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26.02.2020 Die Aktienmärkte sind zu optimistisch, die Rezession kommt

Während Zinsmärkte, Öl und Gold ein deutlich gestiegenes Rezessionsrisiko signalisieren, befinden sich viele Aktienmärkte immer noch nahe ihren historischen Höchstständen. Bislang stützen sich die meisten Volkswirte auf Annahmen, dass die Einbußen durch das Covid-19-Virus nicht zu einer Rezession der Weltwirtschaft führen. „Die echten Zahlen aber zeigen das Gegenteil“, sagt Ivan Mlinaric, Geschäftsführer der Quant.Capital Management GmbH.

Auch wenn die Volatilität in den vergangenen Tagen etwas angezogen hat: Die Aktienmärkte preisen zu viel Optimismus ein. Sie erwarten, dass die aktuelle Covid-19-Krise nur eine Randnotiz in der Weltwirtschaft bleibt. „Das aber ist fast blauäugig“, so Mlinaric. „Schon heute sind die Folgen kaum noch aufzuholen.“

Die staatlich verordnete Verlangsamung des öffentlichen Lebens und Wirtschaftens, die nach China nun auch Südkorea und Italien betrifft, hinterlässt sichtbare wirtschaftliche Spuren: In China sind nur rund 40 Prozent der Arbeiter an den Arbeitsplätzen, der Output liegt in viele Sektoren über 80 Prozent niedriger als im Vorjahr, globale Lieferketten sind gestört, der Tourismus liegt in weiten Teilen Asiens am Boden. Quarantänemaßnahmen und Betriebsschließungen betreffen jetzt auch Südkorea und Italien. Mlinaric: „Je länger diese Situation anhält, desto mehr wirtschaftliche Aktivität geht den betroffenen Volkswirtschaften verloren.“ Über die gestörten Lieferketten setzen sich diese Effekte weiter fort.

Viele Volkswirte gehen noch davon aus, dass der größte Teil dieser verlorenen Aktivität im Laufe der Zeit aufgeholt werden kann. Sie nehmen dafür unter anderem die SARS-Epidemie von 2003 als Vorlage. Damals konnte ein (noch) gering verschuldeter chinesischer Staat durch massive Förderprogramme die gebremste Wirtschaft wieder beschleunigen. Dabei führte die SARS-Epidemie aber nie zu einem vollständigen Stopp der Wirtschaft, wie dies heute in China zu beobachten ist.

Dieser vollständige Stopp führt zu schwerwiegenden Konsequenzen in vielen Branchen: Eine Automobilfabrik, die normalerweise im Drei-Schicht-Betrieb arbeitet, wird einen Produktionsausfall von zwei Monaten nicht durch eine Verdoppelung der Produktion in den kommenden zwei Monaten kompensieren können. Unternehmen, die aufgrund des Stillstands in die Insolvenz rutschen, werden nicht über Nacht wieder aufgebaut.

In einem sehr optimistischen Szenario, in dem die Parteiführung die sofortige Aufhebung aller Zwangsmaßnahmen beschlösse, würde es einige Wochen dauern, bis alle Arbeiter wieder an ihren Arbeitsplätzen wären und alle Lieferketten wieder normal liefen. Bei einer Normalisierung ab Mitte März würde das einen Zeitraum von gut zwei Monaten bedeuten, in dem die Wirtschaft nur mit etwa halber Kapazität liefe. Per Saldo ginge der chinesischen Volkswirtschaft ein Monat an Wirtschaftsleistung verloren. „Wie viel davon aufgeholt werden kann, ist fraglich“, so Mlinaric. „Entgegen den Schätzungen vieler Analysten, die ihre Wachstumsprognosen für China von 5,5 bis 6,0 Prozent auf immer noch beachtliche 4,0 bis 4,5 Prozent reduziert haben, würde ein solcher Wegfall an wirtschaftlicher Leistung sicher in einer Kontraktion, einer Schrumpfung, münden.“

China trug bis vor Kurzem noch etwa einen Prozentpunkt zum weltweiten Wirtschaftswachstum bei. Dieser Beitrag könnte schon jetzt verloren sein, der IWF müsste seine globale Wachstumsprognose von aktuell 3,3 Prozent entsprechend anpassen. Folgeeffekte in Staaten, die einen bedeutenden Teil ihrer Vorprodukte aus China beziehen, und Staaten, für die China ein bedeutsamer Absatzmarkt ist, also faktisch alle Industrienationen, würden weiter zur Verlangsamung des BIP-Wachstums beitragen. Jede Verlängerung der Krise reduziert die Chance auf eine Aufholung der auflaufenden Verluste und schlägt entsprechend direkt auf das BIP-Wachstum durch. Hongkong hat die Wiederaufnahme des Schulbetriebs gerade auf Mitte April verschoben. „Tatsächlich befinden wir uns noch in einer Phase der Ausbreitung: Südkorea, Italien, Iran, Japan oder auch viele Staaten in Afrika melden steigende Zahlen. Eine Einschätzung darüber, wann eine Rückkehr zur Normalität möglich sein wird, wird immer schwieriger“, so Mlinaric.

Bei den weiteren Faktoren, die der IWF bei seiner Bewertung einer möglichen Rezession neben dem BIP-Wachstum berücksichtigt, sieht es ebenfalls nicht gut aus. Der Welthandel war schon vor Covid-19 seit Monaten rückläufig und kollabiert nun in einigen Bereichen geradezu. Die Nachfrage nach Öl ist rückläufig, das zeigt der Ölpreis eindringlich. Die Industrieproduktion wird unter den gestörten Lieferketten leiden und die Arbeitslosigkeit steigen. „Die Weltwirtschaft ist aktuell auf dem Weg in eine Rezession. Zumindest die Aktienmärkte scheinen das zurzeit nicht ausreichend zu berücksichtigen“, sagt Mlinaric.







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