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23.10.2020 Immobilienmarkt Österreich: Wohnen, Büro und Logistik stabil

Mehr als ein halbes Jahr leben wir nun bereits mit Covid-19. Auch wenn jüngst die Infektionszahlen wieder nach oben gehen, so wagen wir – vor dem Hintergrund einer gewissen Gewöhnung an die mit der Pandemie verbundenen Einschränkungen – eine erste vorsichtige Bilanz der wirtschaftlichen Entwicklung in Österreich und für den lokalen Immobilienmarkt.

Österreich wird trotz eines für das laufende Jahr prognostizierten BIP-Rückgangs von fünf bis sieben Prozent nach wie vor als leistungsfähige Volkswirtschaft betrachtet und gilt bei vielen Investoren uneingeschränkt als sicherer Hafen für Immobilieninvestments. Das beweist auch der vergleichsweise geringe Rückgang des Investmentvolumens von nur ca. 16 Prozent im zweiten Quartal gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres, der überdies nicht etwa einem Nachfragerückgang, sondern vielmehr einem Angebotsmangel geschuldet ist.

Kaum Leerstände und stabile Preise

Für den Immobilienbereich, der sich zu Beginn der Covid-19-Krise in einer stabilen Phase der Hochkonjunktur befand, lässt sich festhalten, dass es bis heute in den Assetklassen Wohnen, Büro und Logistik praktisch keine, und selbst im schwierigen Bereich der Geschäftsflächen nur sehr wenige Leerstände gibt. Während Investoren zu Beginn der Krise fallende Preise, steigende Renditen und eine Verschiebung der Verhandlungsmacht bei Investitionen in ihre Richtung erwarteten, stellte sich heraus, dass gerade in unsicheren Zeiten die Veranlagung in qualitativ hochwertige Immobilien als äußerst attraktiv eingeschätzt wird und das durchschnittliche allgemeine Preisniveau der Immobilien in Österreich demgemäß eine weiterhin steigende Tendenz aufweist.

Das Transaktionsvolumen 2020 ging im Halbjahresvergleich zwar um etwa 11 Prozent zurück. Mit rund 1,5 Milliarden Euro wurde jedoch ein Wert erreicht, der noch vor wenigen Jahren auch unter normalen Begleitumständen als durchaus zufriedenstellend bewertet worden wäre. Bemerkenswert ist laut dem aktuellen EHL-Marktbericht für das 1. Halbjahr 2020 vor allem, dass das „Coronaquartal“ Q2 mit rund 900 Millionen Euro Transaktionsvolumen sogar deutlich stärker als das erste Quartal ausfiel, wobei einige Transaktionen schon vor Ausbruch der Pandemie initiiert und in Q2 zum Abschluss gebracht wurden.

Deutsche institutionelle Investoren sehr aktiv am Markt

Auf Käuferseite waren fast ausschließlich Investoren aus der DACH-Region vertreten. Allein auf deutsche institutionelle Anleger entfiel fast die Hälfte des Marktvolumens, österreichische Käufer folgten mit deutlichem Abstand. Auf Investoren von außerhalb der DACH-Region entfielen insgesamt weniger als zehn Prozent des Marktes. Dieses geringe Engagement war einerseits den reisetechnischen Hürden geschuldet, andererseits auch dem Umstand, dass z.B. Private Equity Fonds tendenziell an weniger sicherheitsorientierten Investments mit höheren Renditen interessiert sind und dies der sehr stabile österreichische Immobilienmarkt kaum bieten kann.

Die Sektoren Büro, Wohnen und Logistik lassen bis zum Ende des Jahres weiter leicht sinkende Renditen erwarten, während in den Sektoren Retail und Hotel die Spitzenrenditen bis zum Jahresende voraussichtlich um bis zu 35 Basispunkte steigen könnten. Für die einzelnen Assetklassen lässt sich die aktuelle Situation am österreichischen Immobilienmarkt wie folgt beschreiben:

Wohnen: Mieten gleichbleibend, Nachfrage steigend, Ansprüche verändert

Das Segment Wohnen zeigt sich von Covid-19 vollständig unbeeinflusst: Die Mieten sind gleichbleibend, die Nachfrage nach privatem Wohnungseigentum entwickelt sich weiterhin steigend. Als Folge der Krise samt Lockdown und Homeoffice-Erfahrungen haben sich die Ansprüche an das Wohnen etwas geändert: Gesucht werden verstärkt eher größere Wohnungen, möglichst mit Balkon, Terrasse oder Garten.

