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09.10.2020 Die DNA der Fußgängerzonen: Zwischen Leerstand und Erlebnisraum

Fotocredit: Catella
Man hat ja fast den Eindruck, dass es zwischen Kaufhäusern und Online-Shopping keine weiteren Aspekte mehr gibt beim Thema Einzelhandel. Hier der Niedergang, dort die scheinbar pure Dynamik. Durch Covid-19 nochmals beidseitig verstärkt. Doch man lernt auch im Erstsemester „Immobilienwirtschaft – Marktanalyse“ – das neue Semester hat eben begonnen – einen der wahrscheinlich wichtigsten Sätze der Ökonomie: „Was ist der relevante Markt?“.

Und, um beim Thema Einzelhandel zu bleiben: Der relevante Markt für Einzelhandelsnutzung ist die Fußgängerzone. Spätestens an dieser Stelle öffnet sich ein Bündel an Aspekten, welches quasi einer DNA der deutschen Innenstädte gleichkommt. Und damit wären wir auch bei der aktuell beliebten Investorenfrage nach der Wertstabilität in Umbruchzeiten oder möglichen Wertsteigerungen bei „Änderungen im Umfeld“.

Catella Research hat in den letzten Wochen die traditionell am stärksten frequentierten Fußgängerzonen in den deutschen A- & B-Standorten, 24 in der Summe, unter die Lupe genommen, vermessen, kartiert und analysiert.

Haben Sie gewusst, dass:

- die deutsche Fußgängerzone im Schnitt 620 m lang ist?
- eine Fußgängerzone nicht zwangsläufig mit der Einkaufslage korrespondiert?
- Fußgängerzonen im Stadtzentrum in A-Städten ca. 50 % und in B-Städten ca. 70 % der Einkaufsstraßen ausmachen?
- es dort im Schnitt 42 Läden gibt?
- der Filialisierungsgrad in A-Standorten (91 %) höher ist als an den B-Standorten (82,5 %)?
- deren Aufkommen ein Produkt der Stadtplanung der 60er/70er Jahre ist? (viele feiern die Tage quasi den 60sten)
- in 70 % der untersuchten Städte jeweils ein Kaufhaus bzw. Shopping-Center verortet ist?
- der Marktplatz mit Kirche, Brunnen & Außengastronomie ein zentrales Element bildet?
- neben dem Gastronomie- und Einzelhandelsangebot häufig auch Apotheken, Banken, Arztpraxen, Friseure, Fitnessstudios und Kinos vorzufinden sind?
- in allen eine sehr gute ÖPNV-Anbindung herrscht?
- die Gastronomiedichte in B-Städten höher ist als in A-Städten?
- sich der Verlauf der Ost-West/Nord-Süd-Achse an den historischen Wegebeziehungen orientiert?
- der inhabergeführte Einzelhandel eher in den Nebenlagen, denn der Hauptfußgängerzone vorzufinden ist?

Natürlich haben Sie gewusst, dass das Mietniveau dort am höchsten ist. Denn damit erklärt sich auch die oftmals geäußerte Kritik an der Austauschbarkeit der Läden. Mag sein, doch dort ist auch der Wandel am sichtbarsten aufgrund des hohen Preisdrucks. Gleichwohl sind diese Objekte die wertstabilsten, welche die Republik grundsätzlich kennt. Mehr noch: Die Ausdehnung der Lagen wird – geleitet durch eine geänderte Verkehrspolitik – das Dogma und die Herausforderung der kommenden Jahre sein. Von temporären (Wochenende) bis hin zu kompletten Sperrungen werden aktuell Modelle diskutiert und ausprobiert. Vorläufige Ergebnisse, bis hin zu Vergleichen aus dem Ausland: Umsatzsteigerungen und Belebungen sind temporär auszumachen – trotz weiter anhaltendem Siegeszug des Online-Handels.

Noch verbirgt sich hinter dem griffigen Slogan „Aufenthaltsqualität schaffen“ ein buntes Potpourri an Ideen, einige werden es schaffen, viele sind „zu gut gedacht“, mehr Gastronomie ist nicht zwangsläufig der Schlüssel zur Glückseligkeit. Wenn sich folglich wieder mehr Menschen in den Erlebniszonen treffen, vielleicht sogar dort wohnen und arbeiten, die Angebote attraktiver werden, Grund und Boden eine neue Wertsteigerung erfahren, findet auch eine veränderte gesellschaftliche Mischung statt – im Guten wie im Speziellen. Fragen der Überwachung des öffentlichen Raums, der Rolle von Parkmöglichkeiten bis hin zum bezahlbaren Wohnen werden aufgeworfen.

Ideologiefreies Diskutieren sollte hier das Gebot der Stunde sein. Eine Blaupause des Handelns gibt es nicht, wohl aber die Erwartung an die größte städtebauliche Transformation der letzten 50 Jahre.

Sie sehen, in den Fußgängerzonen steckt mehr Potenzial als ihnen aktuell zugestanden wird.








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