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03.04.2020 Wohnungspolitik in Corona-Zeiten: Herausforderungen und Lösungen

Die Corona-Pandemie, die im Dezember 2019 ihren Anfang nahm und sich derzeit weltweit rasch ausbreitet, wirkt sich auf die Wirtschaft und damit auch auf den Immobilienmarkt spürbar aus. Da die Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung die Umsätze massiv zurückgehen lassen, sind insbesondere die kleinen und mittleren Unternehmen aus dem Dienstleistungs-, Gastgewerbe- und Verkehrssektor, aber auch Soloselbstständige häufig nicht in der Lage, ihren kurzfristigen Verpflichtungen wie Mieten, Kreditzinsen und Arbeitskosten nachzukommen, und damit existentiell gefährdet. Private MieterInnen sind ebenso betroffen, wenn sie wegen der Eindämmungsbestimmungen kein oder deutlich weniger Einkommen beziehen. Erste Vorschläge und staatliche Maßnahmen zielen darauf ab, den gewerblichen und privaten MieterInnen und WohnimmobilienbesitzerInnen in diesen schwierigen Zeiten möglichst unbürokratisch zu helfen. Welche Regierung was beschlossen hat oder plant, soll hier im Einzelnen vorgestellt werden.

Als die Bundesregierung vergangene Woche wegen der Corona-Pandemie einen Kündigungsschutz für MieterInnen beschlossen hat, fühlten sich offensichtlich auch große Konzerne angesprochen: Firmen wie Adidas, Deichmann oder H&M kündigten an, ihre Gewerbemieten präventiv ab April nicht mehr zu bezahlen. „Unanständig und nicht akzeptabel“, nannte dies die Bundesjustizministerin Christine Lambrecht. Denn die Regelung, dass die Miete für drei Monate gestundet werden kann, richtete sich vor allem an private und gewerbliche MieterInnen mit wenigen Rücklagen, die wegen des Shutdowns seit dem 23. März nun keine oder kaum Einnahmen mehr generieren.
Ohne Frage stellt der Shutdown viele private und gewerbliche MieterInnen vor große Probleme – nicht nur in Deutschland. Der Mietrückstand gehört zu den wenigen Gründen, die VermieterInnen berechtigen, ihren MieterInnen zu kündigen. Angesichts der Tatsache, dass die Eindämmungsmaßnahmen viele Wochen dauern können, ist das Risiko, dass einer großen Anzahl von MieterInnen gekündigt wird, sehr hoch.

Insbesondere den Einzelhandel, den Luftverkehr und das Gastgewerbe treffen die Maßnahmen hart. Kleine Unternehmen mitsamt ihren Beschäftigten sowie Soloselbstständige und FreiberuflerInnen sind häufig existentiell bedroht, da sie in der Regel wenige Rücklagen haben. Während den Menschen mit niedrigem Einkommen häufig Leistungen wie Arbeitslosen- und Wohngeld zur Verfügung stehen oder bei den Beschäftigten des öffentlichen Sektors die Bezüge unverändert bleiben, sind die im privaten Sektor beschäftigten Personen mit niedrigem mittlerem Einkommen am stärksten betroffen. Ihre Einkommen sinken oder bleiben ganz aus, so dass sie häufig nicht in der Lage sind, ihre Mieten beziehungsweise ihre Hypothekenzinsen zu bedienen. Für den Immobilienmarkt bedeutet dies einen negativen Nachfrageschock, wenn die Zahlungskraft der MieterInnen und EigentümerInnen abnimmt.

Angesichts dieser drohenden Entwicklungen suchen die Regierungen in verschiedenen Ländern nach Möglichkeiten, deren Auswirkungen zu dämpfen. Vier Schutzmaßnahmen werden verwendet: Kündigungsschutz für MieterInnen, Hypothekenerleichterungen, Mietenstopps und Mietsubventionen. Welche Wege die verschiedenen Länder hierbei wählen, soll im Folgenden vorgestellt werden.

Welche Länder sich zu welchen Schutzmaßnahmen verpflichtet haben

Am häufigsten wird der Kündigungsschutz der MieterInnen verstärkt. Seit Mitte März 2020 haben viele Länder die Möglichkeit, MieterInnen, deren Einkommen besonders stark wegen der COVID-19-Pandemie zurückgegangen sind, wegen Mietrückständen zu kündigen, ausgesetzt oder planen dies. Dazu gehören: Argentinien, Australien, El Salvador, Deutschland, Irland, Italien, Kanada (Quebec und Ontario), Luxemburg, Niederlande, Neuseeland, Portugal, Spanien, die Vereinigten Arabischen Emirate (Abu Dhabi und Dubai), die USA, das Vereinigte Königreich und Zypern. Meistens beziehen sich die Regelungen auf private Wohnimmobilien. In Portugal wie auch in Deutschland werden jedoch die MieterInnen von Wohn- und Gewerbeimmobilien geschützt. Frankreich schützt dagegen bis jetzt nur kleine und mittlere Unternehmen, während Rumänien die Unternehmen allgemein vor Kündigung schützt.

