News RSS-Feed

18.01.2021 Nicht schon wieder ein neues Tool: Digitalisierung gesamthaft begreifen

Digitale Lösungen für die Immobilienbranche haben nicht zuletzt durch die CORONA-Pandemie Konjunktur. So gibt es für viele Herausforderungen zahlreiche Lösungen, die es den Unternehmen der Immobilienbranche ermöglichen, Prozesse zu verschlanken, neue Geschäftsmodelle aufzubauen und die IT-Landschaft fit für das digitale Zeitalter zu machen.

Sehr oft werden die Herausforderungen, z.B. im Vertrieb, für Smartmetering oder Meldungsmanagement nicht gesamthaft betrachtet. Am Ende sieht man sich oft mit einem IT-Zoo konfrontiert, sprich eine Menge an Tools, die zwar für sich genommen Teilprobleme lösen, aber dennoch viel Aufwand mit sich bringen, da diese entweder untereinander zu wenig vernetzt sind oder mit den Basis-Systemen im Unternehmen unzureichend kommunizieren. Dann wird aus der digitalen Revolution schnell eine unüberschaubare Geschichte und das eigentliche Ziel wird aus den Augen verloren.

Damit es nicht dazu kommt, ist es wichtig, sich bei der Einführung digitaler Lösungen darüber Gedanken zu machen, welche einzelnen Aufgaben und welche Systeme betroffen sind. Es geht vielmehr darum, den Prozess End-to-End denken und sich Lösungen anzusehen, welche in der Lage sind, mit anderen Systemen so zu kommunizieren, dass am Ende kein IT-Zoo entsteht, sondern ein ganzheitliches digitales Ökosystem.

Die Kommunikation mit den Hauptsystemen, den sogenannten ERP-Systemen, ist dabei besonders wichtig. U.a. wurde heute mit Fabian Bodenstab gesprochen. Fabian Bodenstab ist SAP-Berater bei der ASCAVO AG und dort für den Bereich Facility Management verantwortlich. Die Fragen stellte Marc Petzoldt, Gründer und Geschäftsführer der Joyce Real Estate Systems GmbH.

Auf Spotify oder auf iTunes

Marc Petzoldt: Hallo Fabian. Schön, dass du heute da bist.

Fabian Bodenstab: Hallo Marc, vielen Dank für die Einladung. Ich freue mich, dass ich hier sein darf.

Marc Petzoldt: Fabian, seit vielen Jahren begleitest du Kunden bei der Optimierung ihrer Systeme und Prozesse. Dabei hattest du auch schon sehr unterschiedliche Kunden. Dein Fokus liegt dort vor allem auf SAP-Systemen. Warum ist das Thema FM-Management besonders geeignet, wenn wir uns über digitale Ökosysteme unterhalten?

Fabian Bodenstab: Das FM-Thema ist vor allem erstmal ein sehr prozessgetriebenes Thema, in dem mehrere Akteure zielgerichtet zusammenarbeiten müssen: z.B. Mieter, Hausmeister, Immobilienmanager und FM-Dienstleister. Damit alle an einem Strang ziehen können, müssen auch die Informationen die z.B. bei der Schadensmeldung des Mieters an den Hausmeister gehen und später an den Handwerker, entsprechend qualifiziert sein. Zusätzlich sollen alle wichtigen Personen sollen gut informiert sein. Gehen von einem Schritt zum Nächsten Informationen verloren, kommt es zu Problemen bei der Abarbeitung. Dies führt dann regelmäßig zu höheren Kosten und Unzufriedenheit auf allen Seiten. Um das zu vermeiden, sollte bei der Umstellung der IT darauf geachtet werden, dass dies nicht passiert.

Marc Petzoldt: Nun könnte man ja aber sagen, wenn alle Personen mit dem gleichen System arbeiten, sollte dies ja kein Problem sein.

Fabian Bodenstab: Das mag vielleicht sein, nur gibt es jedoch nicht das eine System, welches alle Anforderungen bedient. Hausmeister z.B. sollen mobil unterwegs sein können. Die klassischen SAP-Systeme sind für diesen Einsatz nicht ausgelegt oder eine Anpassung ist zu teuer und umständlich. Am Markt gibt es für viele Fragestellungen daher IT-Lösungen von PropTechs, die hier geeignet sind. Joyce gehört ja auch zu diesen spezialisierten Anbietern. Jedoch bilden diese oft nur einen Teilbereich des Prozesses ab. Das muss aber nicht schlecht sein. Da sich die jungen Unternehmen auf einen speziellen Bereich konzentrieren, sind Sie dort meist wesentlich innovativer und dadurch besser als etablierte Softwarehersteller. Ebenfalls kann dadurch auch flexibler auf neue Anforderungen reagiert werden. Dann stellt sich aber die Frage der Integration, sprich: wie schaffe ich es, dass mein neues PropTech-Tool mit meinem ERP-System kommuniziert, damit keine Informationen verloren gehen.

