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22.04.2016 Wie lange spielt die EZB noch den Ausputzer für die Politik?

Mit ihrer expansiven Geldpolitik will die Europäische Zentralbank den nationalen Regierungen Luft zum Atmen verschaffen – aber auch Raum für notwendige Reformen. Nur die lassen auf sich warten. Bester Beweis dafür ist die nach wie vor steigende Gesamtverschuldung des Euroraums. Aber auch die ernsthaft geführte Diskussion über einen weiteren Schuldenerlass für Griechenland lässt die Frage aufkommen: Wie lange spielt die EZB noch den Ausputzer für die Politik?

Kein Wunder, dass bei vielen Menschen der Widerstand gegen den Euro wächst. Die Briten werden im Juni darüber abstimmen, ob sie in der Gemeinschaft bleiben – ein Paukenschlag, der auch in anderen EU-Ländern Schule machen könnte. In ganz Europa sind über die vergangenen Jahre politische Gruppierungen stark geworden, die einen Euro-Ausstieg vor Augen haben.

Vor diesem Hintergrund kann sich die EZB keine Fehler leisten. Sie täte deshalb gut daran, die aktuelle Debatte über „Helikopter-Geld“ – also Geldgeschenke an die Bürger – zu ignorieren. Die Aussage von EZB-Präsident Draghi, dass dieses radikale geldpolitische Mittel ein interessanter Vorschlag sei, kann ja auch als ein freundliches „nein, danke“ interpretiert werden.

Fakt ist: Nur ein schwacher Euro kann jetzt noch Wachstumsimpulse setzen, Inflation erzeugen und eine Verschärfung der Debatte um Negativzinsen vermeiden. Inwieweit dabei eine Ausdehnung der Anleihekäufe auf Unternehmensanleihen hilfreich ist, wird sich zeigen.

Bei den Zinsen scheint der Handlungsspielraum der EZB ausgeschöpft – bei der Währung dagegen kann Draghi noch glaubwürdig nachjustieren. Das größte Potenzial liegt aber bei den nationalen Regierungen: Diese müssen begreifen, dass sie ihren „Ausputzer EZB“ durch ihr langsames Spiel in eine immer misslichere Lage bringen. Denn auch im direkten Vergleich mit der FED liegt die EZB jetzt bereits mehrere Jahre zurück. Wenn ein volkswirtschaftlicher Normalzustand die Richtschnur ist, kann die EZB nicht viele Erfolge vorweisen.

(Marktkommentar von Dr. Otmar Lang, Chefvolkswirt der TARGOBANK)




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