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17.09.2018 Bau-Lethargie: Nicht einmal 300.000 neue Wohnungen

In diesem Jahr wird nicht einmal die Marke von 300.000 Neubauwohnungen erreicht. Davon geht die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) aus. Relevante Branchenindikatoren – darunter Absatzzahlen der Baustoffindustrie – und die Zahl der Baugenehmigungen deuteten schon jetzt „auf ein deutlich zu schwaches Wohnungsbau-Jahr 2018 hin“, sagt der Bundesvorsitzende der IG BAU, Robert Feiger. Er spricht von „Bau-Lethargie“. Der Wohnungsbau trete auch weiterhin auf der Stelle – und das gut ein halbes Jahr nach dem Start der neuen Bundesregierung.

Zu Beginn der Woche, in der Bund, Länder, Kommunen und Verbände in Berlin zum „Wohn-Gipfel“ im Kanzleramt zusammenkommen, warnt IG BAU-Chef Feiger davor, den Wohnungsbau weiterhin „auf politischer Sparflamme zu kochen“. Ohne einen gravierenden Kurswechsel in der Wohnungsbaupolitik werde die Große Koalition an ihrem selbst gesteckten Ziel scheitern: 1,5 Millionen Neubauwohnungen sollen bis 2021 entstehen, so steht es im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD. Das bedeute, dass 375.000 neue Wohnungen gebaut werden müssten – pro Jahr. „Ihr erstes Regierungsjahr wird diese GroKo allerdings schon mit einem Defizit von 75.000 Wohnungen abschließen. Damit liegt die Messlatte ab 2019 dann bei jährlich 400.000 Neubauwohnungen pro Jahr“, so Feiger.

Um das zu schaffen, müsse der Staat allerdings wesentlich mehr Geld in die Hand nehmen und endlich verlässliche Rahmenbedingungen für die Bauwirtschaft schaffen. „Der Wohnungsbau ist kein ‚Saisonmotor‘, den man beliebig an- und ausschalten kann. Produktionskapazitäten müssen aufgebaut und dabei auch Fachkräfte ausgebildet werden“, macht IG BAU-Chef Feiger deutlich. Zeitlich begrenzte Maßnahmen wie die steuerliche Sonderabschreibung, die bis Ende 2021 laufen soll, und das Baukindergeld würden keine Perspektive geben. Es sei daher dringend notwendig, eine erforderliche Anpassung der AfA von 2 auf 3 Prozent zu machen – und zwar auf Jahre angelegt.

Feiger kündigt darüber hinaus an, am Freitag auf dem „Wohn-Gipfel“ im Kanzleramt eine massive Erhöhung der Gelder für den sozialen Wohnungsbau zu fordern. „Um pro Jahr 80.000 Sozialwohnungen, die mindestens gebraucht werden, zu schaffen, müssen Bund und Länder zusammen über 6 Milliarden Euro investieren“, sagt Robert Feiger.

Der IG BAU-Bundesvorsitzende beruft sich dabei auf Berechnungen des Pestel-Instituts (Hannover), nach denen im Bundesdurchschnitt für eine Sozialmietwohnung eine staatliche Förderung von rund 80.000 Euro erforderlich ist. „Mit der bisherigen Fördersumme von 1,5 Milliarden Euro pro Jahr vom Bund ist der enorme Schwund an Sozialmietwohnungen nicht aufzuhalten. Bei 4,5 Millionen Sozialwohnungen, die aktuell fehlen, ist das – auch wenn die Länder mitfinanzieren – nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, so Feiger. Immerhin würden rund 60.000 Sozialwohnungen pro Jahr aus der Bindung fallen – und damit mehr als doppelt so viele wie im vergangenen Jahr neu entstanden seien (26.200 Sozialwohnungen).

Das bezahlbare Wohnen bezeichnet Feiger als „große GroKo-Baustelle für Durchschnittsverdiener in den Metropolregionen“. Der Gewerkschafter warnt: „Wer zu viel verdient, um einen Wohnberechtigungsschein zu bekommen, aber zu wenig, um sich eine Wohnung in der Nähe seines Arbeitsplatzes zu leisten, gehört klar zu den Opfern der Wohnungskrise. Hier braut sich gesellschaftlich etwas zusammen – hier steckt enormer sozialer Sprengstoff drin.“ Der bezahlbare Wohnraum müsse deshalb gesondert gefördert werden – und zwar mit rund 50.000 Euro pro Wohnung nach Berechnungen des Pestel-Instituts. Im bezahlbaren Segment müssen, so die IG BAU, für Haushalte oberhalb der Einkommensgrenze für den Wohnberechtigungsschein mindestens 60.000 bezahlbare Wohnungen neu gebaut werden. Hierfür seien weitere rund 3 Milliarden Euro an staatlicher Förderung erforderlich.

Darüber hinaus spricht sich Robert Feiger dafür aus, die Anschaffung von Wohneigentum für untere und mittlere Einkommen staatlich zu fördern. „Damit kann der Staat Menschen beim Eintritt in die Rente davor bewahren, ihren Lebensstandard dramatisch absenken zu müssen oder sogar in die Grundsicherung im Alter abzurutschen“, sagt Feiger. Durch die Förderung von Wohneigentum könne der Staat damit langfristig auch Sozialleistungen sparen – nämlich Wohngeld und Kosten der Unterkunft.

Neben einer wesentlich einfacheren und bundesweit einheitlichen Bauordnung müssten sich Bund, Länder und Kommunen auch auf eine Bauland-Offensive zur Bereitstellung von Baugrundstücken verständigen. Öffentliches Bauland dürfe nicht länger nur zum Höchstpreis verkauft werden, was die Mieten zusätzlich nach oben treibe. Stattdessen solle bei der Baulandvergabe das Konzept deutlich stärker berücksichtigt werden. Auch der Baulandspekulation müsse ein Riegel vorgeschoben werden.

Feiger warnte davor, den „Wohn-Gipfel“ zu einer „reinen Show-Veranstaltung“ werden zu lassen. „Der Wohnungsbau braucht eine neue politische Tatkraft. Bund, Länder und Kommunen müssen jetzt entschlossen an einem Strang ziehen. Sonst wachsen die Not und die Unzufriedenheit der Menschen, die eine bezahlbare Wohnung suchen, weiter“, macht IG BAU-Chef Feiger im Vorfeld des Gipfels klar. Er begrüßte in diesem Zusammenhang Pläne, das Mietrecht zu verschärfen. Dies allein baue aber keine neuen Wohnungen.








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