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22.10.2020 Hamburg: Einzelhandel und 1A-Lagen vor dem Hintergrund von Corona

Olaf Petersen, Geschäftsführer und Chefresearcher des Einzelhandelsspezialisten COMFORT analysiert mit seinen Kollegen in den COMFORT-Büros vor Ort die aktuelle Situation zu Beginn des Herbstes 2020. Rund ein halbes Jahr nach dem durch die Pandemie bedingten Lockdown in ganz Deutschland: Wie stellen sich die Auswirkungen auf den Einzelhandel und die Handelsimmobilien der 1A-Lagen in den beliebtesten deutschen Einkaufsmetropolen dar? Der vierte Teil der Serie wirft den Blick auf Deutschlands zweitgrößte Stadt: Hamburg. Diese wird in den nächsten Wochen und Monaten in lockerer Reihenfolge fortgesetzt.

Allgemein

Bedingt durch die Corona Pandemie hat sich die in bestimmten Einzelhandelsbranchen bereits zuvor konstatierte rückläufige Mieternachfrage weiter akzentuiert. In diesem Kontext wurden auch verschiedene Insolvenzen und Restrukturierungen einzelner Unternehmen verzeichnet – insbesondere in der Mode- und Textilbranche. Die allermeisten dieser Entwicklungen hatten sich jedoch bereits vor Ausbruch der Krise im März 2020 deutlich abgezeichnet.

Dennoch: Die Verunsicherung des Lockdowns aus dem Frühjahr, Abstandsregelungen und Maskenpflicht sowie die unsicheren wirtschaftlichen Perspektiven führen bei der Expansion ungeachtet der positiven Entwicklung in den letzten Wochen in puncto gestiegener Passantenfrequenzen naturgemäß zu Zurückhaltung. Der bereits in den letzten ein bis zwei Jahren zu verzeichnende Trend zur Flexibilisierung von Mietverträgen – kürzere Festlaufzeiten, Umsatzmieten, Sonderkündigungsrechte, etc. – gewinnt hierbei verstärkt an Relevanz. Die sinkende Mieternachfrage drückt vor allem bei größeren Ladenflächen ab 1.000 m² sowie vertikaler Geschossstruktur auf die Mieten – hier mit Abschlägen im deutlich zweistelligen Prozentbereich.

Entsprechende Entwicklungen sind auch in der norddeutschen Einkaufsmetropole Hamburg zu beobachten. Hier ist der Markt für großflächige Geschäftshäuser durch die Aufgabe diverser Warenhäuser (Ex Galeria Karstadt Kaufhof in der City und voraussichtlich Bergedorf sowie von Karstadt Sport am Hauptbahnhof) gerade beträchtlich in Bewegung gebracht worden – auch wenn jüngst die Schließung von Karstadt in Wandsbek kurzfristig noch abgewendet werden konnte.

Die Freie und Hansestadt Hamburg ist mit über 1,8 Mio. Einwohnern die zweitgrößte Stadt Deutschlands und wächst weiter. Als ‚Hoch im Norden‘ weist die Metropole eine breit gefächerte, sehr solide wirtschaftliche Basis als Handels-, Verkehrs- und Dienstleistungsdrehscheibe mit einer leistungsfähigen Verkehrsinfrastruktur (Highlight: Hamburger Hafen) auf.

Die Einkaufsstadt Hamburg verfügt via großem Einzugsgebiet (rd. 3,5 Mio. Einwohner) und der hohen Kaufkraft der Einwohner über vielversprechende Rahmenbedingungen. Zusätzlich zu berücksichtigen sind die vielfältigen touristischen Attraktionen wie die Elbphilharmonie in der HafenCity, die Speicherstadt als UNESCO-Weltkulturerbe oder die Wasserlage an Elbe sowie Binnen- und Außenalster, die üblicherweise auch zahlreiche Besucher aus dem weiteren Inland sowie auch aus dem Ausland anziehen. Im Kontext der Corona-Krise fällt dieses Potenzial wie auch das Potenzial der Geschäftsreisenden oder zu Messebesuchen allerdings bis auf Weiteres deutlich kleiner als sonst aus.

Anders als in anderen deutschen Metropolen und hierzulande vergleichbar nur noch mit Berlin weist der Hamburger Einzelhandel eine recht polyzentrale Struktur auf. Klare Nummer 1 ist die Innenstadt, die bei einem Verkaufsflächenanteil von lediglich rd. 13 % einem Umsatzanteil von immerhin rd. 17 % aufweist. Der deutlich stärkere Umsatzanteil reflektiert dabei auf die in der City gegebene relativ hohe Flächenproduktivität von merklich oberhalb rd. 5.500 EUR / m².

