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21.01.2020 Einzelhandel: Wachstum verringert sich, Perspektive aber gesund

Olaf Petersen, Geschäftsführer und Chefresearcher des Einzelhandelsspezialisten COMFORT nimmt den Beginn des Jahres 2020 zum Anlass, den Blick bilanzierend auf das Jahr 2019 ebenso zu richten wie auf die Erwartungen für das Jahr 2020. Dabei ließe sich zunächst konstatieren, dass der seit 2010 anhaltende Wirtschaftsaufschwung in Deutschland in diesem Jahr einen Dämpfer bekommen habe. Das Wachstum in 2019 hat nach den vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) lediglich noch +0,6 % erreicht. Die Ursachen sind vielfältig: Handelskrieg zwischen China und den USA ebenso wie die Diskussionen über Strafzölle zwischen den USA und Europa sowie die Unsicherheiten mit Blick auf den bevorstehenden Brexit.

Wachstum verringert sich – unsichere Prognosen

Für 2020 fallen die Schätzungen aufgrund dieser Variablen mit unsicherem Ausgang entsprechend unterschiedlich aus. Während die Bundesregierung mit einem Plus von einem Prozent rechnet, prognostiziert beispielsweise die OECD nur ein Wachstum von 0,4% während das DIW von 1,4% ausgeht.

Privater Konsum als Stütze der Konjunktur

Als Stütze des Wachstums geriert sich bereits seit einigen Jahren der private Konsum in Deutschland. Nach den Zahlen von Destatis wuchsen die Konsumausgaben in 2019 um real 1,6 %. Die Prognosen für das laufende Jahr gehen von Werten ähnlicher Größenordnung aus. Anders als in den Vorjahren hat sich die Entwicklung am Arbeitsmarkt etwas eingetrübt. So stagnieren die Arbeitslosenzahlen auf dem niedrigen Niveau von gut zwei Millionen Erwerbslosen. Dies entspricht einer Quote von nur noch rd. 5 %.

Neuer Rekord bei Erwerbstätigen

Den Anstieg der Erwerbstätigen bis 2019 taxierten die Wirtschaftsweisen in ihrem Frühjahrsgutachten von 2019 noch auf einen neuen Höchstwert von 45,26 Millionen Menschen. Dies hat sich nicht ganz bewahrheitet. Im Oktober 2019 waren es laut Angaben von Statista aber immerhin 45,15. Dies befördert nicht nur die Staatskasse, die von den Steuereinnahmen einer erhöhten Anzahl von Beschäftigten profitiert, sondern könnte auch den privaten Konsum in Deutschland weiter ankurbeln.

Relativ kräftiges Wachstum des Einzelhandelsumsatzes

Nach den vorläufigen Zahlen von Destatis wuchs der Umsatz im Einzelhandel Deutschland im Jahr 2019 preisbereinigt in einer Größenordnung von knapp 3 %. Damit konnten die Einzelhändler in Deutschland ihre Umsätze erneut deutlich steigern. Auch für 2020 sind die Erwartungen ausgehend von einem weiter überdurchschnittlichen Wachstum der Konsumausgaben klar positiv.

Steigerungen nicht nur online sondern auch stationär

Dabei wächst nicht nur der Online-Handel, sondern auch die stationären Händler legen spürbar zu. So betrug das Plus in diesem Bereich 2019 immerhin 1,3 %, was einem Volumen von rund 6 Mrd. EUR entspricht. Dabei verschwimmen laut Olaf Petersen die Grenzen zwischen Online und stationär im Omnichannel zunehmend und die Wechselbeziehungen zwischen stationär und Online nehmen zu. Beispielhaft weist er auf die Online-Vertriebskanäle stationärer Schwergewichte wie H&M, ZARA, Breuninger, P&C, Tchibo, DOUGLAS oder Media Markt bzw. die wachsende Zahl von Stores der früheren Pure-Online-Player wie zalando, ABOUT YOU oder Mister Spex hin.

