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12.05.2020 WEG: Im Schweinsgalopp durch Bundesrat und Bundestag?

Am Freitag, 15.5.2020, verhandelt der Bundesrat über den Entwurf für ein neues Wohnungseigentumsgesetz (WEG) – nach der 1. Lesung im Deutschen Bundestag, die bereits am letzten Mittwoch, 06.50.2020, stattgefunden hat. Diese Vorgehensweise ist nach dem Grundgesetz nur für „ausnahmsweise besonders eilbedürftige Gesetze“ vorgesehen. Wohnen im Eigentum (WiE) dazu: Weder die Coronakrise noch die Förderung der E-Mobilität rechtfertigen dieses Vorgehen. Soll hier ein Gesetz, das eine radikale Umgestaltung des Wohnungseigentumsgesetzes mit hohen Risiken für die Eigentümer von 25 % aller Wohnungen in Deutschland vorsieht, unter Ausschluss der Öffentlichkeit – unbeachtet von den öffentlich-rechtlichen Medien – schnell durch den Bundestag geschoben werden? Die große Mehrheit der Wohnungseigentümer weiß noch gar nichts davon.

Die Beratung im Bundesrat erfolgt am Freitag, 15.05.2020, obwohl die 1. Lesung des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG-E) im Bundestag bereits am 06.05.2020 stattfand. Dies entspricht nicht den Vorgaben im Grundgesetz für normale Gesetzgebungsverfahren. Nach Artikel 76 Abs. 2 GG sind Regierungsentwürfe zunächst dem Bundesrat zuzuleiten, der sechs bis neun Wochen Zeit hat, dazu Stellung zu nehmen. Die Stellungnahme des Bundesrats wird dann wiederum an das Bundesministerium (zurück)geschickt, das dazu eine Gegenäußerung verfasst. Der Regierungsentwurf, die Stellungnahme des Bundesrats dazu sowie die Gegenäußerung des Ministeriums werden dann „als Paket“ an den Bundestag geschickt, damit die Bundestagsabgeordneten in den Ausschüssen dann das Für und Wider behandeln können. Nur dann, wenn ein Gesetzentwurf als „ausnahmsweise besonders eilbedürftig“ (Artikel 76 Abs. 2 Satz 4 GG) eingeschätzt wird, kann er ohne bzw. mit nachzureichender Stellungnahme des Bundesrats kurzfristig an den Bundestag weitergeleitet werden.

„Warum diese Eile?“, fragt Gabriele Heinrich, Vorstand des Verbraucherschutzvereins Wohnen im Eigentum (WiE). „Soll hier ein Gesetzentwurf mit gravierenden Änderungen und hohen Risiken für die Wohnungseigentümer im Schatten einer Pandemie schnell durch den Bundestag geschoben werden, damit die große Mehrheit der Wohnungseigentümer erst einmal nichts davon erfährt?“

Die Eile scheint Strategie zu sein – frei nach Winston Churchill: „Lass niemals eine gute Krise ungenutzt verstreichen.“ Der Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums (BMJV) wurde überraschend am 23.03.2020 als Regierungsentwurf verabschiedet und dem Bundestag zugeleitet. Im Deutschen Bundestag wurde die 1. Lesung erst auf den 07.05.2020 terminiert und dann (zwei Tage vorher) auf den 06.05.2020 vorverlegt. Die Sitzung des Rechtsausschusses des Bundesrats entfiel, die Voten für Änderungsanträge wurden nur im Umlaufverfahren, also ohne Diskussion, bis zum 29.04.2020 eingeholt. Am 15.05.2020 wird jetzt der Bundesrat darüber beraten. Es steht zu erwarten, dass der Gesetzentwurf auch hier – unter dem starken Einfluss von Bayern – nur durchgewunken wird.

Der Entwurf für ein neues Wohnungseigentumsgesetz ist kein Notgesetz zur Bewältigung der Coronakrise. Es handelt sich um einen Gesetzentwurf, der das derzeitige Wohnungseigentumsgesetz radikal verändern soll und hohe Risiken für die Wohnungseigentümer enthält. „Im Rahmen der parlamentarischen Beratungen muss er intensiv auf 'Herz und Nieren' geprüft werden", sagt Heinrich. „Dies ist die letzte 'Station', um zu verhindern, dass das Gesetz so stark die Interessen der Wirtschaft – der Verwalter, Bauträger/Aufteiler sowie der Dienstleister und Handwerker – begünstigt zu Lasten der Wohnungseigentümer.“ Die Stellung der Verwalter soll enorm gestärkt werden, gleichzeitig erhalten die Wohnungseigentümer ihm gegenüber zu wenig Kontroll- und Eingriffsmöglichkeiten, tragen aber die Verantwortung und große Haftungsrisiken.

Gemäß Plan soll das Gesetz am 19.06.2020 verabschiedet werden. Dass ein so wichtiges Gesetz in weniger als 4 Monaten durch die Instanzen „gejagt“ werden soll, ist äußerst ungewöhnlich und kommt nur sehr selten vor, manchmal vor einer Bundestagswahl. Heinrich befürchtet, dass die Bundestagsabgeordneten zu wenig Zeit haben werden, um sich in diese komplexe Rechtsmaterie angemessen einzuarbeiten, um sich intensiv mit dem Gesetzentwurf auseinanderzusetzen und um die Folgewirkungen für die Praxis in den Wohnungseigentümergemeinschaften abzuschätzen. „Ihnen stehen dafür 2,5 Sitzungswochen zur Verfügung, in denen sie sich auch noch mit vielen anderen Themen befassen müssen.“

Auch für die Interessensvertreter bleibt wenig Zeit. Die „Lobbyisten“ werden nicht in Gänze aufgefordert, schriftliche Stellungnahmen abzugeben – für eine Auswertung vieler schriftlicher Stellungnahmen bliebe nicht die Zeit, sondern es wird wohl nur ein kleiner Kreis für eine öffentliche Anhörung im Rechtsausschuss am 27.05.2020 eingeladen.

Bisher hat der Gesetzgeber es mit Reformen am Wohnungseigentumsgesetz nicht eilig gehabt. Seit der letzten Gesetzreform 2007 hat er sich trotz Reformbedarf 10 Jahre Zeit gelassen, davor 56 Jahre! Warum jetzt die Eile? Wer hat ein Interesse an der schnellen Verabschiedung dieses folgenschweren Gesetzentwurfs?








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