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16.03.2016 Deutsche Wirtschaft trotz schwierigen Fahrwassers auf Wachstumskurs

Die deutsche Wirtschaft dürfte dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zufolge in diesem Jahr trotz des eingetrübten weltwirtschaftlichen Umfelds um 1,6 Prozent wachsen. Damit halten die KonjunkturforscherInnen ihre Prognose im Vergleich zum Dezember 2015 nahezu stabil. Wie im vergangenen Jahr trägt die Konsumnachfrage maßgeblich zum Wachstum bei: Immer mehr Menschen kommen in Beschäftigung, die Löhne steigen spürbar. Verbunden mit Kaufkraftgewinnen infolge der niedrigen Energiepreise befeuert dies den privaten Konsum. Hinzu kommen die Ausgaben für Unterbringung, Versorgung und Integration der in Deutschland lebenden Geflüchteten. Weiterhin äußerst verhalten entwickeln sich jedoch die Ausrüstungsinvestitionen, die zuletzt sogar gesunken sind. Ab dem Frühjahr dürfte die Nachfrage nach deutschen Exportgütern auf vielen ausländischen Absatzmärkten wieder etwas stärker zunehmen. Insgesamt entwickelt sich die Weltwirtschaft aber schwach: 2016 dürfte die globale Wirtschaftsleistung mit etwas mehr als drei Prozent wachsen und damit – wie schon im vergangenen Jahr – so langsam wie seit der Finanzkrise im Jahr 2009 nicht mehr. Viele rohstoffexportierende Schwellenländer kämpfen nach wie vor mit den niedrigen Ölpreisen, und die Konjunktur in China ist auf einen schwächeren Wachstumspfad eingeschwenkt.

Die Risiken für die Weltkonjunktur haben zugenommen. Insbesondere die erhöhte Volatilität an den Finanzmärkten und die teilweise Verschlechterung der privaten Finanzierungsbedingungen könnten das Wachstum belasten. Die niedrigen Ölpreise setzen zudem Energieunternehmen, deren Gläubiger und die Staatshaushalte rohstoffexportierender Länder zunehmend unter Druck. Auf den Finanzmärkten könnte es erneut zu Verwerfungen kommen. Ein weiteres Risiko für die Prognose besteht in fortbestehender Deflation im Euroraum. Sie würde zu Kaufzurückhaltung bei Haushalten führen und den privaten sowie staatlichen Schuldenabbau erschweren. Schließlich gibt es in Europa politische Differenzen, etwa hinsichtlich der mit den Flüchtlingsströmen verbundenen Herausforderungen, die den politischen Integrationsprozess umkehren könnten. Sollte die Transformation der chinesischen Wirtschaft – anders als für die DIW-Prognose unterstellt – doch zu größeren Verwerfungen führen, würde dies die Weltkonjunktur und damit insbesondere die international stark verflochtene deutsche Wirtschaft spürbar belasten.

Weltwirtschaft kommt kaum in Schwung

Die Weltwirtschaft kommt nur allmählich wieder in Fahrt. Die niedrigen Rohstoffpreise – insbesondere beim Öl – sorgen für ein zweigeteiltes Bild: Auf der einen Seite brechen in rohstoffexportierenden Ländern wie Brasilien und Russland Einnahmen weg und die Staatshaushalte geraten zunehmend unter Druck. Auf der anderen Seite sind die niedrigen Energiepreise in vielen Industrieländern ein wichtiger Impulsgeber, da sie die Kaufkraft stärken und die Binnennachfrage antreiben. Insgesamt sind es hauptsächlich die Schwellenländer, die das globale Wachstum dämpfen: So schwächt sich die Konjunktur in China aufgrund von Überkapazitäten im Industriesektor und der Umstellung auf eine eher konsumorientierte Wirtschaftsstruktur weiter ab. Größere Verwerfungen erwartet das DIW Berlin aber nicht. Unter dem Strich dürfte die Weltwirtschaft in diesem Jahr nur um 3,3 Prozent wachsen. Für das kommende Jahr ist mit 3,7 Prozent ein etwas kräftigeres Plus zu erwarten, wenn sich die Konjunktur in einigen Schwellenländern auch aufgrund wieder stabilerer Rohstoffpreise etwas erholt.