Marc Petzoldt: Das bedeutet, die PropTechs müssen sich darauf einstellen, dass Integrationen in bestehende IT-Strukturen genauso zum Umfang ihrer Lösung gehören, wie die Entwicklung neuer Funktionen. Was sind dabei die wichtigen Aspekte?

Fabian Bodenstab: Offenheit, Vollständigkeit und Flexibilität. Was meine ich damit: Schnittstellen sollten am besten so entwickelt sein, dass diese für viele Systeme verwendet oder schnell angepasst werden können, wenn dies notwendig ist. Sofern Standards vorhanden sind, sollten diese genutzt werden. So ist es bei beide Seiten einfacher, den Informationsaustausch durchzuführen. Ebenso sollten die Daten möglichst vollständig übergeben werden. Dadurch können im ERP-System alle wesentlichen Informationen zusammengeführt und der single point of truth herstellt werden. Hierdurch bleibt auch das Reporting intakt. Am ERP-System hängen schließlich noch weitere Systeme, die versorgt werden müssen, von dem das neue digitale Tool gar nichts mitbekommt. Auch werden auf Basis der Daten Entscheidungen getroffen, die Auswirkungen auf alle Akteure haben können. Fehlen dafür Daten, sind Fehlentscheidungen vorprogrammiert.

Marc Petzoldt: Daraus schlussfolgere ich, dass ich als PropTech das Geschäfts meines Kunden verstehen muss. Sonst bin ich gar nicht in der Lage meine Software so aufzubauen, damit alle möglichen Eventualitäten berücksichtigt werden können.

Fabian Bodenstab: Ja und nein. Ich muss also wissen, wie z.B. ein Mieter seine Schadensmeldung aufgeben sollte, damit ich als Immobilienverwalter die notwendigen Schlüsse ziehen kann. Ebenso sollte ich eine Ahnung davon haben, wie diese Informationen intern verarbeitet werden, sprich: wie schaut ein Schadensprozess klassischerweise aus oder wie kauft bzw. mietet ein Interessent in der Regel eine Wohnung., um mal ein anderes Beispiel zu nennen. Aber wenn mir die Informationen fehlen, brauche ich einen Partner, der mich mit seinem Wissen unterstützt. Da komme ich dann ins Spiel.

Marc Petzoldt: Genau aus diesem Grund besprechen wir von Joyce mit unseren Kunden zuerst den relevanten Prozess durch und identifizieren die notwendigen Schnittstellen mit den bestehenden Systemen. Unsere Plattform haben wir so aufgebaut, dass alle wesentlichen Schritte, die vom Nutzer ausgeführt werden sollen, von anderen Systemen angesprochen werden können. Das bietet die notwendige Offenheit aber auch die notwendige Flexibilität. Da wir selber aus der Branche kommen, sind wir mit vielen Herausforderungen der Branche auch vertraut und können daher auf die Kundensituationen gut reagieren.

Fabian Bodenstab: Am Ende des Tages ist es wichtig, dass beide Seiten flexibel bleiben. So werden auch im ERP-System Anpassungen notwendig sein, um den Gesamtprozess flüssiger und günstiger zu gestalten. Außerdem ändern sich auch ständig Faktoren. Also müssen die Schnittstellen und Prozesse auch angepasst werden können. Manchmal geht’s um Wohnen, manchmal um Gewerbe. Die Anforderungen sind unterschiedlich. Wichtig dabei, den Fokus auf das Wesentliche lenken. Weniger ist da oft mehr. Klassisches Pareto-Prinzip.

Marc Petzoldt: Ich denke zusammenfassend kann man sagen, dass eine Einführung auch immer ein Projekt ist. Es ist ein wenig wie beim Kleidungskauf, nur die Kombination aus verschiedenen, aber abgestimmten Kleidungsstücken macht das Outfit aus. Auch wenn heute viel möglich ist und man in Summe nicht mehr so viel Zeit braucht, wie vielleicht noch vor ein paar Jahren, ist es wichtig, sich umfassend Gedanken zu machen. Lieber einmal länger überlegt als am Ende mit einem IT-Zoo dazustehen.

Fabian Bodenstab: Ganz genau. Was ich vielleicht noch anmerken möchte, ist dass sich die „klassischen“ ERP-Berater und die PropTech weiter annähern müssen. Um bei dem Bild mit dem Zoo zu bleiben: Wenn jeder seinen eigenen Käfig hat, wird es keine Integration in ein vollständiges Ökosystem geben. Nur dadurch kann sichergestellt werden, dass für den Kunden das bestmögliche Ergebnis erzielt wird, und alle Beteiligte gut mit der Gesamtlösung arbeiten können.

Marc Petzoldt: Fabian, hast du denn schon einmal mit einem PropTech zusammengearbeitet.

