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08.11.2017 BGH: Schluss mit Schriftformheilungsklauseln

Martin Butzmann, Partner der auf Immobilienwirtschaftsrecht spezialisierten Kanzlei Rotthege Wassermann, macht auf ein gestern bekannt gewordenes Urteil des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 27.09.2017 – XII ZR 114/16) aufmerksam. Dem BGH lag – vereinfacht – folgender Sachverhalt zur Entscheidung vor:
Ein Mieter schloss mit seinem Vermieter einen Mietvertrag nebst zwei Nachträgen. Beide Nach-träge enthielten übliche Schriftformheilungsklauseln, also die Verpflichtung das Mietverhältnis nicht wegen eines Mangels der Schriftform zu kündigen, sondern die Schriftform herzustellen.

Der Vermieter schickte dem Mieter nun einen Brief, in dem er vorschlug, die Wertsicherungsklausel zu ändern. Anpassungen sollten nicht mehr erst bei Änderungen von mindestens 10 Punkten des Verbraucherpreisindex, sondern bereits bei Veränderungen des Verbraucherpreisindex um 6 Prozent erfolgen. Im Brief wurden weder der Mietvertrag noch die beiden Nachträge konkret benannt. Der Mieter setzte ein „Einverstanden“ unter den Brief, unterschrieb dies und gab den Brief an den Vermieter zurück. Drei Jahre später kündigte der Vermieter den Mietvertrag wegen Schriftformverstoßes.

Der BGH hält diese Kündigung für unwirksam!

Der BGH hat keinen Zweifel daran, dass ein Schriftformmangel vorliegt. Durch den gegengezeichneten Brief wurde eine wesentliche Vertragsbedingung – nämlich die Miethöhe – geändert. Da der Brief aber weder auf den Mietvertrag noch auf die beiden Nachträge konkret Bezug nimmt, fehlt es an der für die Schriftform erforderlichen Urkundeneinheit. Auf diesen Schriftformverstoß kann sich der Vermieter jedoch wegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht berufen.

Dies ergibt sich aber gerade nicht aus den Schriftformheilungsklauseln. Der BGH stellt zunächst fest, dass es sich bei § 550 BGB um zwingendes Recht handelt. Der Gesetzgeber hat die Vertragsfreiheit bei langfristigen Mietverträgen bewusst eingeschränkt. Damit werden zwei gleich-wertige Ziele verfolgt. Zum einen soll dem unbedachten Eingehen langfristiger Vertragsbindungen vorgebeugt werden. Zum anderen soll potentiellen Erwerbern vor Augen geführt werden, in welche langfristig wirkenden vertraglichen Rechte und Pflichten sie eintreten.

Schriftformheilungsklauseln versuchen diese Entscheidung des Gesetzgebers zu umgehen und sind daher unwirksam.

Diese Deutlichkeit hatte der BGH lange vermissen lassen! Bisher hatte er nur entschieden, dass Erwerber nicht durch Schriftformheilungsklauseln gebunden sind, wenn Schriftformmängel vor-liegen, die vor ihrem Eintritt in das Mietverhältnis entstanden sind (Urteil v. 22.01.2014 – XII ZR 68/10; Urteil v. 30.04.2014 – XII ZR 146/12; Urteil v. 25.01.2017 – XII ZR 69/19). Die sonstige Rechtsprechung und die juristische Literatur hatten eine Vielzahl von Ideen entwickelt, was sonst noch wirksam sein könnte oder nicht. Dies ist nun alles überholt.

Rechtsanwalt Butzmann hebt hervor, was dies für die Immobilienwirtschaft bedeutet: „Schriftform-mängel vermeiden, Schriftformmängel beseitigen! Letzteres lässt sich jedoch nur dann umsetzen, wenn sowohl Vermieter als auch Mieter hierzu bereit sind. Rechtlich zwingen lässt sich ab jetzt niemand mehr. Daher sollten Vermieter und Mieter ihnen wichtige Vertragsverhältnis regelmäßig prüfen und jede sich bietende Gelegenheit nutzen, ihren Vertragspartner davon zu überzeugen, Schriftformmängel zu beheben. Doch Vorsicht: Ist es die falsche Gelegenheit, kann als Antwort sofort eine Kündigung des Vertragspartners kommen.“

Nach Ansicht des BGH verstößt die vorliegende Kündigung jedoch gleichwohl gegen Treu und Glauben. Der Schriftformmangel ergibt sich allein aus einer nachträglich getroffenen Abrede, die lediglich dem Kündigenden vorteilhaft ist. Der Kündigende nimmt dies zum Anlass, sich von ei-nem ihm inzwischen lästig gewordenen langfristigen Mietvertrag zu lösen. Eine solches „Rosinenpicken“ lässt der BGH nicht zu.

Martin Butzmann fasst zusammen: „Nicht jeder Schriftformmangel führt für jede Vertragspartei zu einem Kündigungsrecht. Es ist jeweils die Frage zu klären, ob und für wen ein Schriftformmangel lediglich vorteilhaft ist. Da sich über die diese Frage jeweils trefflich streiten lässt, wird nun ein weiteres Kapitel der Schriftform von Mietverträgen zu schreiben sein.“








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