Der Markt für Einzelhandelsimmobilien

Nach dem Schock des Lockdowns im Frühjahr dieses Jahres, der insbesondere die Ankaufs- und Verkaufsaktivitäten für Handelsimmobilien zeitweise stark beeinträchtigt hat, entwickelte sich der Investmentmarkt in den letzten Monaten über alle Nutzungsklassen deutlich positiv und insgesamt deutet sich ein sehr erfolgreiches Investmentjahr an. Neben der dominierenden Objektart Büro konnte der Einzelhandel den zweiten Platz ausbauen, was nicht zuletzt am Verkauf zweier Karstadt-Häuser in der Innenstadt (Mönckebergstraße) und HH-Eimsbüttel liegt, die im Paket von der Quantum Immobilien AG an die SIGNA Holding GmbH verkauft wurden. Aber auch der Ankauf des Eppendorf Centers Hamburg (Mixed Used, Ankermieter Retail TK Maxx und Lidl) durch die Hahn Gruppe sowie des Büro- und Geschäftshauses Neuer Wall 54 durch QUEST Investment Partners zeigen das weiterhin vorhandene Interesse an – auch großflächigen – Einzelhandelsflächen.

Noch wesentlicher als zuvor ist hierbei aber die Bewertung der nachhaltigen Mieten für die Retail-Flächen in den Fokus der Ankaufsbewertung gerückt. Die in der Bewertung angesetzte Miete soll langfristig den Erhalt des Mietertrages sichern. Des Weiteren müssen alternative Nutzungsarten im Falle einer Verkleinerung der Einzelhandelsflächen einen wirtschaftlich gangbaren Plan B aufzeigen. Hiervon ausgehend sind die Investoren durchaus auch wieder bereit, für echte Toplagen auf die nachhaltige Miete Kaufpreisfaktoren in einer ähnlichen Größenordnung wie noch vor der Krise zu bezahlen. Bezogen auf Nicht-Toplagen ist dagegen eine wachsende Zurückhaltung hinsichtlich Einzelhandel festzustellen, die auch zu Abschlägen führt.

Für die absoluten Toplagen steigen die Kaufpreise zwar nicht an, bewegen sich aber weiterhin auf einem sehr hohen Niveau. Für herausragende Objekte in 1A-Lagen mit einem nachhaltigen Mietniveau sind Kaufpreisfaktoren von klar mehr als dem 30-fachen der Jahresmiete zu verzeichnen.

1A-Lagen: Aktuelle Entwicklungen und Mieten

Wie den nachfolgenden Grafiken zu entnehmen ist, sind auch in der Hamburger City im Gefolge des Lockdowns und der Corona-Krise die Höchstmieten lageübergreifend unter Druck. Und zwar, mit Ausnahme des in Bestlage noch preisstabilen Neuen Walls, in Größenordnungen gegenüber dem Vorjahr von bis zu über 10 % in der Gerhofstraße.

Nachfolgend für die innerstädtischen Toplagen eine aktuelle Kurzcharakterisierung und Darstellung der gegenwärtigen Höchstmieten.

Spitalerstraße

- Hoch frequentierte Hauptachse (rd. 10.000 Passanten pro Stunde) vom / zum Hauptbahnhof
- Konsumig, hoher Filialisierungsgrad
- Höchste Flächenproduktivität
- Einige Häuser verfügen über Eingänge sowohl zur Spitaler- als auch zur Mönckebergstraße (z. B. P & C, ANSON’S, ZARA, GÖRTZ-Stammhaus).
- Großer traditionsreicher H & M-Flagship-Store
- PERLE Hamburg als Passage mit Verbindung zum Gerhart-Hauptmann-Platz, u. a. mit ROSSMANN, My Toys und gastronomischen Schwerpunkten
- Diverse Mieterwechsel stehen an: Edeka kommt auf die alte s.Oliver-Fläche, Maisons du Monde wird Nachfolger von Clas Ohlson / Butlers, Sephora eröffnet auf Teilen der ex-Koton-Fläche
- Weitere neue Mieter: Levi’s, ONLY, Yves Rocher
- Höchstmiete: ca. 290 - 310 EUR / m² (klein)

Mönckebergstraße

- Hanseatische Rotklinkerarchitektur, große Waren- und Kaufhäuser sowie Textilanbieter
- Überaus differenzierte Lagequalität je nach Straßenseite/ -bereich
- Höchstfrequenz (rd. 8.000 Passanten) bei KARSTADT
- Sogwirkung durch die Europa Passage Hamburg in Richtung City West
- Attraktivster Abschnitt zwischen P & C / SATURN / ZARA-Flagship-Store bis KARSTADT
- Eigenständiges „BID Mönckebergstraße“
- Durch Aufgabe des Galeria Kaufhof und des Karstadt Sport steht der Abschnitt vom Hauptbahnhof vor großen Herausforderungen
- Zusätzlich Beeinträchtigung durch eine große Straßenbaustelle
- Neue Mieter: Fielmann (wieder zurück nach Umbau), dyson, IQOS (Fläche vergrößert), Ankerkraut, Maanesten, renoviert: ara Schuhe und Tchibo
- Höchstmiete: ca. 195 - 205 EUR / m² (klein)