Der anhaltend großen Nachfrage nach zeitgemäßem Wohnraum in Wien steht aktuell auch eine stark steigende Anzahl an Fertigstellungen gegenüber. So wird für das Jahr 2020, trotz eines kurzfristigen Baustopps zu Beginn der Coronakrise, mit rund 19.500 Einheiten ein Rekord der Fertigstellungsleistung neuer Wohnungen in Wien erwartet. Die durch den Lockdown entstandenen Verzögerungen konnten größtenteils wieder eingeholt werden. Erst ab dem Jahr 2022 wird eine spürbare Verringerung der Fertigstellungszahlen prognostiziert, da es krisenbedingt zu einem Rückstau bei den Bewilligungsverfahren von Widmungs- und Bauansuchen gekommen ist.

Von mancher Seite geäußerte Befürchtungen hinsichtlich eines Nachfrageeinbruchs im Bereich Mietwohnungen sind nicht eingetroffen. Sowohl die Nachfrage nach Wohnraum auf Mieter- und privater Käuferseite als auch die Nachfrage nach Mietwohnobjekten als Investmentprodukt ist in Wien und einigen Landeshauptstädten wie etwa Graz und St. Pölten weiter gestiegen. Hinsichtlich der Miethöhe zeigt sich die Situation im Vergleich zum Vorjahr weitgehend stabil. Im Gefolge der Covid-19 Krise wird es allerdings immer wichtiger, auf die Nachhaltigkeit der Mietansätze im freifinanzierten Wohnbau zu achten, da eine größere Preissensitivität bei den Mietern zu erwarten ist.

Im Vergleich zu Gewerbeimmobilien ist Wohnen krisensicherer – und in Österreich noch nicht überteuert: Tirol, getrieben von Kitzbühel und den Umlandgemeinden, gilt als Bundesland mit den höchsten Preisen für Eigentum, die Bundeshauptstadt Wien als immerhin noch preiswerter als Salzburg und Dornbirn. Mit mittleren Preisen von rd. 5.800 Euro liegt Innsbruck hinter Kitzbühel auf Platz 2 der teuersten Bezirke. Auch in der Festspiel- und Festungsstadt Salzburg übersteigen die Preise die 5.000-Euro-Grenze.

Die allgemein risikoaverse Grundstimmung am Markt schlägt sich in großem Interesse institutioneller Investoren am Segment Wohnen nieder. Neubauprojekte in sehr guter Lage und nachhaltig abgesichertem Mietenniveau erreichen weiterhin Renditen von rund 3,5 bis 4,0 Prozent, dies mit leicht sinkender Tendenz.

Büro: Top-Mieten stabil, Angebot knapp, zunehmende Differenzierung bei Objekten

Auch hinsichtlich der Auslastung und des Mietniveaus im Bürobereich sind bislang kaum negative Auswirkungen zu beobachten. Dies könnte sich mittelfristig ändern, je nach Dauer und Ausmaß der Krise sowie dem Umfang, in dem die Krise auf die Allgemeinwirtschaft durchschlägt. Die Mitarbeiter der meisten Unternehmen sind bereits wieder in ihre Büros zurückgekehrt. Es ist allerdings davon auszugehen, dass eine Anzahl von Unternehmen zukünftig ihren Homeoffice-Anteil zumindest teilweise beibehalten. Ob dies in der Zukunft zu Flächenreduktionen führen wird, ist schwer vorherzusagen. Vereinzelte Anfragen von Büromietern betreffend möglicher Mietminderungen werden von den Hauseigentümern überwiegend abschlägig beantwortet, Mietstundungen sind in Österreich eher selten. Die Renditen am Büromarkt sind – bei gleichbleibend knappem Angebot – nach unserer Einschätzung seit Beginn der Krise stabil geblieben und liegen für Topobjekte im Bürosegment (Charakteristika: sehr gute Lage, lange Mietverträge und bonitätsstarke, zumeist öffentliche Mieter) bei wenig über 3,0 Prozent.

Neben der anhaltend hohen Attraktivität der Top-Produkte in den jeweiligen Segmenten zeigt sich aber auch eine zunehmende Differenzierung bei Objekten, welche durch ihre Lage, Mieterbonität, Mietvertragslaufzeiten oder sonstige Charakteristika ein höheres Risiko aufweisen. Für derartige Immobilien sind die Risikoaufschläge teils höher geworden und diese Entwicklung könnte noch weitergehen. Ein wesentlicher Grund dafür ist neben dem erhöhten Sicherheitsbedürfnis der Investoren insbesondere auch eine restriktivere Finanzierungspolitik der Banken, die bei diesen Objekten einen höheren Eigenmittelanteil bzw. höhere Zinsmargen verlangen.

Die Spitzenmieten für Büroflächen in sehr guten Lagen bewegten sich seit Jahren recht konstant auf einem hohen Niveau von rund 25,50 Euro pro Quadratmeter. Auch die Durchschnittsmieten haben ihren in den vergangenen Monaten leicht gestiegenen Wert gehalten und bewegen sich derzeit bei rund 14 bis 15 Euro pro Quadratmeter. Unter Druck geraten könnte aber das untere Qualitäts- und Preissegment, falls die wirtschaftlich angespannte Situation länger anhalten sollte. Wer in Büroimmobilien investiert hat, die trotz guter Lage und vernünftiger technischer Ausstattung deutlich unter dem oben genannten Durchschnittswert vermieten, wird auch in der Zukunft seine Nachfrager finden.

