarf langfristig und signifikant senken?

Tobias Mutter: Das ist eine gute Frage. Aktuell gehen wir davon aus, dass sich der Trend durch die Abstandsregelungen und Hygienekonzepte gegenseitig aufheben wird. Büroflächen wird es auch in Zukunft geben, da führt kein Weg dran vorbei. Neue Konzepte entstehen (Remote-Working), alte Muster werden aufgrund der Pandemie nun einfach nur schneller und vielleicht radikaler umgesetzt. Neubauprojekte werden jetzt vielleicht nochmals unter Pandemie-Gesichtspunkten neu betrachtet, zum Stillstand wird es aber nicht kommen. Und bitte vergessen Sie eines nicht: Nicht jeder Mitarbeiter will ins Homeoffice oder ist geeignet dafür. Vielen fehlt zu Hause einfach der Platz, die Infrastruktur oder die nötige Ruhe. Und ein nicht zu unterschätzender Faktor ist der Smalltalk im Unternehmen mit Kollegen und Vorgesetzten, den man nicht missen möchte – egal ob in der Cafeteria, der Raucherecke, der Küche oder zwischendurch auf dem Flur. Das gehört bei vielen Arbeitnehmern einfach zum Daily Business dazu.

Walter Ruesch: Es gibt ja schon Studien, die berechnen, dass die deutschen Top-Büromärkte in den kommenden Jahren Bestandsflächenreduzierungen zwischen 10% und 20% erfahren werden. Für den Standort Frankfurt wären das z.B. 1-1,4 Mio. m² weniger Büroflächen. Diese bleiben ja aber nicht ungenutzt, sondern werden durch CoLiving- oder CoWorking-Flächen ersetzt. Auch gänzliche Umnutzungen zu Gesundheits- oder Wohnimmobilien sind durchaus denkbar oder werden schon seit längerem vollzogen.

DEAL-Magazin: Sind die Bereiche „Pflege und Gesundheit“ sowie „Wohnen“ somit die großen Profiteure der Krise?

Tobias Mutter: Ich weigere mich eigentlich, bei einer Pandemie, die hierzulande bisher schon rund 12.000 Todesopfer gefordert hat, von Krisengewinnern zu sprechen. Fakt ist aber, dass die Nachfrage nach diesen beiden Immobiliengattungen anhaltend stark ist. Gerade beim Thema „Seniorenwohnen“ und „Pflegeheime“ besteht eine geringe Korrelation mit anderen Immobiliensegmenten, da es sich hierbei um eine relativ konjunkturunabhängige Assetklasse handelt.

Den gewaltigsten Einfluss bemerken wir aber aktuell beim Thema „Logistik“. Obwohl schon vor Corona stark im Wachstum, hat die Dynamik für neu geplante Logistikzentren seit dem Beginn der Pandemie noch mal eine neue Dimension erreicht. Paketdienstleister und Online-Einzelhändler verzeichnen Rekordzahlen – das Szenario beobachten wir gewaltig bei den Neubau-Projekten in diesen Bereichen. Aktuellen Analysen zufolge haben die Märkte nach einem schwachen, vom Lockdown geprägten zweiten Quartal von Juli bis September, wieder Fahrt aufgenommen. Betrachtet man nur das dritte Quartal, wurde mit knapp 2,29 Mio. m² sogar das beste Ergebnis der letzten zehn Jahre registriert.

Walter Ruesch: Gleichzeitig spannend und angespannt bleibt es bei den Hotelprojekten. Da verschwinden derzeit viele Pläne in der Schublade, Liquidität wird gesichert. Zu viel Ungewissheit herrscht hier noch vor, zu schmerzhaft sind die bisherigen Umsatzverluste im Jahr 2020. Solange in den Top-Städten keine Großveranstaltungen wie z.B. das Oktoberfest in München oder auch große internationale Messen möglich sind, darüber hinaus auch viele Unternehmen ihre Mitarbeiter derzeit nicht auf Geschäftsreisen schicken, bleibt diese Assetklasse sehr unsicher. Und nichts mögen Investoren weniger als Unsicherheit. Deshalb wird es hier künftig am ehesten zu Schließungen oder dann zu Umwandlungen kommen. Vor allem die Hotels, die sich fast ausschließlich auf Geschäftsreisende spezialisiert haben, müssen neue Lösungen finden! Erste Konzepte sind ja schon am Markt aufgetaucht.

DEAL-Magazin: Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin gute Geschäfte.








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