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30.11.2016 Ist Deutschland eine Insel? Erfolgreicher Real Estate Finance Day

Immobilien und ihre Finanzierung im Zeichen von Liquiditätsüberschuss, Brexit, digitaler Welt und zunehmender staatlicher Regulatorik waren nur einige der spannenden Themen, welche die Teilnehmer vergangene Woche auf dem 3. Real Estate Finance in Frankfurt diskutierten. Veranstalter waren der Frankfurt School Verlag und Targa Communications, ebenfalls aus Frankfurt. Insgesamt rund 185 Gäste trafen sich im Gebäude der Frankfurt School of Finance & Management, nur wenige Meter von der Europäischen Zentralbank entfernt.

„Deutschland ist zu banken- und zu wenig marktorientiert“, gab Prof. Dr. Udo Steffens, Präsident und Vorsitzender der Geschäftsführung der Frankfurt School of Finance &Management, den Professionals aus Immobilien- und Finanzwirtschaft mit auf den Weg. Den europäischen Blick auf die deutschen Marktgegebenheiten lieferte Annerie Vreugdenhil, Global Head of Real Estate Finance, ING Wholesale Banking. Deutschland erscheint Außenstehenden oftmals als Insel im rauschenden Meer einer komplexer und unsicher werdenden (Immobilien)Welt. Aber auch hierzulande fahren Banken ihr Finanzierungsvolumen zurück und geben den Weg für andere Marktteilnehmer und neue Finanzierungsformen frei.

Gibt es eine neue Immobilienblase? Weder Sven Carstensen, MRICS, Niederlassungsleiter Frankfurt, von der bulwiengesa AG, noch Dr. Marcel Crommen, MRICS, COO, NAI apollo group, oder Thomas Jebsen, Mitglied des Vorstands, Deutsche Kreditbank AG, sehen aktuell eine derzeitige Entwicklung. Dafür gebe es Gründe: Zum einen sei der Markt seit 2007 bedeutend rationaler geworden. Zum anderen hätten sowohl die Banken- als auch die Immobilienseite dazugelernt und seien besser auf mögliche Marktturbulenzen vorbereitet. Beide Seiten scheinen verstanden zu haben, dass Rendite im Endeffekt auf realen Mieteinnahmen beruht. Auch in Bezug auf das Wohnsegment waren sich die Diskutanten weitgehend einig: Keine allgemeine Blasengefahr in Sicht, vor allem nicht in den unterversorgten Großstädten.

Dem folgte Dr. Andreas Schillhofer, Partner, Head of Real Estate Corporate Finance, PwC AG, in seinem Vortrag zum aktuellen deutschen Marktumfeld. Nach dem Rekordjahr 2015 auf dem Transaktionsmarkt und einem sehr guten Jahr 2016 erwartet er auch für die kommenden zwölf Monate eine stabile und gesunde Entwicklung. Vor allem von drei Faktoren sieht er die kurzzeitige Entwicklung bestimmt - dem Zinsumfeld, den Herausforderungen der Migration und dem Brexit - denen sich die Branche stellen muss. Hinzu kämen die politischen Unsicherheiten durch die anstehenden Wahlen in Frankreich und auch in Deutschland, die zur Verunsicherungen führen könnten.

Wie eine Rating-Agentur arbeitet, erläuterte Maike Holzhauer, Senior Rating Analystin, Euler Hermes Rating GmbH. Sie erläuterte, dass das von einer Agentur innerhalb von vier bis sechs Wochen erstellte Rating in der Regel nach dem Prinzip „Through-the-cycle“ arbeitet und langfristig orientiert ist, während die „Point-in-time“-Methode eines Bankenratings eine Momentaufnahme darstellt. Vor allem die Stressszenarien machten es auf einen längeren Zeithorizont gesehen aussagefähiger. In der von André Eberhard, Chefredakteur des „Immobilienbrief“, geführten Gesprächsrunde wurde deutlich, dass Ratings für Projektentwickler Freud und Leid in einem sind. Einerseits sorgen sie für eine größere Transparenz, so Thomas Ronfeld, Leiter Primary Markets, Donner & Reuschel AG. Anderseits seien die Diskursansätze oft nicht nachvollziehbar, kritisierte Franz A. Kollitsch, Partner, INVESTER United Benefits GmbH. Dr. Horst Wiesent, CEO, SeniVita Sozial GmbH, hingegen präsentierte sich als großer Ratingagentur-Anhänger. Einig waren sich aber alle Diskutanten darin, dass die Agenturen unabhängig arbeiten und faire Tarife aufrufen.

Sorgen ganz anderer Art hat Gero Bergmann, Mitglied des Vorstands, Berlin Hyp AG. Denn die Geldschwemme der Europäischen Zentralbank treibe zwar die Märkte, schaffe aber langfristig für Institute wie seines neue Probleme. „Die Politik schafft den Pfandbrief ab“, spitzte er seine Ausführungen zu. Für die Zukunft prophezeite er Spezialbanken, die sich auf eine bestimmte Sparte oder einzelne Produkte konzentrieren. Hinzukomme, dass die Digitalisierung vor der Finanzwelt nicht stoppmache und neue Marktbedingungen und -teilnehmer generiere. Zwar seit das Crowd-Funding noch keine Alternative für die Finanzierung von Großprojekten - in den USA aber schon. Außerdem suchen sic h die Fin- und PropTechs ihre Lücken und greifen die Kreditinstitute genau an den größten „Nervpunkten“ der Bankkunden an: Zeit, Kreditvertrag und Gutachten.

