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06.07.2020 Deutscher Wohninvestmentmarkt trotzt Corona

Nach einem starken Jahresauftakt auf dem deutschen gewerblichen Wohninvestmentmarkt*, gepusht durch die Übernahme der Adler Real Estate durch Ado Properties und einer insgesamt hohen Anzahl an Transaktionen, bilanziert das zweite Quartal ein erwartungsgemäß deutlich niedrigeres Transaktionsvolumen. 3,7 Mrd. Euro zwischen April und Ende Juli gegenüber 9,7 Mrd. Euro im ersten Quartal. Kumuliert ergibt sich für das erste Halbjahr 2020 damit ein Transaktionsergebnis von 13,4 Mrd. Euro (106.900 Wohneinheiten), entsprechend einem Anstieg von + 65 Prozent (H1 2019: 8,1 Mrd. Euro).

„Zwar hatten sich bereits seit März aufgrund von Covid-19 erste Beeinträchtigungen mit Kapazitätsengpässen und organisatorischen Einschränkungen abgezeichnet, aber von einem Einbruch des Marktes konnte in der Folge keineswegs die Rede sein, Befürchtungen massiver Einbußen haben sich nicht bestätigt“, so Dr. Konstantin Kortmann, Member of the JLL Strategy Board und Head of Residential Investment JLL Germany. Kortmann weiter: „Der kurzzeitig beträchtliche Rückgang des Transaktionsgeschehens zu Beginn der Krise lag weniger an einem tatsächlichen Nachfragerückgang als vielmehr an den Einschränkungen bei der Ausführung von Transaktionen, verbunden mit dem Lockdown zur Eindämmung der Pandemie.

Einschränkungen gab es nicht nur bei der Durchführung von Besichtigungen, sondern auch aufgrund von Engpässen bei der Bearbeitung von Finanzierungsanträgen oder der begrenzten notariellen Handlungsfähigkeit.“ Und Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany, ergänzt: „Der Wohnungsinvestmentmarkt zeichnete sich auch in den Monaten April bis Ende Juni durch eine bemerkenswerte Dynamik aus, die Anzahl der realisierten Abschlüsse blieb auch in diesem Zeitraum hoch und lag mit 114 Transaktionen auf dem Niveau des Vorquartals, gegenüber dem Schnitt der letzten fünf Jahre sogar um ein Viertel höher. Dabei entfiel fast die Hälfte aller Abschlüsse in den Monat Juni, ein klarer Hinweis auf das zurückgewonnene Vertrauen der Marktteilnehmer. Und last but not least muss man auch berücksichtigen, dass die Übernahme der Adler Real Estate durch Ado Properties sicherlich nicht als quartalsübliche Aktivität rubriziert.“

Neben der größten Transaktion, dem Erwerb von 6.380 Wohneinheiten durch die LEG von der Deutsche Wohnen, waren es vor allem Abschlüsse mit weniger als 800 Wohneinheiten und einem Gesamtvolumen von 2,1 Mrd. Euro, die zu verbuchen waren. Scheunemann schlussfolgert: „Insofern fiel der Rückgang des Transaktionsvolumens im zweiten Quartal gegenüber dem coronafreien Vorjahresquartal mit -10 Prozent moderater aus als zunächst erwartet. Im Vergleich zum 5-Jahresdurchschnitt betrug der Rückgang sogar lediglich -5 Prozent.“

Trotz der Mobilitätseinschränkungen und der damit verbundenen Erschwernisse kommen internationale Investoren im zweiten Quartal auf einen Anteil am Gesamtvolumen von 20 Prozent, und der bewegt sich sogar leicht über dem Vorjahresdurchschnitt. Dabei entfielen die größten Anteile auf Akteure aus UK (29 %), der Schweiz (12 %) und Schweden (8 %).

„Die Nachfrage auf dem Wohnimmobilien-Investmentmarkt ist auch deshalb stabil geblieben, weil die Anlageklasse ihrem Ruf stabiler Cashflows gerecht geworden ist. Im Gegensatz zu Gewerbeimmobilien gab es bisher keine größeren Mietstundungen“, erklärt Konstantin Kortmann und fügt an: „Die Anlageklasse mit ihrem defensiven Risikoprofil und den Eigenschaften des Konsumguts ‚Wohnen‘, das als Grundbedürfnis dem staatlichen Schutz unterliegt, konnte trotz aller Verunsicherung der Marktteilnehmer die in einer kritischen Marktlage psychologisch so wichtige Zuversicht überzeugend vermitteln. Angesichts der anhaltend hohen Marktdynamik kann daher auch ein ‚Corona-Discount‘ in den Preisen nicht bestätigt werden: zumindest die Bestandspreise sind stabil geblieben.“

