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13.02.2019 Berliner Wohnungsmarkt: Die Karawane zieht ins Umland

Die wohnungspolitische Debatte in Berlin verschärft sich, während der Neubau weiterhin nicht den Bedarf nach Wohnraum decken kann. Eine Folge ist ein Ausweichen auf den Speckgürtel der Spreemetropole. So wächst die Bevölkerung in Potsdam und Teltow mit einem Plus von 12 bzw. 14 Prozent seit 2010 prozentual stärker als in Berlin (+ 9,6 Prozent). Auch Bernau, Falkensee, Blankenfelde-Mahlow und Nauen verzeichnen zwischen 7,6 und 6 Prozent Bevölkerungszuwachs. Die Bestandsmieten in Falkensee und Teltow liegen infolgedessen ebenso wie in Potsdam bereits über 9 Euro je Quadratmeter. Trotz des Zustroms ins Berliner Umland entspannt sich die Lage in Berlin dadurch nicht. Die Bevölkerungszahlen steigen unvermindert an. Absoluter Spitzenreiter ist Berlin Pankow. Dem Bezirk wird bis 2030 ein Wachstum von 16 Prozent prognostiziert. Deutlich über dem Berliner Durchschnitt von 7,5 Prozent liegen auch Treptow-Köpenick und Lichtenberg mit einem erwarteten Bevölkerungszuwachs von 9,8 Prozent, Reinickendorf mit 9,4 Prozent und Marzahn-Hellersdorf mit 9,1 Prozent.

Seit 2013 sind die Angebotsmieten in Berlin um rund 44 Prozent auf durchschnittlich 12,10 Euro pro Quadratmeter gestiegen. Prozentual die höchsten Mietsteigerungen von 50 Prozent und mehr seit 2013 verzeichneten unter anderem Wedding (+71 Prozent), Tiergarten (+68 Prozent), Neukölln (+ 58 Prozent), Hellersdorf (+ 58 Prozent), Reinickendorf (+ 52 Prozent), Marzahn (+ 51 Prozent) und Tempelhof (+ 50 Prozent). Die Kaufpreise liegen im Schnitt bei rund 4.113 Euro je Quadratmeter und sind damit seit 2013 um 71 Prozent gestiegen.

Karsten Jungk, Geschäftsführer Wüest Partner Deutschland, kommentiert: „Nachdem in den vergangenen Jahren die innerstädtischen Lagen Berlins regen Zuzug erfahren haben, wachsen nun vor allem die Randlagen. Insbesondere in den nordöstlichen Bezirken Berlins wird die Einwohnerzahl in den kommenden zehn Jahren überdurchschnittlich steigen. Wohnungen außerhalb des S-Bahn-Rings mit einer guten Verkehrsanbindung sind daher stark gefragt. Von dieser Entwicklung profitiert auch der Berliner Speckgürtel.“

Doch die Ausweichbewegung in das Umland erzeugt wieder neue Probleme. Carsten Sellschopf, COO der Instone Real Estate, kommentiert: “Der Speckgürtel ist nur eine Lösung, wenn Infrastruktur und ÖPNV dafür auch ausgelegt sind. Stattdessen sollten wir nicht vergessen, dass das Konzept des Berliner Siedlungssterns klug konzipiert ist. Die aktuelle politische Debatte in Berlin produziert allerdings Verunsicherung, wirkt spaltend und lenkt den Fokus auf die falschen Themen. Die Enteignungsdebatte ist nicht nur gefährlich und erinnert an DDR-Zeiten, sie liefert vor allem keinerlei konstruktive Beiträge zur Schaffung von neuem Wohnraum, den Berlin schnell benötigt.“

Dr. Jürgen Leibfried, Vorstand der Bauwert Aktiengesellschaft, erläutert dazu: „Ich halte das Vorhaben einer möglichen Enteignung sowie den Vorschlag eines ‚Berliner Mietendeckel‘ eher für populistisch zugespitzte Themensetzung als ernst gemeinte politische Forderungen. Das Problem ist vielmehr der zu geringe Neubau, der politisch strukturell verursacht ist: Obgleich Bauen in Berlin Chefsache ist, ist die Verantwortung für die Genehmigung von Wohnungsbauvorhaben an die untere politische Ebene delegiert. Die gesamtstädtische Verantwortung für den Wohnungsbau wird aktuell nur in Ausnahmefällen wahrgenommen. Die einzelnen Bezirke haben zu viel Macht. Und die Bezirke haben nicht die erforderlichen Kapazitäten und tendieren dazu, die Interessen der Anwohner über das gesamtstädtische Interesse an neuen Wohnungen zu stellen. Die Verlierer sind dabei die Wohnungssuchenden – insbesondere diejenigen, die Wohnungen zu Mieten zwischen 10 und 12 Euro pro Quadratmeter nachfragen.“

Unabhängig von der politischen Diskussion gibt es bereits neue Ansätze in der Praxis, um Wohnraum zu schaffen. Eine innovative Form der Nachverdichtung ist die Überbauung von alleinstehenden Nahversorgern. In Berlin kommen 330 solcher sogenannten Flachmänner für eine Überbauung in Frage. Das entspricht einem Potenzial von 20.000 bis 30.000 Wohneinheiten. Damit könnten bis zu 15 Prozent des benötigten Neubaubedarfs von 194.000 Wohnungen bis 2030 in Berlin abgedeckt werden. Pepijn Morshuis, CEO der Trei Real Estate, kommentiert: „Grundsätzlich kommen alle Flachmänner in den zentralen Lagen für eine Überbauung in Frage. Insbesondere solche, die aufgrund ihrer alten Bausubstanz sowieso saniert werden oder komplett neu gebaut werden müssen. So ist es zum Beispiel bei unserem Projekt in der Pappelallee in Prenzlauer Berg. Dort reißen wir unsere eingeschossige Einzelhandelsimmobilie komplett ab und bauen nun mehrgeschossig mit insgesamt 240 Wohnungen über der Handelsfläche im Erdgeschoss.“









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