Wie unterschiedlich die Ansätze der verschiedenen Finanzierer von Immobilien sind, zeigte die anschließende Diskussion darüber, ob es in Deutschland eine Kreditklemme gibt. Doch das ist eine Frage des Blickwinkels. Denn viele Finanzierungs-Anfragen, die Michael Morgenroth, MRICS, CEO, CAERUS Debt Investments AG, erhält, basieren auf einer vorgehenden Ablehnung durch klassische Banken. Sein Unternehmen, so berichtete er, helfe auch bei Finanzierungen jenseits der LTV-Marke von 70%. Bis zu 85% Prozent des Verkehrswertes könne so finanziert werden. Dabei sieht er sich nicht im Hochrisikobereich. „Im Vergleich zum Equity-Geschäft sind wir eher konservativ orientiert“, so Morgenroth. Herausforderungen, das benötigte Geld zu erhalten, sieht Iris Schöberl, Managing Director, BMO Real Estate Partners, bei kleinteiligen Portfolios. Hier steigen viele Banken aufgrund der Arbeitsintensität und des fehlenden Know-hows oftmals aus, so ihre Beobachtung. „Ich kann mir zwar zwei drei Jahre weniger Geschäft leisten, aber nicht zwei bis drei Risikofälle im Jahr“, erklärte Gero Bergmann seine Zurückhaltung. Von 100 Anfragen lehne sein Haus rund 30 ab. Trotzdem, so Christoph Wittkop, Geschäftsführer und Country Head Germany, Barings Real Estate, seien Finanzierungen heute leichter als vor drei bis vier Jahren zu bekommen. Es werde allerdings längst nicht mehr alles finanziert, was für eine gesunde Einstellung der Finanzhäuser spreche.

Projektentwicklungen waren das Thema des von Astrid Lipsky, Chefredaktion von „DIE IMMOBILIE“, geleitete Panels. Jürgen Helm, Head of Real Estate Germany, HSBC Germany, verwies darauf, dass vor allem für internationale Häuser wie seines, das erst seit kurzem auf dem deutschen Markt agiert, vor allem zählt, wer hinter dem Projekt steht. Das bestätigte Dr. Matthias Hubert, CEO, Pegasus Capital Partners, obwohl sein Unternehmen eher lokal und direkt vor Ort agiert. Gleichzeitig gebe es einen harten Finanzierungswettbewerb der Banken, so Robert C. Waidhaas, MRICS, Geschäftsführer, Heureka Development GmbH. Er bekomme für seine Entwicklungen oftmals Finanzierungen angeboten, die mangelndes Produktverständnis, beispielsweise im Bereich Serviced Apartments, erkennen ließen. Die größte Gefahr identifizierte Dr. Claus Proschka, Head of Debt Advisory Services, REAG–Duff & Phelps, darin, dass sich der Nutzer- vom Investmentmarkt abkopple. Denn auch ein zehnjähriger Mietvertrag schütze nicht vor einem Mieterausfall und auch die Gefahr, dass „die Investorenkarawane“ zum Zeitpunkt des Exits längst weitergezogen ist, dürfe nicht aus den Augen verloren werden, so Proschka.

Wie spannend ein vermeintlich „trockenes Thema“ sein kann, zeigte die Diskussion um die regulatorischen Auswirkungen auf gewerbliche Immobilienfinanzierungen unter Leitung von Markus Kreuter, Team Leader Debt Advisory, Jones Lang LaSalle GmbH. Während Dr. Jan Peter Annecke, Bereichsleiter Gewerbliche Immobilienfinanzierung, Münchener Hypothekenbank eG, 30 bis 40% der benötigten Kapazitäten für eine Finanzierung als „regulationsindiziert“ bezeichnete, ist für das FinTech-Unternehmen Exporo AG der Aufwand überschaubar, so Botho von Hülsen, Senior Projekt Manager. Aber er wisse natürlich, dass sich das ändere, sobald größere Tickets finanziert werden. Problematisch findet Jens Tolckmitt, Geschäftsführer, Verband deutscher Pfandbriefbanken e.V., dass eigentlich „nur Banken“ reguliert werden. Das träfe nicht immer die Richtigen, da sich so Anbieter am Markt ausbreiten würden, die weniger kontrolliert seien als vor 2007 - mit den allseits bekannten Risiken. Auch die unkoordinierte Vorgehensweise der Regulierungsbehörden fand er ärgerlich, die sich untereinander nicht abstimmen würden. Zum Teil hätte er „mit sieben Regulierungsbehörden gleichzeitig“ zu tun, die mitunter nicht wüssten, was die andere tue. Nichtsdestotrotz findet er die Regulierung richtig, wünscht sich aber mehr Effizienz und Zielgenauigkeit. Das entsprach auch dem Tenor von Dr. Ulrich Keunecke, National Head of Alternative Investments Legal, KPMG Rechtsanwaltschaftsgesellschaft mbH. Er plädierte vor allem bei größeren Finanzierungen für eine genaue Regulierung, um Fehler der Vergangenheit und ein zweites 2007 auszuschließen.

Ein besonderes Highlight erwartete die Tagungsteilnehmer zum Schluss der Veranstaltung. Da legte Rolf Elgeti, phG, Obotritia Capital KGaA, dar, warum er die Zeit reif für eine weitere Immobilienbank hält und eine entsprechende Banklizenz beantragt hat. Online-Banken wie seine könnten höhere Geschwindigkeit, geringere Prozesskosten und vor allem auch Produkte anbieten, die andere Banken nicht offerieren. Denn trotz der aktuellen Geldschwemme gebe es Finanzierungslücken für Nischenprojekte und mittelgroße Vorhaben, die für Immobilienbanken zu klein, für lokale Sparkassen aber zu großvolumig seien.

Ob die Erwartungen der diesjährigen Diskutanten eingetroffen, wird vielleicht schon auf dem 4. Real Estate Finance Day Thema sein, der für am 22. November 2017 stattfindet.






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