Ein Blick auf die gesamte Preisentwicklung (Bestand und Neubau) im zweiten Quartal zeigt einen weiteren Anstieg gegenüber dem Vorquartal um 7 Prozent auf rund 131.000 Euro/Wohneinheit. „Dieser Zuwachs ist im Wesentlichen auf einen erhöhten Anteil an Projektentwicklungen am Gesamtvolumen zurückzuführen, die mit einem Anteil von 32 Prozent (bei einem 5-Jahresdurchschnitt von 21 %) auch im zweiten Quartal 2020 ihre zunehmende Bedeutung für das Geschehen am Wohninvestmentmarkt in Deutschland untermauerten“, erklärt Scheunemann. Neben den Entwicklern (rund 855 Mio. Euro) waren es vor allem Immobilien AGs (rund 1 Mrd. Euro), die auf der Verkäuferseite aktiv waren. Als stärkste Käufergruppen agierten ebenfalls Immobilien AGs mit rund 1,3 Mrd. Euro und Asset/Fonds Manager mit rund 832 Mio. Euro.

„Der vorsichtige Optimismus der Marktteilnehmer spiegelt sich auch in der öffentlichen Debatte wider. Prä-Covid-19 Themen, wie etwa die zunehmenden wohnungspolitischen Interventionen auf kommunaler und nationaler Ebene, verdrängen wieder zunehmend die Krisendiskussionen. Neben dem vom Bundesbauministerium vorgelegten Gesetzesentwurf zum ‚Baulandmobilisierungsgesetz‘ ist es vor allem der Berliner Mietendeckel, der sowohl auf dem Privatisierungsmarkt als auch auf dem Wohninvestmentmarkt für Verunsicherung sorgt“, sagt Kortmann. Der Wohnungsmarktexperte weiter: „Die voraussichtlich eine längere Zeit, vielleicht auch Jahre andauernde Normenkontrolle durch das Bundesverfassungsgericht, wird den Berliner Markt wohl noch einige Zeit prägen. Gegenwärtig sind auch hier die Auswirkungen allerdings gering“. Das Transaktionsvolumen am Berliner Wohninvestmentmarkt bleibt mit 440 Mio. Euro hoch und sorgt dafür, dass die Hauptstadt nicht nur ihre Bedeutung als stärkster regionaler Markt beibehält - gefolgt von München (272 Mio.), Rhein-Neckar (220 Mio.) und Hamburg (212 Mio.), sondern sich der relative Anteil am Gesamtvolumen in etwa auf dem Niveau des Vorjahresquartals eingependelt hat. Insgesamt entfiel rund ein Drittel des Gesamtvolumens auf die sieben größten regionalen Märkte (Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München und Stuttgart).

Konstantin Kortmann abschließend: „Die Chancen für das Wohnsegment, aus der Krise sogar gestärkt hervorzugehen, ist durchaus realistisch. Insbesondere dann, wenn sich die weitere Nachfrage der Investoren langfristig auch aus anderen Segmenten auf das Wohnsegment verlagert. Die Risikoaversion und damit die Nachfrage nach risikoärmeren Produkten könnte nachhaltig noch steigen, Anlagealternativen im Niedrigzinsumfeld der ultra-expansiven geldpolitischen Ausrichtung werden immer rarer. Während risikoaverse Investoren wie Pensionsfonds und Versicherungen in den letzten Jahren ihre Anteile an Immobilieninvestitionen am Gesamtanlagevolumen tendenziell erhöht haben, ist die Bereitschaft institutioneller Anleger, in Immobilien und insbesondere in Wohnimmobilien zu investieren, auch in der aktuellen Marktsituation nach wie vor hoch. Dies gilt auch, wenn vorübergehend erhöhte Immobilienquoten in der Kapitalstruktur einige Akteure derzeit zur Zurückhaltung zwingen. Wir halten für den weiteren Jahresverlauf das zu Jahresbeginn prognostizierte Transaktionsvolumen von rund 19 Mrd. Euro weiterhin für möglich, mit dem Potential sogar die 20 Mrd. Euro Marke zu überschreiten.“

* Verkauf von Wohnungspaketen und Studentenheimen mit mindestens 10 WE und 75 % Wohnnutzung sowie der Verkauf von Unternehmensanteilen mit Übernahme einer Kontrollmehrheit ohne Börsengänge







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