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20.05.2020 Studie zur Grundsteuer: Bundesgesetz verstößt gegen die Verfassung

Das Gesetz zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts verletzt nach Ansicht von Prof. Gregor Kirchhof, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Finanzrecht und Steuerrecht und Direktor des Instituts für Wirtschafts- und Steuerrecht an der Universität Augsburg, das Grundgesetz. Die Verfassung fordert, den Belastungsgrund der Grundsteuer klar zu regeln, also festzulegen, warum eine bestimmte Steuer von wem entrichtet werden muss. Aus diesem Belastungsgrund ist die Abgabe sodann gleichheitsgerecht und folgerichtig zu bemessen. Der Belastungsgrund der Grundsteuer sei im Bundesmodell jedoch nicht in hinreichender Klarheit erkennbar.

Zudem sei das Bundesgesetz sehr kompliziert und streitanfällig. Es würde einen immensen Aufwand bei den Steuerpflichtigen, dem Fiskus und den Finanzgerichten bewirken. Zu diesen Ergebnissen kommt Kirchhof in seinem aktuellen Gutachten im Auftrag des Zentralen Immobilien Ausschuss ZIA, Spitzenverband der Immobilienwirtschaft. „Das Bundesgesetz nutzt für die steuerliche Bewertung von Grund und Boden sehr unterschiedliche Parameter, die nicht in ein folgerichtiges System gebracht werden“, so Kirchhof. „Es kommt zu erheblichen und inkonsistenten Belastungsunterschieden. Der Gleichheitssatz wird verletzt. Die Länder müssen daher eigene Grundsteuergesetze erlassen, soll die Grundsteuer als finanzielle Lebensader der Gemeinden nicht versiegen.“

Bodenwertmodell führt zu sozialen Verwerfungen

Bei dem unter anderem erwogenen reinen Bodenwertmodell würde die Grundsteuer nur nach dem Wert der Grundstücke bemessen. Gebäude würden von der Steuer nicht erfasst und müssten daher auch nicht bewertet werden. Für unbebaute und vergleichbare bebaute Grundstücke wäre die Grundsteuerlast folglich gleich hoch. So sollen Grundbesitzer zum Bau einer Immobilie bewegt werden. Diese Lenkungssteuer kann zu sozialen Verwerfungen führen. Insbesondere aber verletzt die Bodenwertsteuer den Gleichheitssatz, so das Gutachten. Die Ebene der steuerlichen Bewertung darf nach den klaren Worten des Bundesverfassungsgerichts nicht für eine steuerliche Lenkung genutzt werden.

Flächenmodell wahrt die Vorgaben des Grundgesetzes

Laut Gutachten wahrt das vom Freistaat Bayern favorisierte Flächenmodell die Vorgaben des Grundgesetzes in einem einfachen Bewertungssystem. Der Befolgungsaufwand wäre gering. Das Flächenmodell sollte aber – wie beispielsweise im niedersächsischen Flächen-Lage-Modell erwogen – um einen pauschalen Regionalwert ergänzt werden. Dieser Vorschlag nimmt den Einwand auf, das Flächenmodell erhebe für Hausgrundstücke derselben Größe dieselbe Grundsteuer, obwohl sich ihre Lage deutlich unterscheidet. Der pauschale Regionalwert schärft zudem das Äquivalenzprinzip und damit den Belastungsgrund der Grundsteuer.

„Die Länder sollten die Öffnungsklausel nutzen und vom Bundesmodell abweichen – nach der verfassungsrechtlichen Einschätzung müssen sie es sogar“, sagt Dr. Hans Volkert Volckens, Vorsitzender des ZIA-Ausschusses Steuerrecht. „In diesen Zeiten darf sich Deutschland keine Aufkommensexperimente leisten. Unsere Kommunen brauchen jetzt sichere Einnahmen und keine verfassungsrechtlich fragwürdigen Versuche. Würde man trotzdem am wertabhängigen Bundesmodell festhalten, würde dies im Ergebnis trotz komplexer Ermittlung nur zu einer Art ‚Schein-Verkehrswert‘ führen. Rund 36 Millionen Grundstücke müssten in regelmäßigen Abständen aufwendig neu bewertet werden. Eine Vorgabe, die schon dem aktuellen Grundsteuerrecht zum verfassungsrechtlichen Verhängnis wurde. Den Aufwand könnte bzw. muss sich die Finanzverwaltung sparen – dem Steuerpflichtigen wäre damit geholfen. Die Länder sollten eine einfache und unbürokratische Grundsteuer wie dem Flächenmodell – ggf. ergänzt um einen regionalen Lagefaktor – einführen. Der Vorteil: Ein wesentlich geringerer Verwaltungsaufwand und eine transparente Berechnung. Auch in diesem Falle wäre das politische Versprechen der Aufkommensneutralität einzuhalten.“

Auch der Bund der Steuerzahler Deutschland lehnt das Bundesmodell ab

„Aus Sicht der Steuerzahler lehnen wir das Bundesmodell ab“, betont der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, und verweist auf drei wichtige Ziele eines neuen Grundsteuermodells: „Erstens muss das Modell transparent sein, damit es die Steuerzahler leicht nachvollziehen können. Denn die komplexen Zuschläge und Abzinsungen aus dem Bundesmodell sind dem Bürger kaum zu vermitteln. Zweitens sollten die eingenommenen Steuergelder effizient eingesetzt werden! Deshalb darf auch kein Steuergeld für besonders aufwendige und nicht notwendige wertorientierte Grundsteuermodelle verschwendet werden – schließlich müssen Kosten und Nutzen der Grundsteuerhebung in einem sinnvollen Verhältnis stehen.“ Zudem hat Holznagel einen weiteren Grundsatz im Blick: „Wohnen muss bezahlbar bleiben. Deshalb plädiert der Bund der Steuerzahler für ein Einfachmodell – einfach, praktisch, unbürokratisch! Die Bundesländer müssen sich schnell für einfache Flächenmodelle entscheiden und mit der Umsetzung beginnen.“








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