Industrieproduktion in Deutschland kommt wieder in Schwung – Treiber des Wachstums ist aber nach wie vor der private Konsum

Im Zuge einer langsam wieder steigenden Auslandsnachfrage dürften auch die deutschen Ausfuhren wieder an Tempo gewinnen. Weil der Exportmotor derzeit aber noch stottert, vor allem aber weil Sorgen über das außenwirtschaftliche Umfeld belasten, halten sich viele Unternehmen weiterhin mit Investitionen zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2015 sind die privaten Ausrüstungsinvestitionen sogar gesunken. Die rückläufige Industrieproduktion war jedoch vorübergehender Natur, bereits zum Jahresauftakt legte sie wieder zu. Vor allem die Binnenkonjunktur hat zum Wachstum beigetragen – und wird dies auch weiterhin tun. Der private Verbrauch profitiert von der ölpreisbedingt geringen Teuerung, Lohnsteigerungen und dem anhaltenden Beschäftigungsaufbau. Zwar wird die Arbeitslosenquote, nachdem sie in diesem Jahr erneut sinkt (auf 6,2 Prozent), im kommenden Jahr auf 6,6 Prozent steigen – allerdings nicht, weil Beschäftigung abgebaut würde, sondern weil immer mehr nach Deutschland geflüchtete Menschen eine Arbeitserlaubnis erhalten und die Zahl der Erwerbspersonen daher schneller steigen dürfte als die der Beschäftigten.

Die öffentlichen Haushalte werden trotz der Mehrausgaben in Zusammenhang mit der Flüchtlingsmigration voraussichtlich auch in den Jahren 2016 und 2017 mit Überschüssen abschließen. Die Steuereinnahmen nehmen weiter deutlich zu, insbesondere die Sozialbeiträge steigen aber kräftig. Allerdings expandieren die Ausgaben noch stärker – vor allem weil die Ausgaben des Staates in Zusammenhang mit der Flüchtlingsmigration in diesem Jahr bei 15 Milliarden Euro und im kommenden Jahr bei 18,3 Milliarden Euro liegen werden. Der Finanzierungssaldo sinkt von 0,6 Prozent im vergangenen Jahr auf 0,5 Prozent in diesem und 0,4 Prozent im kommenden Jahr.

KURZ GESAGT

Marcel Fratzscher (Präsident des DIW Berlin): „Die deutsche Wirtschaft dürfte ihr Wachstumstempo in etwa halten – ohne die Ausgaben für Geflüchtete, die wie ein Konjunkturprogramm wirken, würde sie jedoch an Fahrt verlieren. Die Unternehmen investieren nach wie vor viel zu wenig, weil die Rahmenbedingungen nicht stimmen. Die Ausrüstungsinvestitionen waren zuletzt sogar rückläufig. Die gute Lage der öffentlichen Haushalte sollte nicht für weitere Wahlgeschenke verschwendet werden, sondern für dringend notwendige Zukunftsinvestitionen in Bildung und Infrastruktur genutzt werden.“

Ferdinand Fichtner (Leiter der Abteilung Konjunkturpolitik): „Die Weltwirtschaft kommt nur allmählich wieder in Schwung. Derzeit wächst sie so langsam wie seit der Finanzkrise nicht mehr – auch, weil viele rohstoffexportierende Schwellenländer unter den niedrigen Ölpreisen leiden. Wo es Verlierer gibt, gibt es aber auch Gewinner: Die Industrieländer profitieren davon, dass die Kaufkraft aufgrund der niedrigen Energiepreise steigt. Der Konsum nimmt also zu, gleichzeitig dämpft die Nachfrageschwäche der Schwellenländer das Wachstum. Wenn es in diesen Ländern aber wieder aufwärts geht, wird das Wachstumstempo der Weltwirtschaft anziehen.“

Simon Junker (stellvertretender Leiter der Abteilung Konjunkturpolitik und Experte für die deutsche Wirtschaft): „Die deutsche Wirtschaft bleibt auf Kurs, obwohl sie sich in schwierigem Fahrwasser befindet. Zwar bekam sie die Schwäche der Weltwirtschaft zum Jahreswechsel zu spüren. Allerdings ist die Industrieproduktion zuletzt schon wieder deutlich gestiegen. Und auf die Binnenwirtschaft ist Verlass: Der Arbeitsmarkt läuft nach wie vor gut, die Löhne steigen und die gesunkenen Energiepreise stärken die Kaufkraft. Hinzu kommen die Ausgaben für Geflüchtete, die den Konsum ebenfalls anschieben. Allerdings bleibt abzuwarten, wie sich der Flüchtlingszustrom tatsächlich entwickelt und wie gut die Integration – vor allem in den Arbeitsmarkt – gelingt. Von den getroffenen Annahmen bei diesen Aspekten hängt die Konjunkturprognose in hohem Maße ab.

Kristian van Deuverden (wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Konjunkturpolitik und Finanzexpertin): „Die öffentlichen Haushalte werden auch in diesem und im kommenden Jahr mit Überschüssen abschließen, trotz der Ausgaben für Unterbringung, Versorgung und Integration von Flüchtlingen. Weil die Ausgaben insgesamt aber stärker steigen als die Einnahmen, werden die Finanzierungsspielräume enger. Hinzu kommt, dass vor allem die Sozialversicherungen den Überschuss erwirtschaften, während er bei den Gebietskörperschaften bis 2017 zusammenschrumpfen dürfte. Umso wichtiger ist es nun, die Priorität auf eine wachstumsorientierte Politik zu legen.“



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