Chance für Innenstädte als Gegenpol zur digitalen Welt

Eben dies, so Petersen weiter, eröffne Chancen für die Innenstädte, die auch künftig mit ihrer hohen Aufenthaltsqualität und Magnetfunktion eine maßgebliche Anlaufstation für erlebnisorientierten Einkauf ebenso sein werden. Als direkter Kontakt mit den Konsumenten blieben diese Läden im Zeitalter der Digitalisierung unentbehrlich. Beliebte Brands seien zudem auf die hoch frequentierten City-Lagen angewiesen, um ihre Marke und das Lebensgefühl bestmöglich zu präsentieren. Eben dies sei vielen Marken und Retailern auch weiterhin hohe Mieten wert. Allerdings lässt sich dies laut Petersen keineswegs auf alle Städte und Lagen übertragbar. Es ist absehbar, dass viele Mittel - und Kleinstädte in Ermangelung von Potenzial für eben diese Mieter an Bedeutung verlieren.

Handel ist tatsächlich Wandel

„Dass sich der Einzelhandel momentan in einem umfangreichen Strukturwandel befindet, “ sagt Olaf Petersen, „ist offensichtlich.“ Neue Mieter und Konzepte, beispielsweise aus den Bereichen Health /Beauty /Gesundheit oder Gastronomie drängen vermehrt in die Highstreets. Hinzu kommen Nahversorger und verschiedene Hartwaren, z.B. Sport, Einrichtung oder Hausrat. Im Ergebnis könnten diese durch die Digitalisierung ausgelösten Prozesse dazu führen, dass viele Innenstädte wieder urbaner und lebendiger werden. Dies, so Petersen, könne man durchaus als Chance begreifen. „Dessen ungeachtet wird die Diskussion um die Zukunft des Einzelhandels derzeit vielerorts nur mit negativen Vorzeichen geführt“, kritisiert er. Dabei eröffne der gegenwärtige Wandlungsprozess den Innenstädten eine ganze Reihe an neuen Chancen.

Mieten bleiben unter Druck

„Was sich ebenfalls geändert hat, ist die Gewissheit, dass die Mieten in den 1a-Lagen deutscher Innenstädte eigentlich nur steigen können“, leitet Petersen die jährliche Bestandsaufnahme der COMFORT zu den Mietpreisen in 132 deutschen Einkaufsstädten ein. Tatsächlich ließe sich seit einigen Jahren ein anderer Trend konstatieren, der sich auch in 2019 fortgesetzt habe: Die Mieten für Ladenlokale sinken auf breiter Front. Wenn auch mit starken regionalen Unterschieden.

Steigerungen nur in Berlin und Düsseldorf

Nur in zwei der durch COMFORT analysierten 132 Städten ist die Höchstmiete für Ladenlokale in den 1a-Lagen noch gestiegen, nämlich namentlich in Berlin und in Düsseldorf. In 30 Städten ist die Miete konstant geblieben, wie beispielsweise in Hamburg, Leipzig, Freiburg, Potsdam oder in Flensburg.

„Aber in 100 Städten“, berichtet Olaf Petersen, „haben die High Streets-Mieten erneut nachgegeben. Bei dem Gros dieser Städte sogar um mehr als 5 %. Und auch zweistellige prozentuale Rückgänge wie Stuttgart, Karlsruhe, Krefeld, Koblenz, Gera sind zu verzeichnen“. Insgesamt sind die Mieten im Mittel aller 132 Städte um rd. 5 % gesunken. Eine Zäsur sei also kaum zu leugnen.

Flexibilität der Eigentümer nimmt zu

„Mittlerweile beginnen sich die Eigentümer und damit die Vermieter von Verkaufsflächen auf die neue Situation einzustellen und agieren bei der Mietvertragsgestaltung in jeder Hinsicht deutlich flexibler als noch vor zehn Jahren“ erläutert Petersen die Konsequenzen aus dieser Entwicklung. Auch die geringere Nachfrage der Retailer nach vertikalen Mietflächen bzw. Großflächen, werde auf der Eigentümerseite zunehmend zur Kenntnis genommen. So würden als Nutzung für Obergeschosse vermehrt Alternativen wie Wohnungen, Büros oder Hotels in Betracht gezogen.