Eine zweite Maßnahme soll WohneigentümerInnen helfen, damit sie ihre Immobilien nicht verlieren. Können sie ihre Hypothekenkredite nicht bedienen und sind wegen coronabedingten Einkommensverlusten mit Zinszahlungen in Verzug, helfen manche Staaten mit einer Art Kündigungsschutz für WohneigentümerInnen. Manchmal werden auch keine formellen Regulierungen verabschiedet, sondern die Banken entscheiden selbst, ihren Kunden eine Art Hypothekenauszeit zu gewähren. Folgende Länder haben von solchen Mitteln Gebrauch gemacht: Argentinien, Belgien, El Salvador, Deutschland, Irland, Italien, Kanada, Portugal, Russland, Spanien, USA und Vereinigtes Königreich.
Die am wenigsten verbreitete Schutzmaßnahme sind Mietenstopps. Einige Regierungen haben es verboten, die Mietpreise während des Ausnahmezustands zu erhöhen.

Manchmal sollen die Mieten sogar gesenkt werden (Griechenland und Spanien). In Extremfällen werden die Mietzahlungen komplett ausgesetzt (Venezuela). Zu den Ländern, die solche Politikmaßnahmen eingeführt haben, gehören Argentinien, El Salvador, Griechenland, Irland, Kanada (British Columbia), Neuseeland, Spanien und Venezuela. Der Mietenstopp wird manchmal nach Vermietergröße differenziert. So werden in Spanien die Mieten nur bei großen Vermietern (mit mehr als zehn Wohnungen oder bebauter Fläche von mehr als 1500 m2) um 50 Prozent reduziert beziehungsweise zeitlich ausgesetzt. Kleine Vermieter werden verschont.
In manchen Ländern (zum Beispiel in der kanadischen Provinz British Columbia, Luxemburg und in Spanien) wird geplant, den Kündigungsschutz und den Mietenstopp mit Kompensationen für die VermieterInnen zu flankieren, zum Beispiel in Form von Subventionen oder zinslosen Darlehen. So sollen Einbußen wegen des Mietenstopps vermieden werden.

Mindestens 23 Länder haben auf nationaler oder regionaler Ebene weltweit die Maßnahmen zum Schutz der von der Corona-Krise stark betroffenen MieterInnen und ImmobilienbesitzerInnen eingeführt oder angekündigt. Die beliebteste Maßnahme ist die Aussetzung der Kündigung (17 Länder), gefolgt von der Aussetzung von Hypothekenzins- und Tilgungsleistungen (13 Länder). In zehn Ländern geht das Kündigungsmoratorium mit Hypothekenfreigaben einher. Mietenstopps sind nur in sieben Ländern vorhanden oder geplant. Subventionen an MieterInnen oder VermieterInnen werden in vier Ländern gewährt.

Fazit: Die Belastung nicht auf eine Seite schieben

Die Regierungen in aller Welt sind sich der prekären Lage vieler MieterInnen und WohnimmobilienbesitzerInnen bewusst und waren schnell und kreativ in der Lage, die besonderen Belastungen abzufangen. In Deutschland lösten die Pläne der Regierung, die Kündigungsmöglichkeit wegen Nichtzahlung der Miete auszusetzen, eine lebhafte Diskussion aus, vor allem als auch große Unternehmen versuchten, diesen Schutz für sich in Anspruch zu nehmen.

Einige Kritiker warfen ein, dass diese Maßnahme insbesondere die kleinen VermieterInnen vor ernsthafte finanzielle Probleme stellen könnte. Denn mit dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27. März 2020 ist noch nicht geregelt, wie die ausgefallene Miete kompensiert werden soll. Sie schlugen vor, einen Spezialfonds zu schaffen, der entweder die Mietverbindlichkeiten direkt von den VermieterInnen kaufen oder zinslose Kredite an MieterInnen und ImmobilienbesitzerInnen vergeben soll. Es ist wichtig, sowohl die Nachfrage- als auch die Angebotsseite des Marktes zu berücksichtigen und nicht die gesamte Belastung auf eine Seite zu verlagern.

Die Mieten werden wenn überhaupt nur sehr kurzfristig sinken. Anders sieht es aber bei den Immobilienkaufpreisen aus. Wenn VermieterInnen und ImmobilienbesitzerInnen wegen dieser Maßnahmen finanziell in Schieflage geraten und weder von der Regierung noch von den Banken unterstützt werden, kann dies zu Notverkäufen von Immobilien führen. Dies könnte am Markt eine Kettenreaktion von den ImmobilienbesitzerInnen zu den Banken auslösen und somit die bereits eintretende Wirtschaftskrise verschärfen. Es wird darauf ankommen, mehr finanzielle Hilfe für alle betroffenen Akteure auszugeben, um in naher Zukunft noch größere Verluste zu vermeiden.

(Quelle: DIW Berlin)








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