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26.09.2023 Maßnahmenpaket Wohnungsbau: Der große Wurf fehlt weiterhin

Nach Analysen von Aengevelt Research hat sich bereits seit dem Jahr 2009 in vielen Großstädten Deutschlands erneut ein Wohnungsmangel aufgebaut, der sich von Monat zu Monat verschärft, weil die Nachfrage weiterwächst, die Neubauleistungen indessen vollkommen unzureichend sind. Die Bundesregierung hatte den Neubau von mindestens 400.000 Wohnungen pro Jahr versprochen, geschafft hat man im Jahr 2022 gerade einmal 295.275. Für das laufende Jahr 2023 ist mit allenfalls 240.000 zu rechnen. Für 2024 prognostiziert Aengevelt aufgrund des markanten Rückgangs an Baugenehmigungen sogar nur noch 180.000 Wohnungen. Nötig wäre dagegen eine Bauleistung von 600.000 bis 700.000 Wohnungen pro Jahr – so, wie es in den 1990er Jahren über vier Jahre in Folge realisiert wurde.

Gestern hat die Bunderegierung nun endlich ein Paket mit 14 Maßnahmen vorgelegt (siehe unten), um den Wohnungsbau anzukurbeln. Einiges davon geht in die richtige Richtung, so z.B. die Wiedereinführung einer degressiven AfA für den Mietwohnungsneubau, die vorübergehende Aussetzung der Verschärfung der Energiestandards, die Verbesserung der Fördervolumina für den sozialen Wohnungsbau und die Eigentumsförderung.

Einen großen Wurf stellt das Maßnahmenpaket indessen immer noch nicht dar. Die degressive AfA ist gut und richtig, aber sie bleibt deutlich unterhalb der früheren degressiven AfA, mit der jahrzehntelang große Bauerfolge erzielt wurden.
Die Verschärfung der Energiestandards um zwei Jahre zu verschieben, ist aus Sicht von Aengevelt ebenfalls richtig. Indessen sind die gegenwärtig geltenden Standards schon so kostenintensiv, dass sie den Neubau lähmen.

Die Bundesregierung hatte den Neubau von 100.000 Sozialwohnungen pro Jahr angekündigt – erreicht wurden im Jahr 2022 gerade einmal 25.000. Die vom Bund vorgeschlagene Aufstockung der Fördermittel für den sozialen Wohnungsbau ist deshalb dringend überfällig, allerdings verteilen sich die jetzt versprochenen 45 Millionen Euro auf einen Zeitraum von fünf Jahren und sie werden auch nur realisiert, wenn alle Bundesländer zustimmen.

Die Vereinfachung von Planungs- und Bauvorschriften wird bereits seit Jahren angekündigt, in der Praxis ist davon noch nicht viel angekommen. Die Freibeträge bei der Grunderwerbsteuer, die der Bund fordert, werden nicht kommen, weil die Länder nicht mitmachen. Die Wiedereinführung der Wohnungsgemeinnützigkeit, die 1990 aus guten Gründen abgeschafft wurde, wird keine einzige neue Wohneinheit entstehen lassen. Stattdessen konfrontiert das Gebäudeenergiegesetz („Heizungsgesetz“) die Wohnungswirtschaft mit einem noch nie zuvor geforderten zweckgebundenen Investitionsbedarf von 500 bis 600 Milliarden Euro. Das passt weder zur lahmenden Konjunktur, noch zur deutlich restriktiveren Finanzierungspolitik der Banken. Und die bundesweite Umsetzung mit Lieferanten und Handwerkern ist auch nicht gesichert.

Um den Wohnungsneubau zu verdreifachen, wie es der Bedarf erfordert, wäre ein stärkeres, gebündeltes politisches Signal erforderlich, das zwischen Bund und Ländern abgestimmt ist. Passende Maßnahmen sind aus Sicht von Aengevelt zum Beispiel:

• Es braucht eine Wohnbaulandoffensive, um das Grundstückspreisniveau wirksam zu senken. Dafür sind in erster Linie die Kommunen gefragt und flankierend müsste der Bund die Ausweisung von Wohnbauland erleichtern und beschleunigen.

• Der soziale Wohnungsbau braucht noch mehr Mittel als die angekündigte Erhöhung auf 45 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Für die Sanierung von Bahnstrecken im annähernd gleichen Zeitraum sagte der Bund eine Verdoppelung auf 83 Milliarden zu. Das müsste auch die Messlatte für die Wohnungsbauförderung sein.

• Die geometrisch-degressive AfA von 6 Prozent, die sich von Jahr zu Jahr reduziert, unterschreitet noch das erfolgreiche 7-Prozent-Modell über die ersten vier Jahre, das den Wohnungsbau bis in die 1990er Jahre hinein stimulierte.

• Das am 8. September 2023 beschlossene Gebäudeenergiegesetz wird Mieter und Vermieter dramatisch belasten. Bevor der Bund der gesamten Bevölkerung binnen kurzer Frist untragbare Kosten aufbürdet, sollte es ein konsensuales Grundsatzkonzept für einen konjunktursensiblen Korridor der Klimaschutz-Finanzierung geben, der jeweils im Rahmen des Jahressteuergesetzes neu austariert wird. Dass Mieter belastet werden, in deren Gebäude gerade die alte Heizungsanlage kaputtgeht, ist sozial ungerecht. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass die wünschenswerte Arbeitsplatzmobilität bei Ortswechsel nicht zu Mehrfachbelastungen führt.

• Investoren muss wieder Grundvertrauen in Wohnungsbauinvestitionen vermittelt werden. Ständige Verschärfungen des ohnehin schon asymmetrischen Mietrechts und Diskussionen über Mietpreisbremsen, Mietenstopp und Enteignungen (wie in Berlin) schaffen weder neue Wohnungen, noch tragen sie zur Stimulation von Wohnungsneubau bei.

Fazit Dr. Wulff Aengevelt, geschäftsführender Gesellschafter Aengevelt Immobilien: „Die Lage ist dramatisch. Die Zahl der Baugenehmigungen ist im Juli 2023 gegenüber dem Vorjahr um 31,5 % eingebrochen. Sie lag im ersten Halbjahr 2023 bei 135.200 Wohnungen, von denen erfahrungsgemäß nicht alle realisiert werden. Marktführende Wohnungsunternehmen haben angekündigt, den Wohnungsneubau komplett einzustellen. Die Insolvenzwelle hat große Projektentwickler erreicht. Die Angebotsknappheit vor allem im Segment bezahlbarer Wohnungen gefährdet den sozialen Frieden und spült populistischen Parteien in besorgniserregendem Umfang Wählerstimmen zu. Was gebraucht wird, ist eine Wohnungsbauoffensive in Bund, Ländern und Kommunen, die diesen Namen auch verdient. Die 14 Maßnahmen gehen in die richtige Richtung, sie werden indessen aus Sicht von Aengevelt nicht ausreichen, um den toxischen Cocktail aus gestiegenen Zinsen, explodierenden Baukosten, zu hohem Grundstückspreisniveau für baureifes Wohnbauland, begrenzten Mieterträgen und kostentreibenden regulativen Auflagen, der den bedarfsgerechten Wohnungsbau derzeit blockiert, zu entgiften.“

















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