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07.09.2020 Fed macht Weg zu höherer Inflation frei

Mit einer Änderung ihrer geldpolitischen Strategie hat die Fed auf dem jährlichen Treffen der Notenbanker in Jackson Hole, das erstmals virtuell stattgefunden hat, den Weg zu höheren Inflationsraten nach Überwindung der Corona-Pandemie frei gemacht. Wie der Chef der US-Notenbank Jerome Powell verkündete, soll das Inflationsziel künftig deutlich flexibler ausgelegt werden: Sollte die Inflationsrate über die ursprüngliche gesetzte Zielmarke von 2 Prozent steigen, würde die Fed dies tolerieren, sofern die Inflation davor längere Zeit unter 2 Prozent lag. Mit der Richtungsänderung räumt die Fed dem Ziel einer hohen Beschäftigung Priorität gegenüber der Inflationsbekämpfung ein. Die US-Notenbank könnte damit grundsätzlich an einer expansiv ausgerichteten Geldpolitik festhalten.

Anstieg der Inflation vorerst nicht in Sicht

Damit es überhaupt zu einem deutlichen Inflationsschub kommt, müssten allerdings entweder die Kosten auf der Angebotsseite zunehmen und die Wettbewerbssituation eine Weitergabe dieser höheren Kosten an die Abnehmer zulassen, oder eine steigende Nachfrage auf begrenzte Kapazitäten treffen. Derzeit sind beide Bedingungen nicht erfüllt: Die anhaltenden Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie schwächen die gesamtwirtschaftliche Nachfrage, und auf der Anbieterseite gibt es bislang keine Anzeichen für einen nachlassenden Wettbewerbsdruck. Der deutliche Rückgang der Inflationsrate im Euroraum in den negativen Bereich im August zeigt vielmehr klar, dass von der Corona-Krise eine deflatorische Tendenz ausgeht. Daran dürfte sich vorerst nichts Grundsätzliches ändern.

Wie reagiert die EZB?

Ändern könnte sich die Lage aber nach Überwindung der Pandemie, beispielsweise mit Hilfe eines wirksamen Impfstoffs. Die Aufhebung von Schutzmaßnahmen würde dann zu einem Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage führen, die zusätzlich durch eine expansive Fiskalpolitik angetrieben würde. Die jüngsten Befunde, nach denen erst ein Bruchteil der vom Bund bereitgestellten Nothilfen abgerufen wurden, zeigt, dass auch in dieser Krise fiskalpolitische Maßnahmen erst mit Zeitverzögerung und mit Blick auf die konjunkturelle Entwicklung möglicherweise sogar zu spät wirken. Weil vermutlich trotz der Hilfsmaßnahmen viele Unternehmen die Krise nicht überstehen werden, würde in einer solchen Situation eine stark steigende Nachfrage auf gesunkene Kapazitäten treffen. Dies wäre ein Umfeld für steigende Preise, wie es im Lehrbuch steht. Dass die Notenbanken darauf nicht unmittelbar mit einer Straffung der Geldpolitik reagieren würden, steht seit vergangener Woche für die Fed amtlich fest. Die EZB, die mit der Überprüfung ihrer geldpolitischen Strategie noch beschäftigt ist, hat sich zu dieser Frage zwar noch nicht geäußert. Es erscheint aber nicht zuletzt mit Blick auf den Wechselkurs des Euro und die aus einer starken Euro-Aufwertung resultierenden negativen Effekte als sehr unwahrscheinlich, dass die EZB im Alleingang die geldpolitischen Zügel deutlich anziehen würde.

Ob und wann die notwendigen Bedingungen für steigende Inflationsraten erfüllt sind, ist derzeit noch nicht absehbar. Der Strategiewechsel der Fed lässt aber darauf schließen, dass die Notenbanken nicht dagegen steuern werden, sollte die Teuerungsrate in Zukunft steigen. Dass sich Investoren allmählich auf steigende Inflationsraten in der mittleren bis langen Frist einstellen, wie es an den Inflationserwartungen abzulesen ist, folgt also einem ökonomischen Szenario mit signifikanter Wahrscheinlichkeit.

Autor: Axel D. Angermann, Chef-Volkswirt der FERI Gruppe








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