Fabian Bodenstab: Ja, ich habe bereits verschiedene Erfahrungen mit PropTechs sammeln können, in dem wie verschiedene Lösungen entwickelt haben. Sehr angenehm finde ich immer die vorurteilsfreie Herangehensweise. Das öffnet mit als ERP-Berater auch oft die Augen, mit welcher Leidenschaft man an die Sache herangehen kann. Es muss nicht immer ganz trocken sein. Es kann Spaß machen und soll auch Spaß machen. Das merkt man auch hinterher im Ergebnis. Dann wird nicht nur der Weg von A nach B beschrieben, sondern ein schöner Weg gebaut, der die Arbeit erleichtert.


Marc Petzoldt: Das kann ich gut nachvollziehen. Wenn man Lust und Leidenschaft an den Tag legt, kommt am Ende auch immer etwas Gutes dabei heraus. Was sind denn deiner Erfahrung nach, die Herausforderungen bei der Zusammenarbeit mit PropTechs?
Fabien Bodenstab: Das weniger an Scheuklappen ist meistens erstmal ganz gut. Man muss natürlich darauf achten, dass der Single Point of thruth nicht in die PropTech-Lösung verschoben wird. Das liegt schon allein daran, dass am ERP System viele andere Systeme hängen, die mit Daten versorgt werden müssen, z.B. Reporting-Systeme. Entscheidungen, die auf Basis dieser Daten getroffen werden, sollen natürlich richtig sein. Der ordnungsgemäße Weg mit auch mit der PropTech-Lösung sichergestellt sein.

Marc Petzoldt: Du hast vorhin die notwendige Flexibilität beider Seiten angesprochen. Welche Erfahrungen hast du in diesem Bereich gemacht?

Fabian Bodenstab: Ich habe meistens eine gewisse Unwissenheit zwischen den einzelnen Beteiligten wahrgenommen. Der eine Bereich, der seine Prozesse mit der neuen Lösung verbessern möchte, kann an den Anforderungen anderer Bereiche stoßen, die nicht genug berücksichtigt wurden, für den Gesamtprozess jedoch auch wichtig sind. Freigabeketten, die in größeren Unternehmen an der Tagesordnung sind, sind hier ein gutes Beispiel. Digital zu bestellen heißt nun nicht, dass es keine Freigaben mehr gibt.

Marc Petzoldt: Da kommen wir schnell zum schönen Thema der abteilungsübergreifenden Kommunikation. Wir erleben dies auch. Neben den Vertriebsprozessen, in denen wir am häufigsten unterwegs sind, spielen natürlich auch Themen des Marketings, der IT aber auch des Baumanagements hinein. Am Ende geht es um die eine Immobilie, nur haben die Akteure verschiedene Sichten darauf. Diese gilt es zusammenzuführen. Eine Kompetenz, die man auf jeden Fall mitberingen sollte.

Fabien Bodenstab: Auf jeden Fall. Wichtig ist natürlich auch, dass die Anwender entsprechend geschult sind. Egal mit wem man zusammenarbeitet. Der Einzelne sieht seinen Schritt. Es muss halt erklärt werden, warum z.B. Themen der Besichtigung oder des Verkaufs bereits im Baumanagement wichtig sind. Das kann der Vertrieb nur wissen, wenn die Informationen in den vorliegenden Schritten mitgegeben werden. Die Datenqualität muss also sehr hoch sein.

Marc Petzoldt: Nur wenn eine entsprechende Datenqualität vorliegt, können die Informationen gut verarbeitet werden. Heißt aber auch, dass ich eigentlich keine Angst haben brauche, wenn mehrere IT-Systeme betrieben werden. Ich werde sicherlich nie eine einzelne Lösung finden, welche all meine Anforderungen erfüllen kann. Ich muss mir daher Gedanken machen, wie die einzelnen Systeme gut miteinander kommunizieren können. Dafür brauche ich Partner an meiner Seite, die mich verstehen, meinen Prozess aber auch untereinander zusammenarbeiten können. Am Ende des Tages muss meine IT-Struktur mein Geschäftsmodell abbilden. Dadurch ergibt sich auch eine entsprechende Komplexität.

Fabian Bodenstab: Absolut. Wovon man sich jedoch sicher verabschieden kann ist der bekannte Best-Practice Ansatz – eine Lösung, die bei vielen Unternehmen funktioniert. Man muss immer schauen: ein Ökosystem besteht auch ganz vielen kleinen Rädchen. Es gibt über 400 PropTechs in Deutschland. Entsprechend sind die Lösungen für den Kunden immer gesondert auszulegen. Denn nur der Mix aus der digitalen Lösung und dem ERP-System macht den Kunden hinterer erst richtig arbeitsfähig und besser am Markt, als der Mitbewerber.

Marc Petzoldt: Das ist doch ein schönes Schlusswort. Danke, dass ich heute mir dir sprechen durfte. Bleibe gesund und halt das mit dem HomeOffice noch eine Weile durch.

Fabian Bodenstab: Das mache ich. Bleibe du auch gesund.








Leserumfrage
Wir schätzen Ihre Expertenmeinung!
Hier ist unsere Leserumfrage:
schnell & unkompliziert
Jetzt starten!