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20.10.2014 Wachstumsdruck Metropolregion München: Wir beginnen, anders zu denken

„Wo ist eigentlich das Problem?“ fragte Prof. Dr. Ilse Helbrecht von der Humboldt-Universität zu Berlin die rund 250 Kommunalpolitiker, Stadtplaner und Vertreter der Immobilienwirtschaft kurz vor Ende des Kongresses. Die Frage der gerechten Verteilung von Wachstum in der Metropolregion München war das Thema der von Europäische Metropolregion München (EMM) e.V., Landeshauptstadt München und Stadt und Landkreis Rosenheim initiierten ersten Plattform dieser Art. Mit reinen Wachstumsmeldungen jedenfalls, so Münchens Oberbürgermeister und Vorsitzender des EMM e.V. Dieter Reiter in seiner Begrüßung, könne man keine Euphorie mehr auslösen. Vielmehr müsse man den Menschen auch die positiven Merkmale des Wachstums nahebringen. Und die negativen Auswirkungen? Wie an diesen arbeiten in einer Region, der es an sich sehr gut geht? „Sie müssen einen Entwurf aufzeigen, was passiert, wenn nichts passiert“, so der österreichische Organisationsentwickler Dr. Reinhard Tötschinger.

OB Reiter: “Ich werde die verschiedenen Partner aus dem Umland zu einer regionalen Wohnungsbaukonferenz einladen, um den laufenden Dialog fortzusetzen. Wir müssen in Zukunft noch enger zusammenarbeiten, gerade was die Themen Wohnungsbau und Infrastruktur angeht. Nur gemeinsam können und werden wir die Herausforderungen der Zukunft unserer Region meistern.“ Er verdeutlichte, dass die Region sich polyzentraler entwickeln müsse, beispielsweise brauche man mehr tangentiale Verkehrsverbindungen. Es gebe in Europa kein Schachterldenken mehr, sondern es werde in Räumen gedacht. Er sei wild entschlossen, auf Augenhöhe mit den Akteuren der Region zusammenzuarbeiten. Auch Rosenheims Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer plädierte energisch für eine gemeinsame Anstrengung: „Wir müssen durch kluge raumplanerische Steuerung die Überhitzungseffekte steuern“. Regionale Egoismen stünden dem teils im Weg.

Wo ist eigentlich das Problem?

Prof. Helbrecht stieg mit dieser Frage in ihre Analyse der Diskussion ein. Für sie sei im Laufe des Tages klar geworden: Es mangelt weder an Expertise und Konzepten der Regionalentwicklung noch gibt es ein organisatorisches Problem. Die Schwierigkeit bestehe auch nicht darin, dass es der Region „noch zu gut“ gehe. Sondern man zögere, sich an die Verteilung der Zumutungen und Belastungen heranzuwagen. Denn wenn die Region wachse, gebe es eben nicht nur Früchte und Gewinne zu verteilen. Es gehe hier um harte Entscheidungen und auch um Verlierer bei Fragen wie “Wer bekommt die Kläranlage und wem wird doch Grünfläche weggenommen werden müssen?”. Regionalentwicklung tue auch weh.

Helbrecht gab den Teilnehmern mit auf den Weg, diese Probleme auch sprachlich klar zu benennen und deutlich zu erklären, dass es auch Zumutungen, Belastungen und Umweltstress gebe. Man müsse offen über das politische Thema der Verteilung sprechen. Erst dann könne ein ehrlicher Konsens über die Ziele entstehen und darauf aufbauend eine politische Entscheidung, nach welchem Verteilungsmodell Wachstum organisiert werde. Ihr Denkangebot, um solch ein Modell erarbeiten zu können: „Die Verteilung von Rechten und Pflichten, von Lasten und Früchten nach dem Prinzip von Gerechtigkeit im Sinne der Fairness.“ Eine auf diesen Prinzipien aufbauende Planung werde immer damit enden, dass auch die Schwächsten profitieren.

Für Münchens Stadtbaurätin Prof. Dr. (I) Elisabeth Merk stoßen zwei Ziele in der Metropolregion München in vielen Gesprächsrunden auf großen Konsens. Dies seien die Wertigkeit und Erhaltung der Landschaft und die Mobilität. Hier herrsche große Einigkeit in der Region und auch die Menschen stünden hinter diesen Themen. Auch sie sprach sich für einen gemeinsamen Plan in der Metropolregion aus und dafür, auch die Bundesregierung in die Pflicht zu nehmen. Denn die Motoren der deutschen Wirtschaft seien nun einmal die Metropolregionen.

„Make no little plans“

Prof. Dr. Alain Thierstein von der TU München fasste die Werkstattberichte aus vielen Regionen Europas, die den Teilnehmern konkrete Erfahrungswerte vermittelten, zusammen: Er sehe, dass es Kreativität in der Herangehensweise brauche, Kommunikation langfristig aufgebaut werden müsse, Geduld und Kontinuität genauso nötig seien wie Schnelligkeit und Entschlossenheit. „Make no little plans“, so sein Fazit. Und er stellte in den Raum, ob nun der Zeitpunkt gekommen sei, sich an ein gemeinsames Zukunftsbild für die Metropolregion heranzuwagen. Der Partner, der hierzu dringend benötigt werde, sei ganz klar auch der Freistaat. Die Landespolitik könne durch Anreize und finanzielle Unterstützung sinnvolle Projekte mit anstoßen.

Konsens über gemeinsame Ziele zu erlangen wird den EMM e.V. und seine Mitglieder aus Politik und Planung in den kommenden Monaten umtreiben. Die Begeisterung für gemeinsame Projekte wird darauf aufbauen. Dabei wird der Spagat zwischen kommunaler Selbstverwaltung und regionaler Verantwortung bewältigt werden müssen. Oberbürgermeisterin Bauer benannte die Aufbruchsstimmung, die auch Moderator Thierstein konstatiert hatte: „Wir beginnen anders zu denken und das erwarten die Menschen auch von uns“. Das Verständnis, dass die Region gemeinsam zupacken muss, war im Laufe der Veranstaltung deutlich wahrnehmbar.


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