Im Jahr 2020 werden Neuflächen im Volumen von rund 160.000 Quadratmetern auf den Markt kommen und auch im Jahr 2021 wird man mit nur rund 100.000 Quadratmetern wieder deutlich unter dem langjährigen Schnitt liegen. Von den neuen Büroräumlichkeiten sind bereits 70 Prozent reserviert. Trotz der aktuell schwierigen wirtschaftlichen Situation bleibt die Leerstandsrate daher auf dem niedrigen Niveau von rund 4,7 Prozent, heißt es im aktuellen Marktbericht von EHL-Immobilien zum Wiener Büromarkt.

Aufgrund der coronavirusbedingten Nachfrageverzögerung im ersten Halbjahr wird die Gesamtvermietungsleistung 2020 niedriger als im Vorjahr ausfallen. Im ersten Halbjahr 2020 halbierte sich die Vermietung gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedingt durch das Fehlen geeigneter Neuflächen von 119.000 auf 58.000 Quadratmeter. Bis Jahresende sollten es in Summe rund 180.000 Quadratmeter werden. Die Leerstandsrate wird durch die hohe Vorverwertungen weiter sinken.

Logistik als Gewinner der Corona-Krise

Die Assetklasse Logistik gehört zu den wenigen Gewinnern der Corona-Krise. Im Zusammenwirken mit dem deutlich erstarkten E-Commerce-Markt stieg der Bedarf an Lager- und Warenumschlagsflächen deutlich an. Insbesondere das kleine Segment der City-Logistik, Stichwort „last mile“, ist eine gesuchte Sub-Assetklasse, die bei steigenden Preisen auch in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen wird.

Für den Wiener Logistikmarkt wird ein Rekordjahr 2020 erwartet. In und um Wien, Linz und Graz – den drei Hauptlogistikmärkten – werden bis zum Jahresende 300.000 Quadratmeter Logistikflächen fertiggestellt. Der Großteil, ca. 250.000 m², wird im zweiten Halbjahr finalisiert, rund zwei Drittel sind jedoch für Eigennutzung vorgesehen. Von jenen Flächen, die für Fremdnutzer errichtet werden, sind allerdings auch bereits 70 Prozent vorverwertet.

Auch Investoren setzen auf Logistikimmobilien, so dass bis zum Jahresende rund 400 Millionen Euro in Logistikflächen investiert werden könnten.

Interessante Anlagemöglichkeiten in praktisch allen Assetklassen

Die Verunsicherung einiger Investoren in den ersten Wochen des Lockdowns ist einer deutlich gesteigerten Bereitschaft gewichen, gute und interessante Anlagemöglichkeiten in praktisch allen Assetklassen nicht ungenützt vorübergehen zu lassen. Dabei gibt es – speziell bei Verhandlungen über Forward-Deals im Segment Wohnen – keinerlei Bereitschaft der Developer, bei Preisen Zugeständnisse zu machen. Denn die Projektpipelines der nächsten beiden Jahre sind ohnehin längst verkauft und man geht von einer weitestgehenden Erholung der Märkte innerhalb der nächsten sechs Monate aus. Die Hoffnung einiger Investoren, aus einer Zahl von Distressed Assets bzw. Stranded Projekts das eine oder andere Schnäppchen mitnehmen zu können, hat sich bisher jedenfalls nicht erfüllt.

Österreich zählt wie Deutschland zu jenen Ländern, die sich am raschesten von den Auswirkungen der Corona-Krise erholen und wieder in ruhiges Fahrwasser gleiten werden. Im Gefolge der Covid-19 bedingten Maßnahmen kam es in vielen Wirtschaftszweigen zu einem dynamischen Digitalisierungsschub. So haben beispielsweise im Bereich der Immobilienvermarktung digitale Vermarktungsformen signifikant an Bedeutung gewonnen. Das Homeoffice als neue Arbeitsform für zahlreiche Mitarbeiter von Dienstleistungsunternehmen wird auch nach der Krise einen gewissen Stellenwert beibehalten. Mit dieser Entwicklung verbunden ist der Wunsch vieler Menschen nach einer größeren Wohnung, sinnvoll nutzbaren Allgemeinflächen, aber vor allem nach mit der Wohnung verbundenen Freiflächen. Diese und zahlreiche weitere aktuelle Entwicklungen auf den Immobilienmärkten gilt es zu beobachten und mit Augenmaß zu antizipieren.

(Von Dr. Manfred Wiltschnigg, Managing Partner bei GalCap Europe)








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