Jungfernstieg

- Stark frequentierte Niveaulage, traditioneller „Flanierboulevard“ mit Binnenalsterlage; einseitige Einzelhandelsbelegung
- Höchstfrequenz auf Höhe LLOYD (rd. 6.000 Passanten)
- Laufender Alsterhaus-Umbau der The KaDeWe Group GmbH
- Stark touristisch geprägte Frequenz, Gastro-Angebote auf der Wasserseite
- Perspektivisch sorgen Entwicklungen des Hamburger Hofs und des Haller-Hauses für neue Impulse. Haller-Haus: Reduzierung der Commerzbank-Flächen zugunsten von gut 2.000 m² neuer Retail-Fläche (Jungfernstieg und Große Bleichen)
- Spürbare Belebung im Bereich Nr. 49 - 51 (Subdued, Kauf Dich Glücklich, Schöffel LOWA)
- Pläne des neuen Hamburger Senats mit der Sperre für den Pkw-Verkehr sorgen für Unruhe
- Neue Mieter: DOUGLAS-Flagship mit rd. 1.000 m² Verkaufsfläche (COMFORT vermittelte), Rossmann (4.000ste Filiale seit Frühjahr)
- Höchstmiete: ca. 190 - 200 EUR / m² (klein)

Neuer Wall

- Einzige Luxuslage von internationalem Rang
- Differenzierter Lagecharakter innerhalb des Straßenverlaufs; im gehobenen Genre agierender Bereich zwischen Jungfernstieg und Poststraße
- Verdichtung der hochwertigen Designer- /Luxuslabels im mittleren Bereich zwischen Poststraße und Bleichenbrücke
- Neue Konzepte generieren einen besseren Angebotsmix und Frequenzsteigerungen.
- Durch laufende Quantum-Entwicklung Stadthöfe zusätzliche Impulse erwartet; Fertigstellung zum Neuen Wall etwa 2021
- Neuer Wall 25 „Möhring-Haus“ wurde neu aufgestellt: COMFORT vermittelte an Benetton, ebenso die Schleusenbrücke 1 an Levi’s.
- Neue Mieter: Benetton, Levi’s, ANINE BING, Breitling, Petit Bateau, Petite Tortue Bar
- Höchstmiete: ca. 265 – 275 EUR / m² (klein)

Große Bleichen / Hohe Bleichen / Poststraße / Gerhofstraße / Galerien

- Stadtquartier mit durchmischten Angebotsstrukturen im höherwertigen und niveaugeprägten Bereich sowie hoher Aufenthaltsqualität im sogenannten Passagenviertel; höchste Passantenfrequenz im Bereich Poststraße vor ZARA (mehr als 5.000 Passanten)
- Ansiedlung neuer Konzepte, die keine Massenansprache suchen
- Konzentration der City-Galerien, die größtenteils neu aufgestellt sind (Kaufmannshaus, Alte Post, Girardet Höfe) bzw. neu entwickelt wurden (Kaisergalerie von Quantum)
- Perspektivisch werden das Hanse-Viertel und der Hamburger Hof grundlegend angefasst, die Zukunftspläne der SIGNA Holding GmbH für die Gänsemarkt Passage sind noch unbekannt
- Vermarktung Gerhofstraße 1 – 3 (perspektivisch drei Flächen im EG auf ca. 1.200 m²) sowie der Poststraße 14 – 16 läuft
- Neue Mieter: Peak Performance, Maanesten, l’tur, Paper & Tea, Eisige Liebe
- Höchstmiete: ca. 80 - 90 bis ca. 170 - 180 EUR / m² (klein)
Neue Mieter Neuer Wall bzw. Schleusenbrücke: Levi’s und Benetton

Ergänzende Lagen

Am Rande der etablierten Lagen ist zudem diverses in der Umsetzung:
- Am Alten Wall gehen die Retailflächen der Art-Invest Projektentwicklung sukzessive ans Netz (Uniqlo, Ladage & Oelke, Anthropologie sowie zwei Promi-Gastrokonzepte); zusammen mit den Bucerius Kunst Forum entsteht hier ein Kunst-Kultur-Shopping Quartier in direktem Umfeld des Hamburger Rathauses.
- Hier liegt auch die Entwicklung des Burstah-Ensambles von Bilton am Standort der ehemaligen Allianzverwaltung.
- Der Abriss und Neubau des Deutschlandhauses im Eckbereich Gänsemarkt und Damtorstraße.








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