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11.02.2019 Retail-Investments: Einzelhandelsmärkte driften weiter auseinander

Die europäischen Einzelhandelsmärkte präsentieren sich zum Jahresstart mehrheitlich in guter Verfassung. Retail-Investoren in Europa müssen sich jedoch auf ein zunehmendes Gefälle zwischen robusten und auf längere Sicht stark risikobehafteten Einzelhandelsmärkten einstellen. Wie der Global Retail Attractiveness Index (GRAI) von Union Investment ausweist, beträgt der Abstand zwischen dem aktuellen Top-Performer Portugal und dem derzeit schwächsten Markt in Europa, Belgien, 25 Punkte. Das ist die größte Differenz, die für den Index in den letzten zwölf Monaten ermittelt wurde. „Die anhaltend gute Konjunktur in Europa, die sowohl dem Onlinehandel als auch dem stationären Einzelhandel in fast allen Ländern steigende Umsätze beschert, bremst den Trend noch ab. Eine nachhaltige Eintrübung des Verbraucherklimas dürfte den Trend des Auseinanderdriftens jedoch weiter verstärken“, sagt Henrike Waldburg, Leiterin Investment Management Retail bei Union Investment.

Zu den Top-Performern auch im globalen Kontext zählt unverändert der deutsche Einzelhandelsmarkt. Seine stabile Position in der Spitzengruppe beruht insbesondere auf konstant guten Zuwächsen bei den Einzelhandelsumsätzen. Als einziges Land der im EU-12-Index des GRAI abgebildeten Länder weist Deutschland zudem im Vergleich zum vierten Quartal 2017 einen leichten Anstieg der Verbraucherstimmung auf (+ 2 Punkte). In allen anderen untersuchten Regionen Europas kühlt die Zuversicht der Konsumenten in Bezug auf die Binnenkonjunktur mehr oder weniger deutlich ab. „Die gute Arbeitsmarktlage und optimistische Einkommenserwartung verleihen den deutschen Einzelhandelsmärkten eine besondere Robustheit, von der sich in wachsendem Maße auch ausländische Investoren gut prognostizierbare Cashflows versprechen“, so Henrike Waldburg.

Verlässliche Stützen für den EU-12-Index, der sich mit 110 Punkten weiterhin auf überdurchschnittlichen Niveau präsentiert, sind neben Deutschland (115 Punkte) erneut die beiden osteuropäischen Länder Polen (118 Punkte) und Tschechien (117 Punkte). Neben Tschechien weist auch Portugal mit einem Plus von zwei Punkten eine positive Entwicklung gegenüber dem Vorjahr auf und belegt mit 121 Punkten erstmals die Spitzenposition im EU-12-Index. „Portugal hat seine schwere Finanz- und Wirtschaftskrise erfolgreich abgearbeitet und sich seinen Platz auf der Agenda von Retail-Investoren zurückerobert“, sagt Henrike Waldburg. Mit Spanien (114 Punkte) schafft ein weiteres südeuropäisches Land erstmals den Sprung unter die Top-Five. Hierfür sorgt eine besonders starke Umsatzentwicklung des spanischen Einzelhandels, die das optimistische Bild auf der Anbieterseite unterstreicht. Auf etwas schwächerem Niveau (111 Punkte) bewegt sich das ehemalige Sorgenkind Irland, das sich trotz deutlicher Verluste (minus 6 Punkte) auch im vierten Quartal besser als das „Mittelfeld“, bestehend aus Österreich, Italien und den Niederlanden, abschneidet.

