News RSS-Feed

27.07.2018 Überraschende Einigung im Handelsstreit – Bedeutung für Zinsmarkt?

Die Inflationsrate in Deutschland sinkt im Juni zwar nur minimal von 2,2 auf 2,1 Prozent. Die Kerninflation, die temporäre Preisveränderungen außer Acht lässt und daher als Grundlage für geldpolitische Entscheidungen dient, verzeichnet allerdings einen stärkeren Rückgang: Sie fällt in Deutschland von 1,7 Prozent im Mai auf 1,5 Prozent im Juni. Und: Im Euroraum ist die Kerninflation mit 1,2 Prozent noch deutlicher vom Zwei-Prozent-Ziel der EZB entfernt.

Gleichzeitig korrigierte die EU-Kommission jüngst die Wachstumsprognose nach unten – sowohl für den Euroraum als Ganzes als auch für Deutschland im Speziellen. Grund dafür war die Sorge, dass der amerikanische Protektionismus Handel und Investitionen behindern und das Wirtschaftswachstum bremsen könnte. Doch wie immer bleibt Trump unberechenbar: Nachdem er Zölle vor dem gestrigen Treffen mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker als großartig bezeichnete, ist der Handelsstreit nun erst einmal vom Tisch. Die EU und die USA wollen zukünftig Zölle auf einige Produkte sogar ganz abschaffen und insgesamt Handelshemmnisse abbauen. „Konjunkturell dürfte sich die Stimmung wieder bessern – wenn Trump nicht doch wieder zurückrudert. Die weiterhin niedrige Inflation nimmt aber dennoch den Druck von der EZB, schnell an der Zinsschraube zu drehen“, kommentiert Michael Neumann, Vorstand der Dr. Klein Privatkunden AG, die aktuellen Entwicklungen.

Die EU-Kommission sieht in ihrem Bericht die Voraussetzungen für nachhaltiges Wachstum im Euroraum zwar nach wie vor gegeben. Michael Neumann geht jedoch nicht davon aus, dass der im November 2019 scheidende EZB-Präsident Draghi als letzte Amtshandlung die erste Zinserhöhung seiner Amtszeit durchführen wird. Wahrscheinlicher sei es, dass der Leitzins auch bis Ende 2019 auf seinem Rekordtief von 0,0 Prozent bleibt.

Plötzlich beste Freunde? Das abrupte Ende des Handelskrieges

Die EU scheint selbst von der Wende des amerikanischen Präsidenten überrascht worden zu sein. Juncker dämpfte noch vor dem Treffen mit Trump die Erwartungen. Die EU suchte zuletzt nach neuen Handelspartnern in Fernost. So hatte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström Anfang des Monats die langjährigen Verhandlungen über eine Freihandelszone zwischen Japan und der Europäischen Union zu einem erfolgreichen Ende gebracht. Gemeinsam mit dem japanischen Außenminister, Fumio Kishida, erzielte sie bei einem Treffen in Brüssel eine politische Einigung zum sogenannten „Japan-EU Free Trade Agreement“, kurz JEFTA. Auch China zeigte bereits Interesse an einer engeren Zusammenarbeit mit der EU.

Es war allerdings weniger das Verhalten der EU, das Trump zu einem Umdenken bewegte, als vielmehr der wachsende innenpolitische Druck. Bereits seit Wochen regte sich Widerstand bei amerikanischen Bauern und einflussreiche republikanische Senatoren kritisierten Trumps handelspolitische Alleingänge. Am Mittwoch gaben dann auch noch die amerikanischen Autohersteller Gewinnwarnungen heraus, ihre Aktienkurse gaben nach.

Amerikanische Notenbank bleibt auf Kurs

Nachdem sich die Märkte im Vormonat noch uneins waren, ob es drei oder vier Zinsschritte in 2018 geben wird, ist dieses Rätsel nun gelöst. Im halbjährlichen Bericht, den Fed-Präsident Jerome Powell dem Kongress vorlegte, stellte die amerikanische Notenbank noch zwei weitere Zinserhöhungen in Aussicht. Die Fed führte 2018 bereits zwei Zinsschritte durch und erhöhte den Leitzins auf die aktuelle Spanne von 1,75 bis 2,0 Prozent. Damit behält die amerikanische Notenbank ihren Kurs der strafferen Geldpolitik bei – trotz der vorübergehenden Ungewissheiten durch den von Trump angezettelten Handelskonflikt. Für die nächste Fed-Sitzung am 31. Juli und 1. August wird jedoch vorerst keine geldpolitische Entscheidung erwartet.

Baufinanzierungszinsen weiter konstant, Seitwärtsbewegung am wahrscheinlichsten
„Die Inflation dämpft aktuell einen möglichen Anstieg der Bauzinsen. Trotzdem ist das Risiko steigender Zinsen weiterhin erheblich höher als die Chance auf signifikant fallende Zinsen“, fasst Michael Neumann die Marktlage zusammen. In den nächsten Wochen erwartet er eine Seitwärtsbewegung. Der Bestzins für zehnjährige Hypothekendarlehen liegt aktuell bei 1,13 Prozent. Auch die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe ist mit 0,34 Prozent weit entfernt von ihrem Hochstand zu Jahresbeginn von 0,76 Prozent.








Leserumfrage
Wir schätzen Ihre Expertenmeinung!
Hier ist unsere Leserumfrage:
schnell & unkompliziert
Jetzt starten!