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27.08.2019 Handelskonflikte belasten deutsche Exportwirtschaft

Die Sorgenfalten bei den deutschen Unternehmenslenkern werden immer tiefer. Wie das ifo-Institut am Montag mitteilte, ist der Geschäftsklimaindex im August von 95,8 auf 94,3 Punkte gefallen. Das ist der fünfte Rückgang in Folge und der niedrigste Wert seit November 2012. Damit verstärken sich die Anzeichen für eine drohende Rezession und bekräftigen die Prognosen des erst kürzlich veröffentlichten Monatsberichts der Deutschen Bundesbank. Demnach machen vor allem die anhaltenden internationalen Handelsspannungen der exportabhängigen Industrie zu schaffen, weshalb eine Rezession in Deutschland im dritten Quartal 2019 für möglich gehalten wird.

Wir glauben ebenfalls, dass die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal 2019 erneut ein negatives BIP-Wachstum verzeichnen könnte, gehen allerdings davon aus, dass sich dieses näher an 0% bewegen wird. Schließlich gilt es zu berücksichtigen, dass die deutsche Wirtschaft sehr viel anfälliger für Veränderungen im Industriesektor ist, als die meisten anderen Volkswirtschaften der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU), da das verarbeitende Gewerbe in Deutschland ein im Vergleich verhältnismäßig großer Sektor ist.

Zudem belasten die Risiken im Zusammenhang mit dem sich verschärfenden globalen Handelskonflikt zwischen den USA und China, dem Brexit und den strukturellen Problemen in der Automobilbranche, die den Kern der deutschen Wirtschaft darstellt. Auch in dieser Hinsicht steht die deutsche Wirtschaft deutlich stärker unter Druck als die übrige EWWU, da die Beziehungen zu drei der fünf wichtigsten Exportpartner betroffen sind: den USA, China und Großbritannien.

Diese wirtschaftlichen Risiken sind nur schwer abzuschätzen und lassen sich, zumindest auf kurzer Sicht, nicht anhand wirtschaftlicher Fundamentaldaten prognostizieren. Um diese Risiken zu reduzieren, bedarf es im Falle des US-China- und US-EU-Handelskonflikts möglicherweise nur einer einzigen Twitter-Mitteilung und im Falle des Brexits nur einer einzigen Parlamentsentscheidung.

Zwar ist Deutschland die größte Volkswirtschaft der EWWU, doch die übrigen Länder, die 70% der Wirtschaftsleistung erbringen, sind nicht zu vernachlässigen. Die französische Konjunktur zum Beispiel entspricht eher dem Durchschnitt der EWWU, und die Banque de France hat ihre BIP-Prognose für das dritte Quartal vor Kurzem von +0,2% auf +0,3% gegenüber dem Vorquartal angehoben.

Solange aber der inlandsorientierte Sektor (Dienstleistungen) und der private Konsum in Deutschland und vor allem in der EWWU insgesamt stabil bleiben, besteht unseres Erachtens noch Spielraum, bis die deutliche Eintrübung im verarbeitenden Gewerbe und die daraus resultierende Schwäche der deutschen Wirtschaft das gesamte Wachstum der EWWU gen null oder sogar in den negativen Bereich abrutschen lassen. Bei einer länger anhaltenden Schwäche ist natürlich mit stärkeren Spillover-Effekten zu rechnen und wir erkennen bereits erste Anzeichen dafür am deutschen Arbeitsmarkt. Angesichts der gegenwärtig unvorhersehbaren Natur der vorstehend wirtschaftlichen Risiken kann sich diese Einschätzung allerdings sehr schnell wieder ändern.

(Marktkommentar von Dr. Reto Cueni, Senior Economist bei Vontobel Asset Management)






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