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28.04.2016 Sell in May and go away – Was taugt die Börsenweisheit 2016?

Der Mai steht vor der Tür und damit für Anleger die Frage, ob sie der Börsenweisheit „Sell in May and go away, but remember to come back in September“ in diesem Jahr folgen sollten. Historisch gesehen schneidet der Aktienmarkt in den Sommermonaten im Durchschnitt tatsächlich schwächer ab als im Rest des Jahres. Doch wie verhält es sich 2016?

Welche Risiken und Chancen bestehen aktuell am Aktienmarkt? Ist es sinnvoll über die Sommermonate die Aktienbestände in andere Asset-Klassen umzuschichten? Sollten sich Anleger überhaupt an Börsenweisheiten orientieren? Welche Bedeutung haben solche Empfehlungen für den langfristigen Vermögensaufbau?
Nachstehend lesen Sie Antworten von Vermögensverwaltern und Anlageexperten.

„Mai-Verkäufer könnten herbe Enttäuschung erleben“
Philipp Dobbert, Chefvolkswirt der quirin bank AG:
„Die Anhänger der Börsenweisheit „Sell in May and go away“ könnten in diesem Jahr erneut eine herbe Enttäuschung erleben. Denn nach wie vor ist das dominierende Thema an den Aktienmärkten die Notenbankpolitik und damit zusammenhängend das Niedrig- bzw. Niedrigstzinsumfeld.

Bundesanleihen beispielsweise rentieren aktuell bis in die neunjährige Laufzeit hinein negativ. Vor dieser „Welt ohne Zinsen“ flüchten viele – auch professionelle – Anleger vor allem in die Aktie und treiben damit die Kurse. Da die EZB diese geldpolitische Haltung aktuell noch einmal deutlich verstärkt hat, könnte sich im Bereich der Aktien wieder ein Aufwärtstrend – unter Schwankungen – etablieren. Mai-Verkäufer wären die Leidtragenden.

Aber natürlich sind auch Risiken denkbar, etwa im Hinblick auf die nach wie vor nicht vollständig robuste Weltkonjunktur. Hier wird deutlich: für den strategischen und planbaren Vermögensaufbau eignen sich Börsenweisheiten rund um die vermeintlich „richtigen“ Ein- und Ausstiegszeitpunkte nicht.

Viel entscheidender ist eine langfristig ausgelegte, an die eigene Risikotragfähigkeit und Renditeerwartung angepasste, breit diversifizierte Investition in die internationalen Aktien- und Anleihemärkte. Die prognosefreie Ausnutzung systematischer Renditetreiber bei gleichzeitig disziplinierter Schwankungsbegrenzung durch Rebalancings ist maßgeblichen Studien der Kapitalmarktforschung zufolge der überlegene Weg – fernab von Börsenweisheiten und anderen „todsicheren“ Renditequellen.“

„Risiken á la Brexit nicht vergessen“
Robert Greil, Chefstratege Merck Finck & Co, Privatbankiers:
„Nachdem der DAX in seinem historisch betrachtet zweitstärkste Monat, nämlich April, dieses Mal bärenstark war, müsste er eigentlich in seinem zweitschlechtesten Monat, dem Mai, wieder Federn lassen.

Tatsächlich spricht derzeit einiges dafür: Nach der jüngsten Rallye sind die zumeist bereits ambitioniert bewerteten Aktienmärkte etwas „überkauft“, wir nähern uns charttechnischen Widerständen in vielen Indizes und wir dürfen auch Risiken á la Brexit nicht vergessen. Andererseits sind Rezessionsängste größtenteils verflogen und die Deflationsängste nehmen dank stabilerer Makrodaten und Rohstoffpreise ab. Auch China sieht wieder besser aus.

Nicht zuletzt erwarten wir gerade in Euroland eine weiterhin solide Quartalssaison auf Unternehmensseite. Wir sehen daher den DAX im Mai erst einmal stabiler als dies die alte Börsenregel nahelegt. Mit zunehmendem Monatsverlauf dürften aber Spekulationen über Ereignisse im Juni die Märkte belasten: Hier sind vor allem eine mögliche US-Leitzinsanhebung bei der Fed-Sitzung am 15. Juni und das Brexit-Referendum am 23. Juni zu nennen.“

„Anstatt blind Börsenweisheiten zu folgen, sollten Anleger lieber auf die Faktenlage schauen“
Marcel de Gavarelli, Investment Manager der Laureus AG Privat Finanz:
„Die "Sell in May-Weisheit" basiert in erster Linie darauf, dass Anleger in den ersten Börsenmonaten des Jahres bereits Gewinne aufgebaut haben und diese dann vor dem Sommerloch mitnehmen möchten. Aktuell hätte ein Investor, der beispielsweise zum Jahresbeginn 2016 beim DAX eingestiegen ist, nicht einmal die Nullstelle erreicht. Es stellt sich also die Frage, ob überhaupt die Grundlage für ein Handeln hiernach erfüllt ist.

