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15.09.2017 Greater Frankfurt – das Ende der Eitelkeiten?

Am 13. September 2017 trafen sich Oberbürgermeister Horst Schneider (Stadt Offenbach), Planungsdezernent Mike Josef (Stadt Frankfurt), Bernhard H. Hansen (Hansen Real Estate), Jürgen Groß (Groß & Partner Grundstücksentwicklungs-gesellschaft mbH) und Prof. Bernhard Franken (Franken Architekten Group) auf Einladung des Urban Land Institute Germany zur Podiumsdiskussion mit dem Titel „Greater Frankfurt – Das Ende der Eitelkeiten?“ und sprachen über Zukunft und Zusammenarbeit in der Raumentwicklung für die Region Frankfurt und Rhein/Main.

„Ich bin gespannt, wer oder was an Frankfurt eigentlich Eitel ist.“ So eröffnete Moderator Prof. Bernhard Franken die Runde. Als er zu Beginn nach Problemen bei der Kooperation und mangelndem Engagement der Gemeinden im Frankfurter Regionalverband fragte, schien er insbesondere bei den Politikern einen Nerv zu treffen. „Die Metropolregion Frankfurt ist ein Papiertiger. Was wir jetzt brauchen ist eine mutige Landesregierung die Entscheidungen trifft, um auch die Gemeinden um Frankfurt in den dringend notwendigen Wohnungsbau mit einzubeziehen.“ kritisiert Oberbürgermeister Schneider die bisherige Zusammenarbeit. „Es gibt keinerlei politisch-institutionelle Manifestation des Großraums Frankfurt außer dem Regionalverband. Und im Regionalverband hat jede Gemeinde, egal ob Bad Vilbel oder Frankfurt, einen gleichwertigen Sitz.“

Auch Mike Josef, der seit 2016 das Amt des Planungsdezernenten innehat, kritisiert die momentan schleppende Kooperation: „Im Regionalverband Frankfurt sind gerade mal auf 11% aller für Wohnungsbauvorhaben vorgesehenen Flächen auch Projekte umgesetzt. Wir können die Frankfurter Nachbargemeinden nicht zum Handeln zwingen, daher suchen wir immer neue Flächen im Stadtgebiet, wie jetzt auch das geplante Quartier um die A5 bei Steinbach. Leider ist heutzutage vieles in der Politik emotional behaftet. Wir führen mittlerweile mit den Anrainergemeinden im Nordwesten Frankfurts eine Angstdiskussion, anstatt einer Wohnungsdiskussion.“ Auch Oberbürgermeister Schneider merkt an: „Es sind große Flächen in Rhein/Main im Flächennutzungsplan für den Wohnungsbau bereitgestellt, aber die Gemeinden rufen sie nicht ab.“

Lösungsansätze für diese Probleme sehen die anwesenden Vertreter der Privatwirtschaft vor allem in strukturellen Reformen und einem konsequenten Ausnutzen des Standings der Kernstadt Frankfurt: „Es ist richtig, dass sich das Rhein/Main Gebiet, trotz aller Eitelkeiten der Gemeinden, auf seine Kernmarke ‚Frankfurt‘ bezieht. Dazu kann am Ende auch gehören, Eingemeindungen vorzunehmen, denn Frankfurt wächst trotz begrenzter Flächen weiter und muss hier dringend etwas tun.“ schlägt Bernhard Hansen vor. Aber auch er merkt an, dass am Ende die Stadtobersten die Verantwortung zu einer effektiven Raumplanung tragen müssen: „Die Immobilienwirtschaft hat in der langfristigen Stadtentwicklung erst mal nichts zu suchen. Der Markt und die Projektorientierung zwingt uns, kurzfristiger zu denken. Für die langfristige Planung ist die Stadt da. Wenn es aber konkret um Quartiere und die Umsetzung geht, kommen wir ins Spiel.“

