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29.04.2020 Analyse: Höhen und Tiefen der Hotelbranche

„Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft“ lautete eines der bekanntesten Zitate von Wilhelm von Humboldt. Dennoch ist die aktuelle Situation grundlegend von anderen geschichtlichen Ereignissen in den letzten zwei Jahrzehnten zu unterscheiden, da das Ausmaß der jetzigen Krise viel enormer in das gesellschaftliche sowie wirtschaftliche Leben in Deutschland greift. In den letzten 20 Jahren gab es Ereignisse wie 9/11, SARS-1 sowie die Finanzkrise und dennoch nahm keines solch einen Einfluss auf unser Leben und unsere Branche wie der Covid-Virus 19.

Die Terroranschläge von 2001 haben eine neue Dimension des internationalen Terrorismus aufgezeigt. Die Auswirkungen auf das deutsche Beherbergungsgewerbe verliefen im Jahr der Ereignisse sehr moderat. Sofern man das Vorjahr der Anschläge als Basisjahr mit 347,423 Millionen Übernachtungen heranzieht, lag das Jahr 2001 sogar mit 347,444 Mio. trotz der Anschläge über dem Niveau des Vorjahres. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass die Terroranschläge erst am Ende des dritten Quartals passierten, sowie dass die Monate von Januar bis einschließlich August größtenteils über dem Niveau des Vorjahres lagen. Die unten abgebildete Grafik macht deutlich, dass sich die Übernachtungszahlen im Jahr 2001 in Deutschland ab September beinahe durchgehend unter dem Niveau des Vorjahres bewegten (September -5,2%, Oktober -0,4%, November +0,3%, Dezember -2,5%).

In den Jahren 2002 bis 2004 bewegten sich die Übernachtungszahlen seitwärts im Bereich von 338 Mio. Übernachtungen. Bezugnehmend auf das Basisjahr 2000 pendelte der Reduktionswert lediglich zwischen 2,5 und 2,6%. Die vollkommende Erholung des deutschen Beherbergungsmarktes erfolgte im Jahr 2006 mit 351 Mio. Übernachtungen und überschritt erstmals die 347 Mio. Übernachtungen von 2000/2001.
Die Betrachtung der Quellmärkte verdeutlicht, dass sich die Zahl der ausländischen Übernachtungen schneller erholte als die der Inlandsgäste. Während im Jahr 2001 ca. 40,8 Mio. ausländische Übernachtungen registriert wurden, erzielte die inländische Nachfragerseite ca. 306,7 Mio. Übernachtungen. Der ausländische Quellmarkt erholte sich binnen drei Jahre und lag bereits 2004 mit ca. 45,4 Mio. Übernachtungen über dem Wert von 2001. Der inländische Quellmarkt benötigte sechs Jahre und lag erstmals im Jahr 2007 mit 307,1 Mio. über dem Wert der Jahre 2000/2001. Hierbei muss erwähnt werden, dass diese Entwicklung nicht nur auf 9/11 zurückzuführen ist, sondern unter anderem auch auf konjunkturelle Entwicklungen in der deutschen Wirtschaft.

Im Februar 2003 wurde durch die WHO bekannt, dass sich ein Virus verbreitet, der zu schweren akuten Atemwegserkrankungen führt. Die ersten Anzeichen eines neuen Virus gab es bereits im November in China, jedoch wurden diese Informationen vorerst zurückgehalten. Die Auswirkungen des SARS-Virus auf den deutschen Beherbergungsmarkt sind nur schwer einzuschätzen, da Ereignisse wie der Irak-Krieg und ein wirtschaftlicher Abschwung in Deutschland im selben Zeitraum einhergingen. Im Gegensatz zu der jetzigen Situation gab es damals weltweit ca. 8.000 Infizierte.

Zwar lag die Zahl der Übernachtungen im Jahr 2003 unter der des Vorjahres, dieser Rückgang war aber dem Rückgang der inländischen Nachfragerseite geschuldet, während der ausländische Quellmarkt weiterhin einen Zuwachs verzeichnete.
Im Jahr 2006 wurden in Deutschland rund 351 Mio. Übernachtungen registriert und somit war es das erste Jahr, welches das Übernachtungsvolumen aus den Jahren 2000/2001 überschritt. Dieser Trend setzte sich auch erfreulicher Weise in den beiden Folgejahren fort und stieg auf ca. 369,5 Mio. Übernachtungen.

Im Jahr 2008 ging die amerikanische Bank Lehmann-Brothers bankrott. Der Untergang der Investmentbank wird häufig mit dem Beginn der Finanzkrise assoziiert. Die Auswirkungen auf den deutschen Beherbergungsmarkt machten sich erst im Folgejahr mit einer geringeren ausländischen Nachfrage bemerkbar. Während zwischen 2007/2008 die Zahl der ausländischen Übernachtungen um ca. 3,2% stieg, nahm die Nachfrage im Jahr 2009 um ca. 3% ab. Gegenüberstehend trotzte der inländische Quellmarkt der Finanzkrise und setzte sein Wachstum im Jahr 2009 mit leichten 0,3% fort. Über den ganzen Beherbergungsmarkt hinweg machte sich die Abnahme der ausländischen Nachfragerseite mit 0,2 Prozentpunkten bemerkbar.

Die Jahre 2009 bis 2019 beflügelten die deutsche Hotellerie mit ständig neuen Rekordwerten. In dem Zeitraum stieg die Zahl der Übernachtungen um 34,4%. Der ausländische Quellmarkt erzielte einen Zuwachs von 64%, während die Zahl der inländischen Übernachtungen um 29,3% stieg. Hotelimmobilien entwickelten sich zu „Investors-Liebling“ und zahlreiche Hotelketten, Franchise-Nehmer sowie Projektentwickler drängten auf den Markt. Einige verfolgten eine teils aggressive Expansions-Strategie. Die aktuelle Situation mag für jeden befremdlich wirken, dennoch war ein Einbruch des Hotelmarktes zu befürchten, wenn auch nicht in diesem enormen und nicht hervorsehbaren Ausmaß.

Aufgrund von Branchenkenntnissen wissen wir, dass aktuell in vielen größeren Beherbergungsmärkten lediglich ein einstelliger Auslastungsgrad erzielt wird. Ein solcher Einbruch der Belegungszahlen zeigt die Verletzbarkeit unserer Branche in solchen Krisenzeiten auf. Zudem macht die gegenwärtige Situation deutlich, dass die Interdependenz zwischen Buchungszahlen und voranschreitender globaler Vernetzung auch das Risiko für konjunkturelle Abschwünge in unserer Industrie erhöhen kann. Das Credo der Vergangenheit lehrt uns, dass ein „Wachsen um jeden Preis“ nicht als nachhaltige Unternehmensstrategie angesehen werden kann. Die aktuelle Situation wird weitgreifende Folgen für den Hotelmarkt mit sich bringen. Verschärfte Risikoverteilung bei Pachtverträgen, neue Eigenkapitalanforderungen sowie ein erhöhter Fokus auf die eigene Hotelpipeline könnten in Zukunft stärker in den Fokus für neue Hotelprojekte rücken. Nichtsdestotrotz wurde in den historischen Vergleichen erkennbar, dass der deutsche Hotelmarkt sich immer wieder schnell von internationalen Krisen erholte.

(Analyse der Hotel Affairs Consulting GmbH)









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