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21.04.2020 Büromarkt-Prognose: Flächennachfrage explodiert, Mietpreise steigen

Sami Steinbach, Vorstandvorsitzender der Angermann Real Estate Advisory AG
Sami Steinbach, Vorstandvorsitzender der Angermann Real Estate Advisory AG, machte am vergangenen Wochenende auf Linkedin unter anderem mit folgenden Aussagen auf sich aufmerksam: „Die Büroflächennachfrage wird explodieren“ und „Die Mietpreise für kurzfristig verfügbare Büroflächen könnten jetzt sprunghaft steigen.“

Im Interview spricht er über die Gründe für seine Prognosen und welche Entwicklungen er noch erwartet.

Viele ihrer Marktkollegen und Branchenkenner glauben an einen Absturz des bisherigen Büroflächenhypes. Warum vertreten Sie eine vollkommen entgegengesetzte Meinung?
Steinbach: Wie so oft ist es eine Frage der Perspektive und sicher ist mein Statement provokant! Aber ich glaube, dass die Abstandsregel in vielen Büros umgesetzt werden muss und dies unumgänglich zu einem höheren Flächenbedarf führt.

Seit über 30 Jahren unterstütze ich nationale wie internationale Unternehmen bei ihrer Suche nach neuen Büroflächen. Da wir bei Angermann unsere Maklerrolle schon immer als Coach und Sparringspartner verstanden haben, steigen wir fast immer tief in die Motivation der Unternehmen zur Standort-/Flächenveränderung ein. Diese folgte in den letzten fünf Jahren ganz maßgeblich einem Ziel: die richtige Raumstruktur für so viel Teamarbeit wie möglich und so viel Rückzugsflächen für ungestörtes Arbeiten wie nötig abzubilden.

Seitdem vor gut 20 Jahren in der dot.com-Ära viele Zellstrukturen fielen und „open space“-Lösungen ihren Siegeszug begannen, glaubten viele Unternehmen und Facility-Management-Profis bis Mitte/Ende der 2000er-Jahre, ihre Büroraumkosten massiv durch Verdichtung optimieren zu können. Sie übersahen dabei eines: die open-space-Strukturen der dot.com-Ära sollten im Wesentlichen einem dienen, dem laufenden und spontanen Austausch von Ideen.

Warum ist dieser Austausch so wichtig?

Steinbach: Zunächst einmal ist entscheidend, wie die Projektarbeit geleistet wird. Wenn jemand in Projekten alleine und autark mit nur vereinzelten Schnittstellen arbeiten kann, bedeutet das natürlich, dass er bei seiner Tätigkeit losgelöst von Zeit und Raum ist. Es gibt aber auch andere Jobbeschreibungen, die deutlich häufiger anzutreffen sind. Hier ist man Teil eines Hand-in-Hand arbeitenden Teams und der laufende sowie spontane Austausch und die jederzeitige Möglichkeit zur Schnittstelle sind essentiell – insbesondere im Hinblick auf den Faktor Zeit oder Schnelligkeit.

Wenn jetzt Experten zu dem Ergebnis kommen, dass wir das Miteinander nicht mehr brauchen, dann frage ich mich, wie sich unser gesellschaftliches Leben grundsätzlich entwickeln wird und warum wir dann bis gestern an einen Siegeszug der großen Städte und an den Sog der Zentralität glaubten?

Büromärkte wie Hamburg und Berlin verzeichnen im abgelaufenen ersten Quartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum Umsatzeinbußen. Auswirkungen der Corona-Krise waren zwar spürbar, der entscheidende Faktor für den Rückgang war jedoch das mangelnde Büroflächenangebot. Wie wird sich die Büroflächennachfrage in den kommenden Monaten entwickeln?

Steinbach: Die Folgen von Covid-19 werden uns zweifelsohne noch sehr lange beschäftigen. Um die Abstandsregelungen einzuhalten, müssen sich Arbeitgeber darauf einstellen, ihre Büroflächen den gesetzlichen Vorgaben entsprechend zu möblieren. Alte Zellenstrukturen, die eine fließende Kommunikation in den Unternehmen eher behindern, sind hierbei keine Alternative. Mehr Platz und lockerere Möblierung heißt die Lösung. Für die Mitarbeiter bedeutet dies eine verbesserte Raumakustik, durch die Konzentration und Produktivität gesteigert werden kann. Diese aus meiner Sicht unerlässliche Entwicklung wird zu einer sprunghaften Erhöhung des Flächenbedarfs aller verwaltenden Unternehmen führen.

