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04.04.2017 Düsseldorfer Einzelhandel: Kleinere Flächen schaffen größere Vielfalt

Der deutsche Einzelhandel ist mitten in einem rasanten Umbruch. Ganz vorne dabei ist die internationale Einkaufsmetropole Düsseldorf. Hier wurden allein in den Toplagen der Innenstadt im abgelaufenen Jahr 64 Mietverträge abgeschlossen, so viele wie noch nie in diesem Jahrzehnt. Doch zugleich ging die neuvergebene Fläche auf Jahressicht von 23.882 m² auf 15.461 m² zurück. Damit zeichnen sich zwei bundesweite Trends in Düsseldorf bereits deutlich sichtbar ab: Die angemieteten Flächen werden im Schnitt deutlich kleiner und die Spitzenmieten haben ein Plateau erreicht. In den Toplagen verharren sie seit mehreren Jahren auf einem stabilen Niveau, in manchen Lagen daneben sinken sie sogar wieder.

Das erzeugt neue Chancen für eine Stadt wie Düsseldorf, denn es bietet auch wieder Raum für kleinere Unternehmen und schafft so eine attraktivere Mischung für die Konsumenten. „Vor allem die Gastronomie nutzt diese Entwicklung und steigert so das Einkaufserlebnis und die Aufenthaltsqualität – wovon wiederum der ganze Handel profitiert. Denn das Erlebnis und den Genuss beim Einkaufsbummel kann der Online-Handel nicht ersetzen“, erklärt Dirk Wichner, Head of Retail Leasing JLL Germany. Und doch zwingt der stetig wachsende Onlinehandel die stationären Händler zum Umdenken.

Hohe Zentralitätskennzahl belegt die Attraktivität und Anzugskraft des Düsseldorfer Handels

In Düsseldorf ist dieser Wandel besonders gut zu beobachten: Seit Jahren verändert die Stadt ihr Gesicht um die Top-Einkaufsmeilen Schadowstraße, Königsallee und Flinger Straße. Die neue Attraktivität spiegelt sich nicht nur in den wieder deutlich angestiegenen Passantenfrequenzen wider, sondern ebenso in einer Zentralitätsziffer von 123,7, die belegt, dass die Stadt eine enorme Kaufkraft aus dem Umland anzieht. Zum Vergleich: Köln kommt auf einen Wert von 124,7, Berlin auf 109,0 und Frankfurt auf 108,7. „Düsseldorf hat sich international als Einkaufsziel etabliert“, erklärt Marcel Abel, Geschäftsführer und Niederlassungsleiter JLL Düsseldorf. „Nahezu alle wichtigen Marken sind hier im Zentrum vertreten, viele von ihnen mit Flaggship-Stores. Deshalb kommen Kunden aus der ganzen Welt zur Königsallee.“

Doch gerade in Düsseldorf zeigt sich, dass Händler ihre Konzepte angesichts von Online-Handel und verändertem Käuferverhalten radikal verändern. Die Zeiten, in denen es darum ging, möglichst viele Waren auf möglichst großer Fläche zu präsentieren, sind längst Geschichte.

Bundestrend: Verunsicherter Textilhandel verliert Marktanteile an aufstrebende Gastronomie

Auch wenn die Einzelhandelsumsätze in den vergangenen Jahren stetig auf mittlerweile mehr als 483 Mrd. Euro gewachsen sind, agiert der Einzelhandel derzeit deutlich verhaltener als noch zuletzt bei der Anmietung von Flächen. Vor allem der Textilhandel ist verunsichert und büßt immer mehr von seiner einst dominanten Stellung unter den Einzelhandelsbranchen ein. Zwar sind sie mit 33 % immer noch Branchenprimus, doch noch 2010 bestritten sie mit 42 % deutlich mehr der Flächenumsätze. „Viele Einzelhändler prüfen heute sehr genau, ob und wo sie sich ansiedeln“, schildert Einzelhandelsexperte Dirk Wichner. „Sie entscheiden nicht mehr allein nach Bauchgefühl, sondern nach detaillierter Zahlenlage.“

Dazu gehören unter anderem Passantenfrequenzen, die bei den Düsseldorfer Toplagen Schadowstraße (12.365 Passanten/Stunde), Flinger Straße (8.035) und Königsallee (4.870) derzeit ein gemischtes Bild abgeben. Während die Schadowstraße knapp 3.000 Passanten über ihrem 5-Jahres-Schnitt liegt, ist die Flinger Straße 2.300 Passanten darunter und die Königsallee stagniert. Neben dieser Quantität ist aber genauso wichtig, welcher Kundentyp dort entlang geht und welche Kaufkraft letztlich in den Geschäften landet. „Entsprechend lange dauern aktuell Standortentscheidungen an – insbesondere, wenn es um Mietverträge mit zehn Jahren Laufzeit und mehr geht“, nennt Wichner einen Grund für den Rückgang beim Vermietungsumsatz.