Die anwesenden Politiker sehen Eingemeindungen hingegen kritisch. Dazu Mike Josef: „Die einzig mögliche Gebietsreform in Rhein/Main bedeutet eben nicht Eingemeindung, sondern Planungsreform. Es ist hier enorm wichtig sensibel vorzugehen und die politischen Besonderheiten in den Gemeinden zu berücksichtigen. Wahlen, lokale Belange und Bürgerinitiativen spielen, anders als in der freien Wirtschaft, eine große Rolle in der Entscheidungsfindung, deswegen müssen wir kleinere Gemeinden mitnehmen, wenn wir reformieren wollen. Trotzdem ist jedem klar, dass sowohl Frankfurt als auch die anderen Gemeinden in der Region Rhein/Main im internationalen Wettbewerb nur gemeinsam bestehen können. Zum Vergleich: London hat sechs Mal so viel Fläche zur Verfügung wie Frankfurt“. Oberbürgermeister Schneider warnt insbesondere vor unüberlegten Planspielen zur Eingemeindung Offenbachs durch seinen großen Nachbarn: „Frankfurt wäre durch eine Eingemeindung Offenbachs plötzlich Schutzschirmstadt. Das würde Frankfurt nicht verkraften.“

Einig sind sich alle Beteiligten darin, dass eine der wichtigsten Aufgaben zum raumplanerischen Erfolg der Region die Realisierung von modernen und effektiven Mobilitätskonzepten ist. Jürgen Groß kritisiert die zum Teil ausufernden Umsetzungsfristen für Nahverkehrsprojekte: „Der Ausbau des ÖPNV ist für die Entwicklung der Region ein absolutes Muss, aber selbst Projekte wie die Regionaltangente West, für die bereits vor vielen Jahren erstmals Bedarf festgestellt wurde, sind bis heute nicht umgesetzt.“ Prof. Bernhard Franken warnt davor, Mobilitätsfragen allein der Privatwirtschaft zu überlassen: „Wenn von Seiten der Stadt nicht auf Mobilitätsprobleme reagiert wird, werden sie von innovativen Unternehmen wie UBER angegangen.“

Mike Josef betont, dass auch in seiner Planungsphilosophie der Schienenverkehr eine tragende Rolle spielt. Er sieht deutliche Vorteile gegenüber Individualverkehrslösungen: „Der Ausbau des Schienenverkehrs muss in Frankfurt Priorität haben. Auch wenn E-Mobility im Trend liegt, was uns in Frankfurt fehlt ist Fläche, die Elektroautos im Individualverkehr ebenso verbrauchen wie Autos mit Verbrennungsmotor.“ So begründet Josef auch teilweise die Quartiersplanungen im Nordwesten der Stadt: „Der große Vorteil der Siedlungsfläche Steinbach an der A5 ist, dass hier bereits eine gute Möglichkeit zur Verlängerung der Schieneninfrastruktur, so zum Beispiel die U5 aus Hausen, besteht. Wir brauchen einen funktionierenden ÖPNV bevor die Menschen ins neue Quartier einziehen.“

Das Zusammenwachsen der Stadt Frankfurt und der Region ist bereits in vollem Gange, es ist nun die Aufgabe aller Gemeinden, der Immobilienwirtschaft und der Verkehrsplaner, diesen Trend mitzugehen. So lautet das Fazit der Redner. Oberbürgermeister Schneider wendet sich mit einem Appell an die Anrainergemeinden Frankfurts: „Alle Nachbargemeinden müssen sich darüber im Klaren sein, dass die Stadt Frankfurt viele Kultur- und Bildungsaufgaben in der Region übernimmt. Auch Arbeitsplätze sind hier dezentral verteilt: 70% der Menschen im Rhein/Main Gebiet sind Pendler.“ Auch Mike Josef ruft zur Berücksichtigung der Lebenswirklichkeiten vieler Bürgerinnen und Bürger der Region in der Zusammenarbeit der Kommunen auf: „Es gibt Punkte wie die Entwicklungen im Bereich Kaiserlei, da funktioniert die regionale Kooperation bereits heute gut. Wenn wir aber in der EU zunehmend über die Überwindung von Grenzen sprechen, sollten wir das in der Region auch tun und uns nicht verkämpfen. Die zahlreichen Pendler zeigen uns: Die Menschen leben uns das Zusammenwachsen bereits vor.“ Bernhard Hansen rät, sich die ganz realen Anhaltspunkte einer Verschiebung lokaler Lebensmittelpunkte vor Augen zu halten: „Wer sich die Entwicklung der Stadt Frankfurt ansieht bemerkt, dass sich mit der Ansiedlung der EZB im Grenzgebiet nach Offenbach bereits ein neues Zentrum herausbildet.“ Jürgen Groß rät vor allem dazu, den Überblick zu behalten und sich nicht in existierenden Konfliktlinien zu verstricken: „Wir brauchen vor allem eine Vision und ein Ziel, dann können wir auch kleinere Gemeinden von unseren Planungen überzeugen.“ so sein Fazit.






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