Dessen ungeachtet ließen sich weiterhin attraktive Retailmieter finden. Anders als in der Vergangenheit, die durch Vermietungen an Labels aus den Bereichen Textil und Schuhe dominiert wurde, ist das Branchenspektrum der Mieter heute deutlich vielfältiger geworden.

Mehr Vielfalt in den Innenstädten

„Diese steigende Branchen-, Nutzungs- und Mietervielfalt kommt der Attraktivität unsere Innenstädte zugute“, konstatiert Petersen. „Weniger Monotonie, mehr Aufenthaltsqualität. Also genau die Entwicklungen, die benötigt werden, um Attraktivität und Frequenz zu sichern“. Ebenfalls zeige sich dieser Umbruch in der aktuell wachsenden Bedeutung von Mixed-Use-Objekten und dem konstant steigenden City-Anteilen von Gastronomie. „Unsere Innenstädte kehren so langsam wieder zu ihrer ursprünglichen Funktion als sozialer Treffpunkt und Marktplatz zurück“.

Langfristige Perspektive gesund

„Vor diesem Hintergrund“, erklärt Petersen, „geht man bei COMFORT davon aus, dass die Retail-Mieten für moderne und marktgerechte Flächen in den urbanen Toplagen der attraktiven Innenstädte spätestens auf mittlere Sicht wieder ein Mindestniveau finden und hiervon ausgehend auch wieder zulegen können. Aktuell befinden wir uns in einer Phase der umfassenden Neujustierung der Einzelhandelsmieten sowie einer deutlichen Flexibilisierung der Mietvertragsverhältnisse, in der die alten tradierten Gewohnheiten aufgebrochen werden. Die Zeiten des unkomplizierten Nach- und Neuvermietens sind vorbei“. Immer häufiger, berichtet Petersen, bedürfe es der Unterstützung von Spezialisten, die mit den Anforderungen sowohl des Marktes als auch der Retailer (u.a. in puncto Laufzeiten, Break-Options, Umsatzmiet(e)-Komponenten, Nebenkosten, Indexierungen, Baukostenzuschüsse) vertraut sind.

Hohes Transaktionsvolumen für Gewerbeimmobilien

Die weiterhin andauernde und mittelfristig stabile Niedrigzinsphase im Euroraum gepaart mit kaum vorhandenen Anlagealternativen sorgten trotz aller internationalen Unwägbarkeiten auch in 2019 für ein außerordentlich hohes Transaktionsvolumen. Auch die sich abschwächende Konjunktur spiegelt sich bislang - aller globaler Risikofaktoren zum Trotz - auf den Investmentmärkten nicht wider. Solange keiner der momentan vorhandenen globalen Krisenherde außer Kontrolle gerät, werden Gewerbeimmobilien für institutionelle Investoren weiterhin eine wesentliche Rolle spielen. Einige Assetklassen werden jedoch zunehmend intensiver und differenzierter betrachtet. Hierzu zählen Hotel- und Retailimmobilien.

Unterschiede zwischen den Immobilienarten

In der letzteren stehen weiterhin Shopping-Center am deutlichsten unter Druck, da die Mieten hier stärker korrigiert werden müssen und die zum Teil notwendigen Restrukturierungsmaßnahmen schwieriger und kostenintensiver sind. Fachmarkt-Center und –Agglomerationen genießen weiterhin eine hohe Nachfrage, da den hier häufig vertretenen Lebensmittlern eine hohe Onlineresistenz und somit Mietstabilität nachgesagt wird. Highstreet-Immobilien werden aufgrund der teilweise notwendigen Mietpreiskorrekturen in dem befindlichen Strukturwandel derzeit intensiv auf die Nachhaltigkeit der Mieten geprüft und bei den Kaufpreisen entsprechend angepasst.