Händler und Gastronomie setzen auf immer kleinere Fläche bei Neuanmietungen
Zugleich werden die angemieteten Flächen im Schnitt immer kleiner werden. Dafür gibt es zwei Gründe: „Während der Textileinzelhandel über Jahre mit großem Abstand dominierte, kommen nun Branchen wie Gastronomie, aber auch Beauty und Schmuck in der Statistik mehr und mehr nach oben. Diese brauchen traditionell weniger Fläche“, erklärt Dirk Wichner. Damit einher geht eine zweite Entwicklung: Der großflächige Textileinzelhandel hat in der Regel immer mehrere Etagen bespielt. Diese Anmietungen sind im derzeitigen Marktumfeld kaum noch möglich. Denn die oberen Geschosse werden mehr und mehr In Wohnraum umgewandelt. Die Innenstädte sind mittlerweile wieder sehr begehrte Lagen, so dass eine Mischnutzung oft sinnvoll ist.

Umsatz im Onlinehandel hat sich seit 2010 nahezu verdoppelt

Diese Reduzierung ist keine Momentaufnahme, sondern ein langfristiger Trend: „Im vergangenen Jahr haben Waren im Wert von rund 44 Milliarden Euro keinen Quadratmeter Einzelhandelsfläche mehr gesehen, weil sie direkt aus dem Lager an den Verbraucher geschickt wurden. Seit 2010 hat sich der Umsatz im Onlinehandel fast verdoppelt und wächst derzeit um mehr als 10 % jährlich. Vor diesem Hintergrund brauchen viele Waren keine Einzelhandelsflächen mehr, um dem potenziellen Käufer präsentiert zu werden“, analysiert Dirk Wichner die Herausforderungen des digitalen Zeitalters für die Händler.

Es ist daher nur folgerichtig, dass sich der Handel zunehmend sowohl auf Handelsflächen im Erdgeschoss als auch auf Flächen in den besten Lagen innerhalb der jeweiligen Einkaufsstraßen konzentriert. Aus manchen Ober- und Untergeschossen sowie den Randlagen der Einkaufsstraßen wird sich der klassische Handel in den kommenden Jahren eher zurückziehen.

In Düsseldorf setzen Unternehmen auf kleine, aber hochwertige Flächen

Nur vier Vermietungen erreichten im vergangenen Jahr die 1.000 m²: Globetrotter auf der Kö mit 1.000 m², CCC-Schuhe auf der Schadowstraße (1.100 m²), weniger Häuser weiter Rossmann mit 1.200 m² im bisherigen Bornemann-Geschäft sowie das MASH Steakhouse im Andreasquartier (1.400 m²). Bei allen zeigt sich, dass neben dem Erdgeschoss höchstens noch die erste Etage und ein Untergeschoss bewirtschaftet werden. „Nur große Häuser wie Breuninger und Primark können noch weitere Etagen bespielen und die entsprechenden Umsätze erwirtschaften“, erklärt Marcel Abel.

Aktuell sind einige Flächen in Toplagen in der Vermarktung, die nach einem Umbau schnell wieder belegt sein werden. So kommt die Modemarke Repeat in diesem Frühjahr in die Schadowarkaden. Eine hochwertige Kosmetikmarke aus Frankreich steht kurz vor der Unterschrift.

Zugleich ist der Vormarsch von Gastronomiekonzepten in Düsseldorf nicht zu übersehen. „Neben dem Pavillon auf dem Martin-Luther-Platz eröffnen viele neue Lokale in der Stadt – oder haben bereits eröffnet“, beobachtet Abel. Dazu zählt auch die schweizerische Schokoladenmarke Läderach. „Meist sind es individuelle Konzepte von Systemgastronomen, die sich mit hochwertigen Speisen an eine bestimmte Zielgruppe richten und somit dem Bedarf in einer Stadt perfekt anpassen.“ So sondiert ein internationales Burgerkonzept gerade den Düsseldorfer Markt, um hier eine Filiale zu eröffnen.

