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12.06.2019 Einzelhandelsimmobilien: Umfeld ist herausfordernd, aber chancenreich

Iris Schöberl, Managing Director Germany und Head of Institutional Clients bei BMO Real Estate Partners Deutschland
Aktuell besitzen Einzelhandelsimmobilien ein Janusgesicht: Einerseits hat der Investmentmarkt für Einzelhandelsimmobilien den Peak seiner seit dem Jahr 2010 andauernden Boom-Phase sichtlich überschritten. Andererseits birgt das Segment mit Blick auf die Megatrends Urbanisierung und E-Commerce weiter großes Potenzial, insbesondere für innerstädtische Highstreets. „Das derzeitige Umfeld ist herausfordernd, aber auch chancenreich aufgrund disruptiver Prozesse, die bei abflachender Konjunktur deutlicher hervortreten. Nicht alle Einzelhändler von heute werden die Gewinner von morgen sein. Aber es wird einige Starke geben, die von den Umwälzungen besonders profitieren. Diese Trends gilt es richtig zu lesen“, argumentiert Iris Schöberl, Managing Director Germany und Head of Institutional Clients bei BMO Real Estate Partners Deutschland. Angesichts des Wandels in der Einzelhandelslandschaft rückt die Wiedervermietbarkeit eines Objekts künftig stärker in den Fokus der Investment- und Asset Management-Strategie. Eine Kenngröße, die für BMO schon immer die ausschlaggebende bei Investmententscheidungen war.

Das Ende des Booms und Auswirkungen des digitalen Strukturwandels

Aus Sicht Schöberls reize sich nach der langen Boom-Phase an einigen Standorten das Potenzial bei Handelsimmobilien bereits aus. Das schlage sich im Transaktionsvolumen nieder. „Insgesamt lagen die für 2018 ermittelten Transaktionsvolumina für Retail Assets deutlich unter dem Vorjahreswert von etwa 14,1 Mrd. € sowie dem Durchschnittsniveau früherer Jahre“, sagt Schöberl. So registrierte der Immobiliendienstleister CBRE für 2018 ein Volumen in Höhe von 10,5 Mrd. €. Zum Vergleich: Mit einem Anteil von 31,9 Mrd. € am Transaktionsvolumen für Gewerbeimmobilien seien Büroimmobilien Treiber und stärkste Anlageklasse auf dem Immobilieninvestmentmarkt gewesen.

Hinzu komme eine wachsende Unsicherheit in der Investmentbranche über die Auswirkungen des E-Commerce sowie die damit verbundene Notwendigkeit für den stationären Einzelhandel, stärker in Multi-Channel-Strategien und weniger in Flächenexpansion zu investieren. „Das Risikobewusstsein gegenüber Handelsimmobilien hat im Jahresverlauf unter Investoren spürbar zugenommen“, sagt sie. Das geänderte Konsumverhalten und die damit einhergehenden Anforderungen hätten einen tiefgreifenden Wandel der Einzelhandelslandschaft in Gang gesetzt. In diesem Kontext seien unter Einzelhändlern zwei Strategien zu beobachten: Sehr günstige Preise, oder räumliche Kundennähe. Letzteres erfordere Investitionen in die Flächen oder Inszenierung und Service. Das könne nicht jeder Marktteilnehmer stemmen, weshalb es weiter zu Konzentrations- und Professionalisierungsprozessen komme.

Negativberichterstattung trotz Strukturwandels übertrieben

„Die Negativberichterstattung über den Einzelhandel ist übertrieben und vor allem undifferenziert“, betont Schöberl. Dieser Strukturwandel betreffe vor allem Betriebstypen wie wenig frequentierte Shopping-Center mit online-affinem Branchemix (Mode, Medien und Elektronik) sowie Objekte in wenig attraktiven Mittelstädten oder Nebenlagen der A-Städte.

An interessanten Einzelhandelsstandorten, wie beispielsweise innerstädtischen Lagen mit einer positiven soziodemografischen Perspektive (robuste und wachsende Einkommen, wachsende Bevölkerung), herrsche dagegen ein reges Treiben an Neuansiedlungen von Konzepten und Marken. Und: Neue, kreative Konzepte seien daher die neuen Treiber einer Einzelhandelslage, weniger der Filialisierungsgrad. Nur ein Beispiel: Mit Click & Reserve holt der Händler den Kunden in sein Geschäft vor Ort. Das führt nicht selten zu zusätzlichem Umsatz. Zudem sind diese Art von Logistikservices eine interessante, ausbaubare Perspektive für clevere Händler im Wachstumsumfeld City-Logistik.

In diesem komplexen Markt seien langfristige Mietvertragslaufzeiten nicht mehr die Regel. „Die Textilbranche bewegt sich stellenweise bei Laufzeiten von maximal fünf Jahren, Tendenz sinkend“, gibt Schöberl zu bedenken. „Ein kurzfristiger Vertragsabschluss sagt noch nichts über die tatsächliche Mietdauer und kann durchaus ein Tor zu einem langfristigeren Abschluss sein. Entscheidend ist letztlich, wie erfolgreich der Mieter am Standort ist“, sagt Schöberl.

Investmentkriterien und Anforderungen an Asset Management ändern sich
Daraus folge, dass die Langfristigkeit der Mietverträge immer seltener die wichtigste Kenngröße für Ertragssicherheit bei Immobilieninvestments sei. Magnetwirkung und Nachhaltigkeit eines Handelskonzepts seien heutzutage entscheidend. Das erfordere von Asset Managern zusätzliche Flexibilität und Branchen-Know-how. „Das Asset Management muss verstärkt prüfen, ob die Positionierung des Mieters stimmt und ob das Konzept zum gewünschten Image des Standorts und Gebäudes passt“, unterstreicht Schöberl.

Zudem könnten Investoren in einem reifen Markt immer weniger mit Wertsteigerungen der Immobilien rechnen. „Umso wichtiger ist die Einschätzung der nachhaltigen Vermietung und damit der Ausschüttungsrendite. Die Wiedervermietbarkeit einer Immobilie rückt in den Fokus der Investmententscheidung“, sagt Schöberl. Dreh- und Angelpunkt jeder Investmentstrategie sollte somit eine sorgfältige Selektion der Objekte sein, die neben dem Preis auch die Marktfähigkeit, Nachvermietung und Drittverwendung der Immobilie berücksichtige. „Die Ansprüche und der Selektionsdruck steigen. Die Themen innerstädtische Stadtentwicklung sowie Aufenthaltsqualität in City und Einzelhandelsläden gewinnen an Bedeutung. Das Potenzial des stationären Handels in Konkurrenz zum derzeit schnell wachsenden Onlinehandel ist durchaus groß“, resümiert Schöberl.







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