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03.07.2020 Zwei Börsengänge bringen wieder Bewegung in den Emissionsmarkt

Nach fast acht Monaten ohne Erst-Listing haben sich im zweiten Quartal 2020 erstmals wieder zwei Unternehmen in Deutschland aufs Börsenparkett gewagt: Im Mai glückte dem Nürnberger Datenbankanbieter Exasol trotz Corona-Krise der Sprung ins Scale-Segment der Frankfurter Börse; im Juni folgte der Arzneimittelhersteller PharmaSGP, der eine Neuemission im Prime Standard lancierte. Die beiden Debüts spielten zusammen ein Emissionsvolumen in Höhe von 187 Millionen Euro ein. Damit befindet sich das jährliche IPO-Volumen auf dem niedrigsten Stand seit der Finanzkrise. Zu diesen Ergebnissen kommt die Analyse „Emissionsmarkt Deutschland“, für die das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen PwC vierteljährlich die Aktienneuemissionen sowie die Kapitalerhöhungen an der Börse Frankfurt erfasst.

„Durch die rapide Ausbreitung des Corona-Virus haben wir im März einen Rekordeinbruch an den Börsen erlebt, auf den eine ebenso schnelle Erholung der Märkte folgte. Nun zeichnet sich jedoch ab, dass der V-förmige Aufschwung an den Aktienmärkten nicht die Entwicklung in der Realwirtschaft abbildet und wir uns aktuell in einer Phase der Konsolidierung befinden“, kommentiert Nadja Picard, Capital Markets Leader für PwC Europe.

„Die Pandemie und deren Auswirkungen belasten die globale Wirtschaft nach wie vor stark. Nur wenigen Ländern ist es gelungen, die Zahl der Neuansteckungen nachhaltig zu drücken, während wichtige Märkte wie die USA aktuell wieder Rekordwerte bei den Neuansteckungen verzeichnen. Somit ist eine globale wirtschaftliche Erholung weiter sehr unsicher. Entsprechend zurückhaltend agieren die Investoren“, so Nadja Picard weiter.

Kapitalerhöhungen zunehmend auf Kurs

Bei den Kapitalerhöhungen lässt sich im zweiten Quartal ein Aufwärtstrend feststellen: Zwischen April und Juni besorgten sich elf Unternehmen über eine Kapitalerhöhung an der Frankfurter Börse frisches Geld (Q1 2020: 9 / Q2 2019: 11). Das Volumen der Kapitalerhöhungen lag bei rund 2,0 Milliarden Euro (Q1 2020: 1,6 Milliarden Euro / Q2 2019: 2,9 Milliarden Euro). Mit einem Bruttoerlös von über einer Milliarde Euro erzielte Infineon Technologies mehr als die Hälfte des Gesamtvolumens im Quartal. Das gesamte Emissionsvolumen der Kapitalerhöhungen im ersten Halbjahr 2020 erreichte das Volumen des Vorjahreszeitraums, liegt jedoch im Vergleich zu den starken Jahren 2017 und 2018 deutlich zurück.

„Im Gegensatz zu Unternehmen in anderen europäischen Märkten und den USA haben die Firmen in Deutschland das Instrument der Kapitalerhöhung zur Beschaffung von frischem Geld nur selektiv genutzt. Das hat zwei Gründe: Zum einen sind viele deutsche Unternehmen mit soliden Bilanzen und einem komfortablen Eigenkapitalpolster in die Krise gegangen. Zum anderen wurden die Firmen hierzulande mit staatlichen Maßnahmen wie dem Kurzarbeitergeld gut unterstützt, sodass sie ihre Kostenseite entlasten und Liquidität sicherstellen konnten“, so die Einschätzung von Carsten Stäcker, Leiter Equity Advisory bei PwC Deutschland.

„Mittelfristig werden wir aber auch in Deutschland wieder einen Anstieg der Kapitalerhöhungen zur Refinanzierung erleben, so wie wir es nach der Finanzkrise gesehen haben. Das gilt insbesondere, falls es zu einer flächendeckenden zweiten Infektionswelle kommen sollte“, prognostiziert Carsten Stäcker.

Volumen der Fremdkapitalemissionen auf Rekordniveau

Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Marktturbulenzen hatten auch Auswirkungen auf die Fremdkapitalemissionen im zweiten Quartal: Um auf weitere Auswirkungen der Krise vorbereitet zu sein, erhöhten Unternehmen ihre Puffer. Bei nahezu gleichbleibender Anzahl an Transaktionen (38 versus 33 in Q1 2020) lag das Emissionsvolumen im Investment-Grade-Bereich bei 53,4 Milliarden Euro und damit mehr als doppelt so hoch wie im ersten Quartal (24,0 Milliarden Euro).
Im Markt für High-Yield-Anleihen fiel das Emissionsvolumen dagegen im zweiten Quartal auf 3,0 Milliarden Euro (Q1 2020: 3,8 Milliarden Euro). Die Anzahl der registrierten Transaktionen verringerte sich auf sechs im Vergleich zu sieben Transaktionen im ersten Quartal.

Ausblick: Drei bis fünf weitere IPOs in der zweiten Jahreshälfte möglich

Mit Blick in die Zukunft sind die PwC-Experten vorsichtig optimistisch: „Wir erwarten weiterhin schwierige, aber nicht unmögliche Verhältnisse für Börsengänge. Die Aufnahmebereitschaft der Investoren hängt zum einen von der Branche und dem Geschäftsmodell ab – Technologie- und Softwareunternehmen sowie Firmen aus der Pharma- und Biotech-Branche bleiben beliebt – aber auch davon, ob es zu einer zweiten Infektionswelle kommt. Zudem werfen die Präsidentschaftswahlen in den USA ihre Schatten voraus. Je näher wir auf den November zusteuern, desto zurückhaltender agieren die Investoren“, analysiert Carsten Stäcker.

Konkrete Hoffnung für einen Aufschwung auf dem deutschen Emissionsmarkt machen zwei für den Herbst avisierte Börsengänge: Siemens will die Mehrheit der Anteile ihrer Energiesparte im Rahmen eines Spin-Offs an die Börse bringen. Die Erstnotiz der Siemens Energy ist für Ende September geplant.

Zudem strebt der Private-Equity-Investor Brockhaus Capital Management in den Prime Standard der Frankfurter Börse. Der Investor möchte durch den Börsengang 100 Millionen Euro einsammeln, um sich an führenden Technologieunternehmen im deutschen Mittelstand zu beteiligen. „Vor diesem Hintergrund liegen drei bis fünf IPOs in der zweiten Jahreshälfte durchaus drin“, so das Fazit von Nadja Picard.








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