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03.07.2020 COVID-19 sorgt für Verschiebung der globalen Logistikmärkte

Der globale Logistikmarkt steht dynamischen Veränderungen gegenüber: Die COVID-19-Pandemie, die für eine wochenlange Unterbrechung der Produktion und damit auch der Lieferketten sorgte, stellt die Widerstandsfähigkeit bestehender Prozesse weltweit auf den Prüfstand. Das befördert den Trend zurück zu regionalen Versorgungsketten beziehungsweise „nearshoring“, der Verlagerung in günstige Nachbarländer. Mithilfe des Savills Nearshoring Indexes hat der Immobiliendienstleister die Logistikmärkte weltweit untersucht und Länder mit hohem Potenzial identifiziert, die von der neuen Dynamik am Markt profitieren könnten.

Daraus resultierende alternative Produktionsstandorte könnten zu einer Verlagerung der Handelsströme führen und somit eine Diversifikation am globalen Industrie- und Logistikmarkt vorantreiben. „Der Handelskonflikt zwischen den USA und China verursachte bereits eine Umstrukturierung der globalen Produktions- und Lieferketten und förderte den Handel in Ländern wie Mexiko oder Vietnam. Die COVID-19-Pandemie hat verstärkend dazu geführt, dass die Beständigkeit der Lieferketten zunehmend politisiert wird. Sowohl in Frankreich, Japan als auch Indien werden Stimmen für eine wirtschaftliche Unabhängigkeit laut“, sagt Paul Tostevin, Director World Research bei Savills.

Gewinner der Nahverlagerung

Der Savills Nearshoring Index filtert Länder und deren Potenzial heraus, die direkte Anrainer zentraler Konsumentenmärkte sind oder in dichter Nähe zu ihnen liegen. Das Ranking findet auf Grundlage folgender Faktoren statt: die Personal-, Elektrizitäts- und Infrastrukturkosten sowie der Offenheit zum Handel. Über alle Kontinente hinweg zeigt sich, dass viele Länder von naheliegenden Hauptmärkten profitieren und durch geringere Kostenaufwendungen in der Produktion neue Chancen erhalten.
Vietnam erzielte den höchsten Score, bedingt durch niedrige Kosten für Personal und Elektrizität sowie einem Produktionsmarkt, der bereits vor der Pandemie einen rapiden Aufschwung vollzog. Mit Indonesien und Thailand entwickeln sich zwei weitere kostengünstige regionale Knotenpunkte im asiatisch-pazifischen Raum. Sie können eine Alterative zu China darstellen, da ihre Personalkosten im Vergleich weniger als halb so hoch sind wie die der Volksrepublik.

In Europa sieht der Savills Nearshoring Index ein starkes Potenzial in den osteuropäischen Ländern wie der Ukraine, Serbien oder der Tschechischen Republik. Das liegt zum einen an den niedrigeren Kosten in der Herstellung sowie für das Personal und zum anderen an der guten infrastrukturellen Anbindung (z. B. per Zug) an die großen westeuropäischen Märkte wie Frankreich oder Deutschland. Die Ukraine nimmt das höchste Ranking im europäischen Vergleich ein und folgt Vietnam auf globaler Ebene. Dank sehr niedriger Personalkosten für europäische Standards und durch ihre Rolle als einer der Hauptexporteure landwirtschaftlicher Produkte ist das Potenzial in der Fertigung weiterer Güter enorm hoch. Serbien ist ein weiterer Markt, der von seiner strategischen Lage als Knotenpunkt zwischen Europa und Asien profitiert und dadurch äußerst zukunftsträchtig ist. Auch Tschechien, obwohl etwas kostspieliger, verfügt über eine exzellente Infrastruktur und ist bereits eine gefestigte Exportwirtschaft.

Gibt es Verlierer in dieser Entwicklung?

„Die USA und Kanada erzielen wie die nord- und westeuropäischen Länder ein deutlich geringeres Wertschöpfungspotenzial für eine Nahverlagerung. Hohe Lohnkosten sind ein Hindernis für Standortverschiebungen innerhalb der Landesgrenzen (das sogenannte Onshoring). Nichtsdestotrotz gibt es einen Spielraum für kritischere und weniger preissensitive Güter. Eine Automatisierung im Herstellungsverfahren befähigt diese Länder darüber hinaus dazu, die Kosten zu senken, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Langfristig wird die automatisierte Produktion eine zunehmende Rolle spielen, wenn Technologien günstiger und für alle Märkte zugänglich sind“, prognostiziert Tostevin.

Deutschland rangiert auf einem der hinteren Plätze im Nearshoring Index. Obwohl die infrastrukturellen Begebenheiten und die offenen Märkte ein deutlicher Pluspunkt sind und das Land zu den großen Endverbrauchermärkten gehört, wird das Potenzial durch hohe Arbeits- und Produktionskosten wesentlich vermindert. „Der deutsche Logistikmarkt ist geprägt von der globalen Zusammenarbeit, aber auch hier zeigt sich eine Dynamik, die den Blick auf regionale Produktion wendet. Um wettbewerbsfähig zu bleiben. wird Deutschland jedoch neben der Technologisierung der Prozesse auf günstigere Nachbarländer ausweichen müssen“, sagt Bertrand Ehm, Director Industrial Investment bei Savills.

Neue Distributionsrouten: Sneak Peak für Europa

Wenn Unternehmen ihre Produktionsstandorte näher an den Endverbraucher verlegen, öffnen sich Entwicklungsmöglichkeiten für neue Logistik-Knotenpunkte. Als Beispiel ist Marokko zu nennen (Rang 13 im Savills Nearshoring Index), das von Westeuropa aus leicht per Fähre erreichbar ist und in bestehende Logistikkorridore integriert werden könnte. Diese umfassen die Häfen der Iberischen Halbinsel und Frankreich. Ein wachsender Export von hier aus würde die Nachfrage nach Logistikzentren an strategischen Zollhäfen wie Valencia, Algeciras und Barcelona enorm steigern. In Asien lässt sich bereits der Effekt neuer Distributionsrouten anhand steigender Mieten und Immobilienpreise in Vietnam feststellen, bedingt durch den Aufstieg des Landes als großer Hersteller. Die Vermietungspreise für Gewerbeimmobilien in Binh Duong, einem nördlichen Bezirk von Ho Chi Minh City, stieg im Jahr bis Juni 2019 beispielsweise um 54,4 % an.

„Die Versorgungsketten sind oftmals komplex, sodass sich die Verlagerung der Herstellung nah an die Endverbrauchermärkte kostenintensiv gestalten könnte und die Vorteile des Nearshorings abhängig vom Produkt stark variieren würden. Kurzfristig ist eine größere Fragmentierung der Lieferketten zu erwarten und dass Länder, die eine Balance zwischen der Nähe zu den zentralen Verbrauchermärkten, niedrigen Produktionskosten und wirtschaftsfreundlichen Rahmenbedingungen, zuerst profitieren werden“, schließt Marcus de Minckwitz, Director Savills Regional Investment Advisory EMEA.






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