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22.06.2017 Es gibt keine 08/15-Wohnungsbau-Formel für alle Regionen

Bau- und Immobilienbranche widersprechen aktueller „Zuviel-Bau-These von Wohnungen“ auf dem Land: Die in dieser Woche vorgestellte Immobilien-Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln ist in Fachkreisen auf Kritik und Unverständnis gestoßen. „Sie bestätigt zwar den enormen Nachholbedarf beim Wohnungsbau in Großstädten und Ballungsregionen, kommt in Sachen Wohnungsbau auf dem Land allerdings zu falschen Erkenntnissen. Dies hat in ersten Reaktionen aus der deutschen Bau- und Immobilienwirtschaft bereits zu Irritationen geführt“, so Dr. Ronald Rast. Als Koordinator der Aktion „Impulse für den Wohnungsbau“, in der sich 30 Organisationen und Verbände der Architekten und Planer, der Bau- und Immobilienwirtschaft zusammengeschlossen haben, hat Rast erste Stimmen der Branche auf die IW-Studie gesammelt. Er spricht von einem „irritierenden Studientenor“: „An den vom IW vorgelegten Zahlen gibt es Zweifel“. Die Studiendarstellung decke sich auch nicht mit Erkenntnissen anderer namhafter Institute.

Als Beispiel führte Rast den in der IW-Studie exemplarisch genannten niedersächsischen Landkreis Emsland an. Das IW kam zu dem Schluss, es seien in der Zeit von 2011 bis 2015 im Emsland rund 1.060 Wohnungen mehr gebaut worden, als auf der Basis der zu erwartenden Bevölkerungsentwicklung und bestehender Leerstände nötig gewesen wäre (1.000 Wohnungen Bedarf, 2.058 Wohnungen gebaut). Dies sei so nicht nachvollziehbar, sagt jetzt das Pestel-Institut aus Hannover, das eine Schnellanalyse der bundesweit verbreiteten IW-Botschaft gemacht hat.

Das Emsland zeigt, so das Pestel-Institut, eine positive Entwicklung – sowohl bei der Einwohnerzahl als auch bei der Beschäftigung. In dem vom IW betrachteten Zeitraum von 2011 bis 2015 habe die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die im Kreis Emsland arbeiten, um 15.755 Menschen zugenommen – ein Plus von 14,4 Prozent auf knapp 125.000 Beschäftigte. „Vom Juni 2015 bis Juni 2016 erhöhte sich die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Kreis Emsland dann noch einmal um weitere knapp 3.000 Personen – ein Plus von 2,4 Prozent. Das starke Beschäftigungswachstum lockt Menschen ins Emsland. Viele ziehen dorthin, wo der Arbeitsplatz ist – kurze Wege zum Job sind oft reizvoller als das Pendeln“, sagt Matthias Günther vom Pestel-Institut.

Es sei nicht gut, mit der Bezeichnung „ländlicher Raum“ zu suggerieren, es würde „quasi automatisch Einbahn-Pendlerströme geben: vom Land raus – rein in die Zentren“. Genau dieses „stereotype Muster“ lasse sich auf das Emsland – wie auch auf etliche andere ländliche Regionen – nicht übertragen: „Hier gibt es einen Einpendler-Überschuss – also mehr Menschen, die zur Arbeit ins Emsland fahren als umgekehrt. Und das schon seit 2007“, so Günther.

Die Botschaft, die das IW mit seinem Beispiel-Kreis Emsland zu setzen versuche, sei „so nicht zu verallgemeinern“, so Ronald Rast. Und weiter: „Wer auf dem Land bauen will, hat seine Gründe dafür. Er will dort wohnen und schafft sich mit dem Bau eines Ein- oder Zweifamilienhaus auch eine attraktive Altersvorsorge. Und im Übrigen sind Neubauten in der Regel solide finanziert. Es wird also nicht ins Blaue hinein gebaut.“

So hätten sich in der Zeit von 2011 und 2015 über 7.850 Menschen zusätzlich für einen Erstwohnsitz im Emsland entschieden. Die Zahl der privaten Haushalte sei in dieser Zeit um knapp 8.100 gestiegen – ein Plus von 6,8 Prozent. Der Wohnungsbestand sei – dazu passend – um knapp 8.150 Wohneinheiten gewachsen – ein Plus von 6,4 Prozent. Und das in dem für die Region typischen Ein- und Zweifamilienhausbereich.

Das IW geht nach eigenen Angaben von einem Leerstand von 5 Prozent im Emsland aus. Würde dies zutreffen, dann hätte sich der Leerstand, so das Pestel-Institut, seit dem Zensus 2011 (2.292 Wohnungen) um sage und schreibe 4.559 Wohnungen auf 6.751 leerstehende Wohnungen im Kreis Emsland erhöht. „Das ist aber weit weg von der Wirklichkeit auf dem emsländischen Wohnungsmarkt“, sagt Pestel-Institutsleiter Günther. Beim Zensus 2011 habe es dort einen Leerstand von lediglich 1,75 Prozent gegeben – vergleichbar dem der Hansestadt Hamburg. Nach Berechnungen des Pestel-Instituts liegt der Leerstand im Kreis Emsland auch aktuell unter 2 Prozent.

Zweifel an den IW-Studienergebnissen habe sich bei der Analyse auch an anderen Stellen ergeben. So werde für Duisburg ein zusätzlicher Wohnraumbedarf ermittelt. Hier sind laut Studie in den vergangenen Jahren nur 49 Prozent der eigentlich benötigten Wohnungen gebaut worden. „Duisburg hatte im Jahr 2015 unbestritten einen erheblichen Zuwanderungsschub zu verzeichnen. Allerdings ermittelte der Zensus für den Standort 2011 auch einen enormen Leerstand von 13.942 Wohnungen – und damit eine Leerstandsquote von 5,4 Prozent“, erläutert Matthias Günther vom Pestel-Institut. Anstatt der Großstadt Duisburg eine kräftige Neubau-Empfehlung zu geben, wäre es eher angebracht, dort den Leerstand von rechnerisch rund 3,8 Prozent Ende 2015 weiter abzubauen und die zusätzlichen Haushalte mit sanierten und modernisierten Leerstandswohnungen zu versorgen“, rät Günther.

Die Wohnungsmärkte seien vielschichtig. „Hier gibt es kein 08/15-Muster. Dem Land einseitig Wohnungsbau in Großstädten zu verordnen und in ländlichen Regionen vom Wohnungsbau abzuraten, wird einer soliden Bedarfsempfehlung nicht gerecht“, so der Leiter des Pestel-Instituts, zu dessen Forschungsschwerpunkten Wohnungsmarkt-Untersuchungen gehören.






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