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11.11.2016 Bedeuten die US-Wahlen „Brexit plus, plus, plus“?

Trump selbst hatte schon im Wahlkampf den Tag nach den Wahlen als überdimensionierten Brexit („Beyond Brexit“, „Brexit times 10“) bezeichnet. Tatsächlich stellt sich die Frage nach einer Vergleichbarkeit beider Ereignisse, wenn man am Tag Null versucht, das Wahlergebnis aus Sicht des deutschen Immobilienmarktes auf seine Auswirkungen hin einzuordnen.

Das Ergebnis der US-Wahlen mit dem Unternehmer Donald Trump als 45. Präsident der Vereinigten Staaten kam angesichts der deutlich knapperen Umfrageergebnisse nicht ganz so unerwartet wie der Ausgang des britischen Referendums. Auch hatte die Fehleinschätzung der Demoskopen im April für eine vorsichtigere Haltung gegenüber Meinungsumfragen gesorgt. Der Schock und die allgemeine Verunsicherung über das tatsächliche Ergebnis sind jedoch spürbar größer als nach dem Beschluss Großbritanniens, aus der EU auszutreten.

So ist das wirtschaftliche und politische Gewicht der Weltmacht USA anders zu bewerten als das Großbritanniens. Allein am Bruttoinlandsprodukt des Jahres 2015 gemessen, nahmen die USA mit 19 Billionen USD weltweit Position 1 ein, während Großbritannien mit 3 Billionen USD an Position 5 lag. Zudem stimmten die US-Bürger nicht nur über eine Neuausrichtung einer Wirtschafts- und Handelspolitik mit starker Binnenorientierung und Einwanderungsbegrenzung ab. Der angekündigte radikale Richtungswechsel bei außen- sowie gesellschaftspolitischen Fragen wird die USA speziell auch für ausländische Investoren zu einem schwer einzuschätzenden Partnerland machen. Das alles wird zu Verunsicherungen ganz anderen Ausmaßes als im Fall der Brexit-Entscheidung führen und die Folgen unvorhersehbarer machen.

Die Immobilienwirtschaft tangierende Inhalte standen nicht im Fokus des Wahlprogrammes – auch wenn dies die berufliche Nähe des Kandidaten zu der Branche hätte vermuten lassen. Konkrete Beschlüsse in diese Richtung werden auf sich warten lassen, bis das politische Tagesgeschäft der neuen Regierung aufgenommen wird. Ignaz Trombello MRICS, Head of Investment Deutschland bei Colliers International: „Auswirkungen auf die Immobilienmärkte werden zum jetzigen Zeitpunkt vor allem mittelfristig durch eine wirtschaftliche Schwächung des Landes aufgrund von neuem Protektionismus, nachlassender Wettbewerbsfähigkeit und schuldenfinanzierten Steuersenkungen erwartet. In der Folge könnten die USA den nach Überwindung der Immobilienkrise ausgebauten Status als sicheren Investmenthafen relativ rasch einbüßen. Zusätzlich besteht die Gefahr, dass potenzielle Investoren an der politischen und rechtlichen Stabilität des Landes zweifeln, wenn es Trump nicht gelänge, seine im Wahlkampf mehrfach gezeigte Unbeständigkeit abzulegen und die gesellschaftlichen Spannungen des Landes in den Griff zu bekommen.“

Mit dem Wegfall liquider US-amerikanischer Investmentstandorte verteile sich dann der Anlagedruck global agierender Investoren auf eine zunehmend geringer werdende Zahl struktur- und wirtschaftsstarker Industrieländer. Der am Tag vor der Wahl bekanntgegebene Kauf des in Deutschland gelegenen Officefirst-Portfolios für 3,3 Milliarden Euro durch den amerikanischen Investor Blackstone lässt durchaus vermuten, schwebende Unsicherheit über den Ausgang der Wahlen in Kombination mit dem bevorstehenden zunehmendem Wettbewerb um bereits knappe Premiumobjekte habe zu dem Megadeal zum jetzigen Zeitpunkt geführt.

Trombello: „Sicher werden globale Investoren, die sich bezüglich ihrer Diversifikationsstrategie langfristig für Nordamerika entschieden haben, ihre Kapitalströme nicht sofort Richtung Europa und Deutschland umlenken. Hier wird Kanada mit seinen etablierten Investmentzentren an Bedeutung hinzugewinnen, selbst wenn dort bereits hoher Anlagedruck mit Produktmangel und hohen Kaufpreisen besteht. Darin sind weitere Parallelen zum bevorstehenden Brexit zu beobachten, wo Deutschland als benachbarter europäischer Kernmarkt und damit als Anlagealternative zu Großbritannien wahrgenommen wird.“

Neben den direkten, tendenziell positiven Auswirkungen einer Präsidentschaft Trump auf den deutschen Immobilieninvestmentmarkt dürfen die indirekten, eher negativen Aspekte längerfristig schwerwiegender sein. „Käme es zu einer Verschlechterung der Handelsbeziehungen mit den USA, Deutschlands wichtigstem Exportpartner, und der Einführung von Zöllen im Zuge verstärkten Protektionismus, hätten die Schwächung der heimischen Wirtschaft und des Arbeitsmarktes nachhaltig negative Einflüsse auf den deutschen Immobiliensektor“, so Trombello abschließend.




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