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14.09.2023 Baubranche in der Krise: Politik der Zurückhaltung ist nicht vernünftig

Gestiegene Kosten und hohe Zinsen: zwei Gründe, die laut Baubranche für die derzeitige Krise im Wohnungsbau sorgen. Ohne grundlegende Verbesserung droht nach Einschätzung von Ökonomen und Fachleuten gar eine jahrelange Notsituation. Bestehende Aufträge werden reihenweise storniert, gleichzeitig gibt es immer weniger Neuaufträge. Für das erste Halbjahr vermeldete das Statistische Bundesamt, dass die Zahl der Baugenehmigungen für Wohnungen um 27,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr eingebrochen sei. „Viele Bauträger und Investoren sind der Meinung, dass die gestiegenen Kosten den Wohnungsbau unrentabel machen. Hinzu kämen erhöhte energetische Anforderungen und die Unsicherheit über das weitere Vorgehen der Politik in einem Umfeld, in dem Investoren weiter auf der Bremse stehen. Diese Politik der Zurückhaltung ist allerdings nicht vernünftig – der Bedarf an Wohnungen ist riesig“, sagt Tassilo Soltkahn, Architekt und Vorstand der Soltkahn AG.

Für Bedarfsdeckung müsste alle 80 Sekunden eine Wohnung fertiggestellt werden
Auch in den kommenden Jahren erwarten Experten einen drastischen Rückgang beim Wohnungsbau in Deutschland. Berechnungen des ifo Instituts zufolge werden 2023 rund 245.000 Wohnungen in Wohngebäuden fertiggestellt – 2024 etwa 210.000, im Jahr 2025 nur noch rund 175.000. Das Ziel der Bundesregierung liegt hingegen bei 400.000 jährlich. Um den Bedarf an Wohnraum zu decken, müsste tatsächlich sogar alle 80 Sekunden eine Wohnung fertiggestellt werden. Auf die dramatische Situation soll nächstes Jahr auch die Summit „80 Sekunden“ aufmerksam machen, Entscheider und Innovatoren aus Politik, Bau- und Immobilienwirtschaft zusammenbringen und den Startschuss für ein neues Bauzeitalter geben.

„Denn so kann es nicht weitergehen. In der Region Berlin/Brandenburg wurden etwa 95 Prozent der Bauvorhaben eingestellt, viele hängen quasi in der Warteschleife, bis die Rahmenbedingungen wieder besser werden. So oder so ähnlich sieht es in vielen Teilen Deutschlands aus“, weiß Tassilo Soltkahn und ergänzt: „Diese Entwicklung macht wirtschaftlich allerdings keinen Sinn, denn der Bedarf ist da und groß. Zudem reduzieren sich gerade wieder die Materialkosten – und je ökologischer gebaut wird, desto preiswerter werden Bauvorhaben.“

Wirtschaftliches UND ökologisches Bauen ist möglich

Durch den zurückgegangenen Wohnungsneubau steigen in vielen Teilen Deutschlands auch die Mieten rasant an. Um Baukosten zu decken, werden höhere Kaltmieten pro Quadratmeter gefordert – was sich wiederum immer mehr Menschen nicht leisten können. Hinzu kommen etwa 19 Millionen Wohngebäude, die laut Klimagesetz bis 2045 klimaneutral saniert werden müssen. „Insgesamt herrscht in Deutschland rund um das Thema Bauen eine Unsicherheit. Allerdings wird die Stimmungslage, dass die Menschen aufgrund des Heizungsentwurfs und weiterer politischer Diskussionen kein Vertrauen mehr haben, auch von Teilen der Baubranche vorgeschoben, um Vorhaben zu stoppen und auf einen günstigeren Zeitpunkt zu warten“, so Soltkahn.

Auch drei Projekte seines Architekturbüros wurden für einen längeren Zeitraum gestoppt, bis sie kürzlich wieder angeschoben wurden. „Die Baubranche tut sich mit der aktuellen Zurückhaltung absolut keinen Gefallen. Auch in der derzeitigen Situation ist es möglich, wirtschaftlich und gleichzeitig ökologisch zu bauen – dies ist kein Hexenwerk, man muss es nur wollen und alternative Wege finden. Wir arbeiten beispielsweise mit der Firma Bton zusammen, die CO2-neutralen Beton herstellt. Gemeinsam planen wir ein Bauprojekt für 100 Wohnungen, die sich mit dem Beton zu einem wirtschaftlich rentablen Preis errichten lassen. So können wir Wohnungen mit bezahlbaren Mieten – pro Quadratmeter Nutzfläche unter 1.800 Euro brutto – bauen. Ökologisch muss also nicht immer teuer bedeuten.“ Auch andere Maßnahmen wie etwa die Planung von Gründächern und -fassaden oder die Nutzung von erneuerbaren Energien für Strom und Wärme sind dabei nicht nur nachhaltig, sondern bieten ebenfalls ökologische sowie bauphysikalische Vorzüge.




















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