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20.06.2019 Späte Lebenszeichen am deutschen IPO-Markt

Nach einer kompletten Flaute in den ersten vier Monaten des Jahres wagte sich im Mai ein Unternehmen aufs Frankfurter Börsenparkett: Der österreichische Technologieanbieter Frequentis AG entschied sich für ein Dual Listing an den Börsen in Frankfurt und Wien und spielte so rund 50 Millionen Euro ein. Damit ist Frequentis bislang der erste und einzige erfolgreiche Börsengang in Deutschland in diesem Jahr.

Das bisherige IPO-Volumen würde das schwächste erste IPO-Halbjahr seit 2012 markieren. Auch bei erfolgreichen IPOs der Traton SE, der LKW-Sparte von Volkwagen, und der Global Fashion Group S.A. bliebe das Rekordjahr 2018 in weiter Ferne. Hier gingen im ersten Halbjahr immerhin 13 Unternehmen an die Frankfurter Börse, das Volumen lag bei 6,5 Milliarden Euro.

Zu diesen Ergebnissen kommt die Analyse „Emissionsmarkt Deutschland“, für die das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen PwC vierteljährlich die Aktienneuemissionen sowie Kapitalerhöhungen in Deutschland erfasst.

Gesamtwirtschaftliches Umfeld belastet Kapitalmarkt

Nadja Picard, Capital Markets Leader für PwC Europe, erläutert die Gründe für das schwache erste Halbjahr: „Das schwierige gesamtwirtschaftliche Umfeld belastet den Kapitalmarkt. Das globale Wachstum schwächt sich weiter ab, und die Geschäftserwartungen deutscher Unternehmen sind auf den niedrigsten Stand seit Ende 2012 gefallen. Insbesondere der noch immer ungelöste Handelskonflikt zwischen den USA und China drückt auf die Stimmung. Zudem verunsichert der nun für Ende Oktober anvisierte Brexit die Investoren“.

Nach einem sehr schwachen Börsenmonat Mai setzte sich die Aufwärtsbewegung an den Märkten im zweiten Quartal 2019 zuletzt fort. Carsten Stäcker, Leiter Equity Advisory bei PwC, stellt dazu fest: „Das Umfeld ist nicht so schlecht, wie der deutliche Rückgang deutscher IPOs vermuten lässt. Allein im April gab es an anderen europäischen Börsen mit Network International in UK, Stadler Rail in der Schweiz und Nexi in Italien drei erfolgreiche IPOs mit einem Volumen von jeweils mehr als einer Milliarde Euro. Das Interesse an europäischen Aktien ist also durchaus vorhanden – trotz anhaltender Mittelabflüsse aus Aktienanlagen. Allerdings zeigen sich Investoren aktuell äußerst wählerisch in Bezug auf die spezifische Equity Story und fordern überdies deutliche Bewertungsabschläge“.

Volumen der Kapitalerhöhungen steigt

Mit Blick auf Kapitalerhöhungen fiel das zweite Quartal sogar durchaus passabel aus: 13 Unternehmen entschieden sich zwischen April und Juni 2019 für eine Kapitalerhöhung (Q1: 16 Transaktionen). Das Volumen lag bei knapp 1,4 Milliarden Euro und damit deutlich höher als im Auftaktquartal 2019 (718 Millionen Euro), kam aber nicht annähernd an das Niveau des sehr starken zweiten Quartals im Jahr 2018 heran. Damals erreichte das Volumen der Kapitalerhöhungen 10,4 Milliarden Euro – dank großer Transaktionen von Bayer.

Wie bereits in einigen zurückliegenden Quartalen dominiert der Immobiliensektor auch im aktuellen Dreimonatszeitraum die Kapitalerhöhungen. Das Wohnungsunternehmen Vonovia erhöhte sein Kapital um 744 Millionen Euro. Die Emission konnte im Laufe der Durchführung sogar erhöht werden. Die Aktien des Batterieunternehmens Varta konnten abschlagsfrei platziert werden.

„Diese Beispiele unterstreichen: Investoren sind durchaus bereit, neues Kapital zur Finanzierung von Akquisitionen oder einer Kapazitätsausweitung zur Verfügung zu stellen – allerdings nur selektiv“, kommentiert Nadja Picard.

Gemischtes Bild bei den Fremdkapitalemissionen

Bei den Fremdkapitalemissionen zeigt sich im zweiten Quartal ein gemischtes Bild. Mit einem Emissionsvolumen von 8,9 Milliarden Euro blieb der Markt für Investment-Grade-Anleihen weit hinter dem Vorquartal zurück (minus 67 Prozent im Vergleich zu Q1 2019). Mit Blick auf High-Yield-Anleihen verlief das zweite Quartal 2019 dagegen erfreulich stark. Das Emissionsvolumen erreichte 3,5 Milliarden Euro und damit den höchsten Wert seit dem vierten Quartal 2017.

Ausblick: Hoffnungen ruhen auf 2020

„Ich bin vorsichtig optimistisch, dass wir den Tiefpunkt im ersten Quartal 2019 erreicht haben und sich der erkennbare Aufwärtstrend der vergangenen Monate im Verlauf des Jahres fortsetzen wird“, so die Einschätzung von Nadja Picard.

Die Pipeline für den weiteren Jahresverlauf ist derzeit nicht allzu prall gefüllt, allerdings sind die Notierungen der Börsengänge des Online-Modehändlers Global Fashion Group sowie von Traton noch vor Ende Juni geplant. Ebenfalls noch in diesem Jahr könnte das Software-Unternehmen Teamviewer an den Markt kommen – und ein Emissionsvolumen in Milliardenhöhe erreichen.

„In einer spätzyklischen Konjunkturphase mit einem typischerweise volatilen Marktumfeld bleiben eine sorgfältige Vorbereitung der Transaktion und insbesondere ein frühzeitiger und intensiver Dialog mit potentiellen Kerninvestoren entscheidende Schlüsselfaktoren des IPO-Erfolgs“, beschreibt Carsten Stäcker die besonderen Herausforderungen. „Für das kommende Jahr sind unter anderem einige große Konzernabspaltungen angekündigt, etwa beim Automobilzulieferer Continental und bei Siemens, die eine Bereicherung des deutschen Kapitalmarkts wären und auch den IPO-Markt wiederbeleben könnten“, fährt Stäcker fort.

„2019 wird sicher kein Rekordjahr mehr. Die Hoffnungen ruhen eher auf 2020. Bis dahin ist der Brexit hoffentlich geklärt und der Handelskonflikt zwischen den USA und China gelöst. Wichtig bleiben darüber hinaus Signale und Maßnahmen der Notenbanken, die Unternehmensinvestitionen fördern und Investoren das Vertrauen in eine positive Trendwende der globalen Wirtschaftsentwicklung geben“, so das Fazit von Nadja Picard.






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