Anstatt blind Börsenweisheiten zu folgen, sollten Anleger deshalb lieber auf die Faktenlage schauen. In den nächsten Wochen kommen auf die Anleger eher Risiken von der (geld)politischen Seite zu. Diese sind allerdings kein zwingender Grund, das Portfolio komplett umzustrukturieren.

Aufgrund der hohen Volatilität und der Illiquidität an den Märkten sollten Investoren sicherlich auf der Hut bleiben und ihr Portfolio aktiver managen. Grundsätzlich bevorzugen wir jedoch einen mittel- bis langfristigen Anlagehorizont, weshalb wir keine Befürworter von ständigen, „großflächigen“ Umschichtungen sind.“

„Sell in May fällt dieses Jahr aus“
Allan Valentiner, Vorstandsmitglied der AMF Capital AG:
„Das Jahr 2016 ist „untypisch“, der Jahresauftakt war überraschend schlecht, von einer „Jahresauftakt-Rally“ nichts zu sehen. Die Befürchtungen über eine konjunkturelle Abschwächung in China und in anderen aufstrebenden Volkswirtschaften (Emerging Markets) drückte ebenso auf die Anlegerstimmung wie der Beginn der Zinserhöhungen in den USA und die politischen Unsicherheiten in Europa (Griechenland, Brexit, usw.). Dazu kamen die Terroranschläge in Europa, in deren Zusammenhang der europäische Aktienmarkt hinter dem US-Markt zurückblieb.

Aktuell wird allerdings deutlich, dass die Gewinnrezession in den US-Q1-Zahlen eingepreist ist und die Unternehmen insgesamt eher positiv überraschen. Der US-Arbeitsmarkt sieht sehr robust aus, die politische Situation in Europa beherrscht derzeit kaum die Schlagzeilen. Bis heute haben sich die Indexstände zwar wieder an das Jahresend-Niveau herangearbeitet, die positive wirtschaftliche Entwicklung wird bisher jedoch kaum widergegeben. Die ökonomische Situation der Unternehmen enthält somit durchaus einiges Kurs-Potenzial, die sonst so ruhigen Sommermonate sollten einen gewissen Aufhol-Effekt aufweisen.

In (Börsen-) Weisheiten spiegeln sich immer ein Körnchen Wahrheit – allerdings muss man abgleichen, worin und wann diese Weisheiten ihren Ursprung hatten. Und blind darauf zu vertrauen ist sicherlich nicht zweckmäßig: Ausnahmen gibt es von jeder Regel, das zeigt der schwache Jahresauftakt 2016 an den Aktienbörsen schmerzlich. Es könnte also sein, dass sich die traditionell schwächeren Börsenmonate in 2016 untypisch darstellen und die positive Entwicklung seit Mitte Februar fortsetzen.“

„Geldanlage sollte nicht auf Mythen basieren“
Christina Löper, Vermögensberaterin bei der Sutor Bank:
„Mythen an den Finanzmärkten gibt es viele, unter anderem die alte Börsenweisheit „Sell in May and go away.“ Aber sind pauschale Verkäufe im Mai wirklich sinnvoll? Viel wichtiger sollte die Frage sein, warum der Verkauf von einem oder mehreren Werten in Betracht kommt, und welche Alternativen es gibt. Eine sinnvolle Alternative ist sicherlich nicht, die Liquidität auf einem unverzinsten Konto liegen zu lassen.

Anstelle von alten Börsenweisheiten, die sicherlich dann und wann mal zutrafen, sollte der kluge Anleger auf ein langfristig nachhaltiges Anlagekonzept in Einklang mit seiner Lebensplanung setzen und an diesem festhalten. Investiert zu bleiben wird sich langfristig deutlich positiver sowohl auf das Nervenkostüm als auch auf den Geldbeutel auswirken. Geldanlage sollte nicht auf Mythen basieren.“



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