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13.12.2019 Erste EZB-Sitzung unter Lagarde: Wird die Notenbank jetzt politischer?

Schon vor ihrer ersten geldpolitischen Sitzung als EZB-Präsidentin sorgte Christine Lagarde für Schlagzeilen. Viele Beobachter erwarteten von der Französin weitestgehend eine Fortführung der lockeren Geldpolitik Mario Draghis. Doch: Die neue EZB-Chefin setzt auch eigene Akzente und positioniert sich bereits in ihren ersten öffentlichen Auftritten deutlich politischer als ihr Vorgänger. Die lockere Geldpolitik wird sie zwar vorerst fortführen, gleichzeitig kündigte sie allerdings eine Überprüfung der geldpolitischen Instrumente und Ziele an. Darunter dürfte auch das Kernziel der EZB fallen, eine Inflation von knapp unter zwei Prozent zu erreichen.

Christine Lagarde rückt neben den klassischen geldpolitischen Themen zudem weitere Punkte wie politische Reformen der Euro-Staaten oder die Außenkommunikation der EZB in den Fokus der Notenbank. Die EZB müsse den Bürgern besser erklären, warum sie tut, was sie tut. Und: Die Französin will auch den Klimaschutz auf die EZB-Agenda setzen. „Es wird gerade diskutiert, ob die EZB künftig nur noch in grüne oder nachhaltige Anleihen investiert. Bundesbank-Chef Jens Weidmann hat sich dazu bereits positioniert und geht nicht davon aus, dass die Berücksichtigung der Klimaschutzaspekte mit dem EZB-Mandat vereinbar ist“, erklärt Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender von Dr. Klein.

Klimaschutz und der Finanzmarkt: Sollte die EZB sich einmischen?

Klar ist: Auf den Finanzmärkten spielen Umwelt- und Klimaverträglichkeit oder soziale Standards noch eine untergeordnete Rolle. Wer in klassische Fonds investiert, kann damit zwar eine gute Rendite erzielen, finanziert unter Umständen aber auch Waffen, die Ausbeutung von Bodenschätzen, Kohlekraftwerke oder Kinderarbeit mit. Emissionen und langfristig schädliche Umweltauswirkungen werden bisher nicht in die kurzfristige Rendite eingepreist.

Da wäre es doch sinnvoll, wenn die EZB mit gutem Beispiel voranginge und künftig nur noch grüne Anleihen aufkauft, könnte man also meinen. Doch: Kritiker bezweifeln zurecht, ob die EZB der richtige Treiber für derartige Maßnahmen ist. „Die EZB ist schließlich kein klassischer Investor, sondern vor allem der Preisstabilität und der politischen Neutralität verpflichtet. Mit den Anleihekäufen dürfen keine Marktverzerrungen ausgelöst werden“, so Michael Neumann. Bundesbank-Chef Weidmann führt in seiner Argumentation zudem ein weiteres zentrales Problem an: Was passiert, wenn das Inflationsziel erreicht ist und die Anleihekäufe beendet werden? Die EZB müsste die erworbenen Anleihen – auch die nachhaltigen – dann sukzessive verkaufen. Klima- und umweltbewusstes Wirtschaften könnte durch die EZB daher in jedem Fall nicht dauerhaft gefördert werden, im schlimmsten Fall würde sie den nachhaltigen Projekten und Unternehmen mit dem Verkauf der Anleihen sogar schaden.

Strafzinsen für Sparer: Werden Negativzinsen auf Spareinlagen bald zur Norm?
In den letzten Wochen häufen sich Meldungen über Strafzinsen für Sparer. Eine Untersuchung von biallo.de ergab, dass bereits 59 Banken Strafzinsen von Privatkunden verlangen, die Volksbank Fürstenfeldbruck sogar ab dem ersten Euro. Die Comdirect verlangt nun als erste Online-Bank Negativzinsen. Laut Michael Neumann werden diesem Trend weitere Banken folgen: „Negativzinsen für Spareinlagen dürften sukzessive zur Norm werden. Einige nennen das Kind zwar nicht beim Namen und verlangen ‚Verwahrentgelte‘ oder andere Gebühren. Das ist für mich eine Scheindiskussion. Selbst wenn ich weder Strafzinsen noch Gebühren zahlen muss, faktisch ist die Realverzinsung auf Tages- und Festgeldkonten seit Jahren negativ. Das Geld auf diesen Konten wird also schon längere Zeit entwertet – auch ohne Negativzinsen.“

Bauzinsen gehen leicht nach oben

Trotz der geldpolitischen Maßnahmen, die die EZB im Herbst beschlossen hatte, um der Wirtschaft noch einmal Schub zu geben, treten Konjunktur und Inflation im Euroraum weiter auf der Stelle. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe pendelt weiterhin um die -0,3 Prozent, eine dauerhafte Aufwärtsbewegung ist nicht abzusehen. Der Bestzins für zehnjährige Hypothekendarlehen verharrte lange Zeit bei 0,46 Prozent und bewegt sich im Dezember marginal nach oben – auf 0,61 Prozent. Der Anfang einer Trendwende dürfte das allerdings nicht sein. „Solange im Handelsstreit keine positive Lösung in Sicht ist und auch der ungeklärte Brexit für Unsicherheit sorgt, gibt es nur begrenztes Aufwärtspotential. Sollte Trump aus wahltaktischen Gründen im Laufe des kommenden Jahres eine Einigung herbeiführen, hätte das sicher positive Auswirkungen auf die Konjunktur und könnte zu einem spürbaren Zinsanstieg führen. Ich erwarte für 2020 allerdings eine vergleichbare Zinsspanne wie 2019“, so die Prognose Neumanns.

Tendenz

Kurzfristig: eingeschränktes Aufwärtspotenzial
Mittelfristig: schwankend seitwärts







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