Wer im Zuge der Corona-Krise auf eine rückläufige Nachfrage und somit sinkende Büromieten hofft, dürfte also enttäuscht werden?

Steinbach: Das könnte zumindest mit Blick auf die Preise für kurzfristig verfügbare Ausweichflächen so sein. Denn während viele Experten das Ende des Booms und sinkende Mieten prophezeien, sage ich, dass die Rallye nach eben kurzfristig verfügbaren Flächen gerade erst eröffnet sein könnte. Nur wer schnell entscheidet, kann den sich erhöhenden Flächenbedarf für sein Unternehmen decken. Vielerorts in Deutschland sind die Büromärkte absolut leergefegt. So sind in Hamburg nur 2,7 % des Büroflächenbestandes kurzfristig anmietbar. In Berlin stehen sogar nur noch 1,2 % der Büroflächen leer.

Bedingt durch die Pandemie ist das Arbeiten im Homeoffice für viele Beschäftigte aktuell Alltag. Hat der Trend über Corona hinaus in dieser Ausprägung eine Zukunft?

Steinbach: Menschen sind Gruppenwesen. Vielen Arbeitnehmern fällt es schwer, die mit dem Homeoffice oftmals einhergehende Isolation zu verkraften. Vom Heimarbeitsplatz aus neue Kontakte zu knüpfen und bestehende zu halten und zu pflegen ist mit einem Aufwand verbunden, der im nötigen Umfang nicht von jedem geleistet werden kann. Audio-, Video- und Webkonferenzen bieten zwar eine durchaus adäquate Möglichkeit zum Austausch, einen vollständigen Ersatz für zwischenmenschliche Kontakte stellen sie jedoch definitiv nicht dar.

Keine Frage, unsere Arbeitswelt wird sich verändern. Daran, dass Arbeit zukünftig größtenteils dezentral geleistet wird, glaube ich allerdings nicht. Vielmehr bin ich davon überzeugt, dass eben jene Organisationen erfolgreich sein werden, die intelligente Raumlösungen mit ausreichend Raum für ihre Teams und Mischformen der Büroraumnutzung schaffen. Insofern werden „Home & Office“ sicher noch mehr miteinander verschmelzen. Aber eben in Koexistenz und nicht in der Weise, dass ein Arbeitskonzept das andere vollständig ersetzt.

Was macht Sie so sicher?

Steinbach: Wenn es so einfach und kostengünstiger wäre, sämtliche Arbeiten ins Homeoffice zu verlegen, dann frage ich mich warum die „Digital Natives“ von heute beispielsweise mit ihren großen Startups in Berlin Hunderttausende von Quadratmetern angemietet haben.

Bevor nicht das Gegenteil bewiesen wird, bin ich davon überzeugt, dass Homeoffice und/oder Schichtarbeit-Strukturen über einen längeren Zeitraum für die Produktivität und Innovationskraft von vielen Unternehmen eher schädlich sein werden.

Wie halten Sie es bei sich im Unternehmen?

Steinbach: Aktuell entwickeln wir gerade Strategien, um die wegen Covid-19 notwendigen Abstandsregelungen kurzfristig darstellen zu können, damit wir eben nicht langfristig auf einen Schichtbetrieb und/oder Homeoffice ausweichen müssen. Wir sind als Teamplayer abhängig vom kreativen Miteinander und dem damit einhergehenden spontanen Ideenaustausch sowie der konsequenten Weiterentwicklung der Einfälle.
Eine Frage, die sich beim Homeoffice immer wieder stellt ist, inwieweit überhaupt jeder Arbeitnehmer zu Hause die richtigen Arbeitsbedingungen hat?

Steinbach: Die angesprochene Problematik ist absolut vorhanden und darf nicht wegdiskutiert werden. Hamburg ist beispielsweise eine Single-Hochburg, was zugleich bedeutet, dass es relative viele kleinere Haushalte gibt. Es ist für mich nur schwer vorstellbar, dass diese alle Wohnen und Arbeiten unter einem Dach für die nächsten 1-2 Jahre bewerkstelligen können und auch wollen. Oder wollen Sie z.B. einen Schreibtisch plus Bürostuhl plus 1-2 große Bildschirme plus eine EDV-gerechte Beleuchtung dauerhaft im Schlaf- oder Wohnzimmer?









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