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06.06.2019 Der Zinsmarkt sieht mehr: Rezession rückt näher

In vielen Teilen der Kapitalmärkte steigen die Zweifel, ob die Party des ersten Quartals munter weitergehen kann. Die gemessene Angst ist gering, die eingegangenen Risiken sind dafür vergleichsweise groß. Wer die nüchternen Zahlen des Zinsmarktes betrachtet, findet allerdings eine beängstigende Häufung von Warnsignalen. „Hier sieht es so aus, als steuerten wir in eine Rezessionsphase“, sagt Ivan Mlinaric, Geschäftsführer der Quant.Capital Management GmbH.

Der Mai lief für Aktieninvestoren enttäuschend: Sein Tief erreichte der Dax zum 31. Mai mit rund 11.720 Punkten, das Monatshoch hatte bei 12.310 Punkten gelegen. Beim S&P 500 ist der Mai 2019 sogar der zweitschlechteste Monat seit den 1960ern mit einem Minus von 6,6 Prozent. Und für den Dow Jones standen Ende Mai sechs aufeinanderfolgende negative Wochen in den Büchern – ein selten konstanter Abwärtstrend.

Diese Bewegung ging mit einem deutlichen Druck auf die langfristigen Zinsen einher, der sich zum Monatsende hin noch einmal verstärkte. Dieser Druck sorgte dafür, dass an vielen Stellen aus den Zinsmärkten deutlichere Botschaften zu vernehmen sind. „Unter dem Eindruck der Party, die die Aktienmärkte im ersten Quartal des Jahres abgefeiert haben, ist diese Entwicklung beeindruckend“, sagt Mlinaric.

Die Aussage von Fed-Chef Jerome Powell, die niedrigere Zinsen in den USA erwarten lässt, konnte den Aktienmarkt kurzfristig stützen. „Dabei ist eine Zinssenkung als solche kein Zeichen des Vertrauens in die Stärke der Konjunktur“, sagt Mlinaric. „Die eigentliche Botschaft war das Eingeständnis, dass der Handelsstreit den Aufschwung abwürgt.“ Während der Aktienmarkt einen Freudensprung hinlegte, reagierten die Zinsmärkte erwartungsgemäß: Die Renditen auf zehnjährige Staatsanleihen sanken zunächst weiter. Und gerade im Zinsmarkt häufen sich die Warnsignale.

So sackte die Rendite zehnjähriger deutscher Staatsanleihen auf ein Allzeittief von -0,21 Prozent. Ebenfalls auf Allzeittief notierte die Umlaufrendite der Langläufer mit -0,26 Prozent. Weniger beachtet, aber fast wichtiger, ist der deutsche Breakeven Inflation Index. Dieser zeigt die Inflationserwartung im Zinsmarkt Euro und liegt derzeit bei nur noch 0,84 Prozent. Das ist der niedrigste Wert seit den hektischen Tagen nach der Brexit-Wahl Ende Juni/Anfang Juli 2016. Auch das vom Ifo-Institut gemessene Geschäftsklima zeigt mit 97,9 den schwächsten Wert seit Ende 2014.

Genug Warnsignale also, um sehr vorsichtig zu werden. Doch es sind noch deutlich mehr, die sich vor allem aus dem Zinsmarkt ableiten lassen: So läuft die Zinskurve in Europa sehr flach, der Spread zwischen zwei- und zehnjährigen Laufzeiten liegt bei gerade einmal 44 Punkten, das ist der niedrigste Stand seit April 2015. Die USA vermitteln ebenfalls dieses Bild: Die Rendite sackte dort seit Beginn der Aktienmarktkorrektur im Oktober 2018 um einen ganzen Prozentpunkt auf noch 2,13 Prozent. „0,3 Prozentpunkte davon sackte die Rendite allein in den vergangenen beiden Wochen, eine immense Geschwindigkeit“, sagt Mlinaric.

Ähnliches wie in Europa gilt auch bei der US-Breakeven Inflation, die 1,76 Prozent ausweist – Ende April lag sie noch bei 1,95 Prozent. In den USA hat sich die Zinskurve bereits umgekehrt. Lange Laufzeiten rentieren 0,16 Prozentpunkte niedriger als kurzfristiges Geld, der Spread liegt also bei -16 Punkten. Ölpreis und Einkaufsmanagerindex sprechen ebenfalls für eine nachlassende Dynamik der Wirtschaftsentwicklung.

„Als Risikomanager schauen wir in manchen Bereichen bestimmt genauer hin als andere“, sagt Mlinaric. „Aber eine solche Häufung von Warnsignalen mit zum Teil gewaltigen Ausschlägen haben wir schon lange nicht mehr gesehen.“ Dies spreche für eine deutliche Abkühlung der Weltkonjunktur bis hin zum Eintritt in eine Rezession. „Das Interessante ist ja, dass die Märkte außerhalb des Zinsmarktes diese Warnsignale nicht zu sehen scheinen. Entsprechend hoch ist das Überraschungspotenzial“, so Mlinaric.







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