Steigende Einzelhandelsumsätze als breiter Trend in Europa

Der aktuellen Dreiteilung des europäischen Einzelhandelsmarktes entsprechend, präsentieren sich die Stimmungsbilder auf der Verbraucher- und der Anbieterseite wie auch die Verbraucherpreisindices in den einzelnen Ländern sehr uneinheitlich. Ein fast durchgängiges Merkmal in Europa bilden hingegen steigende Einzelhandelsumsätze sowohl im stationären Handel als auch bei den Online-Anbietern. Der Teilindikator „Entwicklung des Einzelhandelsumsatzes“ legte gegenüber dem Vorquartal um insgesamt 15 Punkte zu und sorgte dafür, dass der EU-12-Index im Vergleich zur letzten Erhebung vor einem Jahr insgesamt nur geringfügig an Boden verlor (minus 2 Punkte).

Gegenüber dem Nordamerika-Index, der mit 113 Punkten sein bisheriges Niveau bestätigt, fällt der Europa-Index entsprechend leicht zurück. Etwas Boden gutmachen konnte der EU-12-Index gegenüber dem Asien-Pazifik-Index. Vor allem bedingt durch das starke Einknicken der Verbraucherstimmung in Südkorea gab der Asien-Pazifik-Index um vier Punkte nach und belegt nun mit 106 Punkten hinter Nordamerika und Europa den dritten Platz im globalen Ranking.

„International betrachtet gehören Kanada, die USA, Japan und Australien – und zwar in dieser Reihenfolge – zu den Einzelhandelsmärkten, denen wir für 2019 die besten Renditeperspektiven bescheinigen“, so Henrike Waldburg. „Aber auch hier müssen Investoren genau hinsehen: Die Einzelhandelslandschaft in einigen dieser bedeutenden Märkte durchlebt gravierendere Umbrüche als möglicherweise den europäischen Märkten bevorstehen. Nicht alle Trends werden sich auch hierzulande niederschlagen – die Transformation zwingt den stationären Handel jedoch überall zu mehr Kreativität. Es werden neue Geschäftsmodelle und Konzepte im stationären Einzelhandel entstehen, die sich zur Assetklasse entwickeln können. Die Ausdifferenzierung hat ihr Ende sicher noch nicht erreicht.“

Viel Licht – und viel Schatten in Belgien, Frankreich und UK

Spiegelbildlich zur robusten Entwicklung der europäischen Top-Fünf Märkte haben sich der Erhebung zufolge die strukturellen Defizite auf den hinteren Plätzen verschärft. „Während der Einzelhandel in Europa mehrheitlich vom globalen Aufschwung profitiert, lässt die Marktentwicklung in Belgien und Frankreich Anzeichen einer Krise erkennen. Der sich fortsetzende Negativtrend stellt hier besondere Anforderungen an das Risikomanagement von Retail-Investoren“, sagt Henrike Waldburg. Belgien bildet jetzt noch deutlicher das Schlusslicht unter den zwölf in die Betrachtung einbezogenen Einzelhandelsmärkten. Besonders auffällig: Mit 96 Zählern (minus 3 Punkte) liegt es als einziges europäisches Land unterhalb der 100-Punkte-Marke. International gesehen, erreicht unter den 17 analysierten Märkten nur Südkorea einen vergleichbar schwachen Wert.

Die stärksten Verluste unter den europäischen Ländern fährt in diesem Quartal Frankreich ein. Gegenüber dem Vorjahr gab der französische Einzelhandelsindex auffallend deutlich um 11 Punkte nach. Hierfür sorgen jeweils zweistellige Rückgänge bei den beiden Stimmungsindikatoren sowie beim Markindikator Inflation. Die Schere zwischen den größten europäischen Volkswirtschaft Deutschland und Frankreich geht damit weiter auseinander – von vorher sechs auf nunmehr 15 Punkte. Auffällig: Frankreich fällt mit 100 Punkten sogar noch hinter Großbritannien (104 Punkte) zurück. Der UK-Index konnte sich mit einem Plus von sechs Punkten etwas Luft verschaffen. „Eine Trendumkehr lässt sich hieraus nicht ableiten“, sagt Henrike Waldburg. „Ein ungeregelter EU-Austritt Ende März birgt enorme Sprengkraft und könnte die Krise im britischen Einzelhandel perpetuieren.“










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