Einzelhandelsimmobilien mit Volumen von gut 10 Mrd. Euro

Dennoch lag das erzielte Transaktionsvolumen auch 2020 wieder leicht oberhalb von 10 Mrd. EUR. Zu berücksichtigen ist zudem, dass Portfolio-Transaktionen wie beispielsweise der Hudson Bay-Deal der Signa, die Patrizia mit zwei Supermarkt-Paketen maßgebliche Beiträge zu diesem Ergebnis geleistet haben. In hohem Maße profitierte das gesamte Handelsimmobilien-Segment von der guten Marktbewertung von Fachmarktzentren. Dagegen blieb das Geschäft mit Shopping-Centern trotz einiger Transaktionen (Königsbau Passagen Stuttgart, Rathaus Galerie Essen, Seidnitz Center Dresden, Allee-Center Berlin) deutlich hinter den Ergebnissen der Vorjahre zurück. Das Transaktionsgeschäft im Bereich der Geschäftshäuser konzentrierte sich vor allen Dingen auf Core-Produkte in absoluten Toplagen von Topstädten sowie Core+ und Value Add-Produkte bzw. Projektentwicklungen mit Potenzial in anderen Städten.

Kaufpreisfaktoren sinken

Insgesamt, beurteilt Petersen, stelle sich der Investment-Markt für Handelsimmobilien zunehmend herausfordernd dar. Im vierten Quartal 2019 wurde in keiner der von COMFORT betrachteten 132 Städte ein Ansteigen der Kaufpreisfaktoren gegenüber dem Vorjahr registriert. Für gut die Hälfte der Städte wird von einem praktisch gleichbleibenden Kaufpreisfaktor (zwischen einem Anstieg von kleiner einem Faktor bzw. einem Rückgang von unter einem Kaufpreisfaktor) berichtet. Für 59 Städte (ca. 45 %) jeder Größe ergab sich ein Rückgang des Kaufpreisfaktors von mindestens einem Faktor gegenüber dem Vorjahr (u.a. für Stuttgart, Hannover, Mannheim, Aachen, Darmstadt). Diese Entwicklungen gehen laut Petersen auf niedrigere Mieterwartungen für die Zukunft gegenüber den IST-Mieten zurück. Sie seien weniger Ausdruck einer generell geringeren Wertschätzung der Top-Innenstadtlage. Diese bleibe auch perspektivisch einzigartig und besonders werthaltig.

Hinsichtlich des Rankings der Städte nach Kaufpreisniveau für Geschäftshäuser ergibt sich derzeit folgendes Bild: Oberhalb des 30-fachen (teilweise deutlich darüber) bewegen sich die sechs Topstädte München, Hamburg, Düsseldorf, Berlin, Frankfurt Main und Köln. 33 Städte (Vorjahr 40 Städte) rangieren zwischen den 20- und unterhalb des 30-fachen.

Anfangsrenditen beleuchten Risiko

Bei der Renditenentwicklung ist seit Ende 2018 eine zunehmende Ausdifferenzierung nach den Assetklassen festzustellen. In der Gesamtbetrachtung markieren 1A-Einzelhandelsimmobilien weiterhin das untere Ende der Renditen bei den Handelsimmobilien insgesamt. Die ist traditionell Ausdruck der damit verbunden hohen Sicherheit für Investoren. Für Shopping-Center haben die Renditen dagegen in den letzten Quartalen signifikant angezogen, was auf ein höheres Risiko durch tendenziell steigenden Repositionierungsdruck zurückzuführen ist.



Für Fachmarktzentren hat sich demgegenüber der Trend zur Renditekompression weiter fortgesetzt – sofern maßgebliche und moderne Lebensmittel-Anker vorhanden sind. Die Renditen bewegen sich dann für marktgerechte Produkte in etwa auf dem Niveau von Shopping-Centern an A-Standorten. Einzelne Fachmärkte / Supermärkte werden stabil leicht oberhalb von 5 % bewertet.






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