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09.02.2017 Retailmarkt: Der Umbruch im Handel hält an

Die guten Rahmenbedingungen und ein schon seit Langem positives und stabiles Verbrauchervertrauen bescheren dem deutschen Einzelhandel seit mittlerweile sieben Jahren kontinuierlich Umsatzzuwächse. Hinter dieser auf den ersten Blick sehr erfreulichen Tendenz verbergen sich allerdings sehr differenzierte Entwicklungen. Das ergibt der Retailmarkt-Report 2016, den BNP Paribas Real Estate im März veröffentlichen wird.

„Grundsätzlich befindet sich die Handelslandschaft seit einigen Jahren in einem Transformationsprozess, der bestehende Strukturen verändert. Die Aussage, dass der Handel den größten Wandel seit Einführung der Selbstbedienung durchläuft, ist aufgrund der Dynamik der Veränderungen und Anpassungsprozesse sicherlich gerechtfertigt“, erläutert Christoph Scharf, Geschäftsführer der BNP Paribas Real Estate GmbH und Head of Retail Services. „Auslöser dieser Entwicklung ist der sich beschleunigende Siegeszug des Onlinehandels in Kombination mit einer rasant fortschreitenden Digitalisierung vieler Lebensbereiche. Eine sichtbare Konsequenz des veränderten Kaufverhaltens der Kunden ist, dass einige langjährig erfolgreiche, mittlerweile aber in die Jahre gekommene Konzepte aufgeben mussten oder mit zum Teil dramatischen Umsatzrückgängen zu kämpfen haben. Die zunehmenden Schwierigkeiten des stationären Handels, gerade in den teuren A-Lagen ausreichende Umsätze zu erzielen und so den wirtschaftlichen Erfolg sicherzustellen, können dazu beitragen, das Bild der Innenstädte künftig zu verändern.“

Mietpreise stehen teilweise unter Druck

Die skizzierten Einflussfaktoren haben auch Auswirkungen auf die tragbare Mietbelastung vieler Branchen und Konzepte, was sich in der Entwicklung der Mietpreisniveaus widerspiegelt. Von den 64 regelmäßig durch BNP Paribas Real Estate analysierten Städten[1] weisen 24 im Vergleich zum Vorjahr gesunkene Spitzenmieten auf, nur drei können einen leicht höheren Wert erreichen. An den meisten beobachteten Standorten (37) sind die Höchstmieten damit noch konstant geblieben. Bemerkbar macht sich die zunehmende Preissensibilität potenzieller Mieter auch in den größten Shoppingmetropolen: Mit Frankfurt (300 €/m²), Düsseldorf (280 €/m²), Hamburg (275 €/m²) und Köln (275 €/m²) haben die Top-Mieten im Vorjahresvergleich an vier der sieben größten deutschen Retailmärkte leicht (um jeweils 2 %) nachgegeben. Der einzige Standort mit einer etwas steigenden Tendenz ist Berlin (320 €/m²; +3 %), während die Mietpreisniveaus in München (370 €/m²) und Stuttgart (275 €/m²) wie auch in den vergangenen Jahren stabil waren. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Spitzenmiete per Definition für einen 100-m²-Standardshop mit idealen Voraussetzungen gilt und damit nur ein sehr kleines Marktsegment abbildet. Hierfür gibt es immer noch eine ausreichende Nachfrage aus den verschiedensten Branchen. Immer häufiger werden diese Ladengrößen zudem von international renommierten Marken als Showroom zum Brand Building genutzt. Ein Beispiel dafür ist Sennheisser, das Unternehmen sicherte sich in Berlin in bester Tauentzien-Lage einen solchen Store. Bei größeren Flächen, bei denen in der Regel ein wirtschaftlich erfolgreicher Betrieb im Vordergrund steht und die Nachfrage deutlich geringer ist, stellt sich die Situation anders dar. Hier sind die Mieten in vielen Fällen deutlicher unter Druck geraten. Vereinzelt sind auch geplante Anmietungen gescheitert, weil die Erwartungshaltung auf Eigentümerseite immer noch zu hoch war und den veränderten Rahmenbedingungen nicht gerecht wurde.