Die Gastronomie sorgt dafür, dass die Innenstadt weiterhin ein Magnet mit hohem Erlebnis- und Genussfaktor für die gesamte Region und darüber hinaus ist. „Wer samstags durch die durch die Düsseldorfer Innenstadt will, kann sich ein Bild davon machen, wie beliebt ein Einkaufsbummel durch Düsseldorf ist. Wiederkehrende Aktionen wie der Japantag sorgen zusätzlich für Renommee und Besucher.“ Vor allem die Aufenthaltsdauer wird durch dieses vielfältigere Angebot erhöht, wovon wiederum der Handel profitiert. Ein Paradebeispiel für diesen Effekt ist der Carlsplatz, der mit hochwertigem Produkten und großer Auswahl Besucher anlockt und das Umfeld deutlich aufwertet.

Händler und Logistiker gehen das geänderte Verbraucherverhalten offensiv an
„Düsseldorf ist ein gutes Beispiel, wie die Herausforderungen durch das Internet konstruktiv angenommen werden können: Zum einen ist Düsseldorf logistisch optimal vernetzt, die Versorgung durch den Online-Handel erfolgt sehr effizient. Zugleich stellt sich der Handel auf diese neue Situation ein und bietet einen Mehrwert, den es virtuell nicht gibt“, beschreibt Abel die Situation in der NRW-Landeshauptstadt. Einige Händler sind zudem dazu übergegangen, ehemalige Verkaufsflächen als Lager für den eigenen Online-Handel zu nutzen.

Die logistische Versorgung in Großstädten wie Düsseldorf hat sich bereits deutlich verändert, um den Anforderungen von Onlinehandel und Nahversorgung gerecht zu werden, so sind in Düsseldorf mittlerweile zahlreiche Fahrradboten zu sehen. Weitere Veränderungen werden folgen: So reicht es für die „Anlieferung auf der letzte Meile“ mittlerweile nicht mehr, ein Logistikzentrum außerhalb der Stadt zu betreiben – auch innerstädtisch muss es Umschlagplätze geben, um nah und damit schnell am Endverbraucher zu sein. Hierzu könnten künftig Flächen genutzt werden, zum Beispiel Tiefgaragen oder obere Geschosse im Einzelhandel, die nicht mehr für ihre ursprüngliche Nutzung benötigt werden. Ebenso werden Fahrzeuge im Nachtbetrieb für Transporte genutzt werden, um die freien Straßen zu nutzen. Voraussetzung: Sie sind emissions- und lärmarm. So könnten auch Busse eingesetzt werden, die tagsüber dem öffentlichen Nahverkehr zur Verfügung stehen.

Düsseldorfs Handel hat sein Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft

Optimistisch stimmt zudem, dass der Düsseldorfer Einzelhandel in den kommenden Jahren noch einiges an Wachstumspotenzial hat: „Wenn der Kö-Bogen 2 fertiggestellt und in dessen Folge der Außenbereich der Schadowstraße saniert ist, kommen nochmals hochwertige Flächen für Marken und Gastronomie hinzu, die Düsseldorfs Konsummeile zu einem homogenen, autofreien Erlebnis machen. Sie hat dann definitiv das Potenzial, wieder die frequenzstärkste Einkaufsstraße Deutschlands zu werden“, blickt Abel in die Zukunft.

Zur Menge und Lage der Geschäfte werden zudem neue Strategien kommen, um Konsumenten regelmäßig anzuziehen und ebenso zu unterhalten. So denken die Eigentümer zentraler Lagen in Düsseldorf bereits darüber nach, einen Teil ihrer Flächen aus der langfristigen Vermietung herauszunehmen und stattdessen regelmäßig wechselnde Pop-up-Stores einzurichten. Der Effekt: Die Frequenz bleibt kontinuierlich hoch und wird möglicherweise sogar noch gesteigert. Zudem wird die Fläche als trendiger wahrgenommen, was sich umgehend positiv auf das direkte Umfeld auswirken wird.






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