Differenzierte Nachfrageentwicklung

Die Nachfrage für die Top-Lagen in den großen deutschen Städten ist nach wie vor gut. Allerdings sind in einzelnen Teilmärkten differenzierte Entwicklungen zu beobachten. Für kleinere Shops finden sich nach wie vor genügend Interessenten, die in der Regel auch bereit sind, die weiterhin hohen Mieten zu bezahlen. Allerdings können hier vereinzelt etwas längere Vermarktungszeiten registriert werden, da die Zahl der Nutzer und damit der Wettbewerb unter ihnen im Vergleich zu den Vorjahren etwas geringer ausfällt. Bei mittleren Shopgrößen und Großflächen, bei denen als wichtige Zielgruppe häufig Modekonzepte im Blickpunkt stehen, sind die Anpassungsprozesse deutlicher zu spüren. Hier ist grundsätzlich eine rückläufige Nachfrage zu konstatieren. Vermarktungsprozesse in diesem Flächensegment ziehen sich nicht nur länger hin als in den vergangenen Jahren, sondern sind zunehmend auch nur noch mit Zugeständnissen bei der Mietpreisbelastung oder an den Erfolg angepasste Vertragsgestaltungen zum Abschluss zu bringen. Darüber hinaus gehören internationale Brands weiterhin zu den wichtigen Nachfragern, benötigen aber erheblich länger, um Entscheidungen zu treffen. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen bleibt abzuwarten, ob sich die Nachfrage zukünftig stärker auf angrenzende Bereiche der absoluten Top-Lagen verlagern wird, um von den dort geringeren Mieten zu profitieren. In einigen Städten sind erste Tendenzen in diese Richtung erkennbar.

Tendenzen in einzelnen Branchen

Innerhalb der einzelnen Branchen gibt es durchaus unterschiedliche Reaktionen auf die aktuelle Umbruchsituation. Im Fashion-Bereich, der sowohl einige Insolvenzen als auch deutliche Verkleinerungen von Filialnetzen hinnehmen musste, sind globale, finanzstarke Player wie Inditex oder H&M mit ihren vielschichtigen Schienen weiterhin an mittleren und großen Flächen in den 1A-Lagen interessiert. Ziel hierbei ist aber immer öfter, mehrere vorhandene kleinere Shops in nicht weit entfernten Lagen zusammenzuziehen, um so Skaleneffekte nutzen zu können. Die in den letzten Jahren stark expansiven Luxuslabels agieren mittlerweile ebenfalls etwas zurückhaltender. Statt ungebremster Expansion stehen zunehmend Konsolidierungen an, um Probleme mit der Wirtschaftlichkeit besser in den Griff zu bekommen. Aber es gibt durchaus auch Gewinner, die von den Marktbedingungen profitieren. Dies sind zum einen Marken, die bislang nur über wenige oder keine Stores verfügen. Ihnen eröffnet sich aufgrund des größeren Flächenangebots bei gleichzeitig tendenziell sinkenden Mieten die Möglichkeit, ihren stationären Handel auszuweiten, um besser wahrgenommen zu werden. Zum anderen drängen vermehrt Branchen in die besten Lagen, für die diese in der Vergangenheit nicht erschwinglich waren. An erster Stelle sind hier Lebensmittel- und Drogeriemarktketten zu nennen, die momentan stark expandieren und attraktive Standorte besetzen. Aber auch spezialisierte Brands aus dem Bereich Gesundheit/Beauty ergreifen die Chance, näher an die Kunden heranzurücken und so vom Trend zur bewussten Lebensweise zu profitieren. Insbesondere internationale Konzepte mit dieser Ausrichtung gehörten in den letzten Monaten zu den aktivsten Mietern.

Perspektiven

„Die gesamtwirtschaftlichen Eckdaten für weiter steigende Einzelhandelsumsätze sind gegeben. Für den stationären Handel wird es in diesem Zusammenhang vor allem darum gehen, sich im Wettbewerb mit dem Onlinehandel zu positionieren, um umfassend daran partizipieren zu können. Dazu gehört es, dass sich Konzepte in starkem Maße der Digitalisierung öffnen und individuelle Lösungen für den Kunden erarbeiten. Das ist mit Investitionen verbunden, gehört jedoch zum Kerngeschäft des Händlers. Aber auch Vermieter und Eigentümer müssen die Zeichen der Zeit erkennen und mit den Retailern gemeinsam an der langfristigen Standortsicherung arbeiten. Genauso wie übrigens die Städte, deren Ziel es sein muss, die Attraktivität ihrer Innenstädte zu sichern. Wenn der Handel von dieser Seite die notwendige Unterstützung bekommt und es ihm gleichzeitig gelingt, den digitalen Wandel als Chance zu verstehen und in innovative Konzepte umzusetzen, dann werden die Konsumenten auch weiterhin bereit sein, ihr verfügbares Einkommen zum großen Teil im stationären Handel auszugeben“, fasst Christoph Scharf die weiteren Aussichten zusammen.









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