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17.12.2015 Zinsentscheidung FED: Große Wende oder geldpolitisches Trostpflaster?

Es ist keine Überraschung, dass die US-Notenbank (FED) die Leitzinsen anhebt – die Finanzmärkte sind auf diesen Schritt im Prinzip schon seit fast zwei Jahren vorbereitet. Man könnte sich jetzt darüber streiten, ob die sehr kleine Zinsveränderung tatsächlich die große Wende ist – oder nur ein kleines geldpolitisches Trostpflaster für die angespannte Weltwirtschaft.
Wie geht es jetzt weiter? Drei Faktoren stehen im Fokus: die US-Inflation, die US-Konjunktur und die Weltwirtschaft.

Zuletzt zeigten die US-Verbraucherpreise nur mit einer Rate 0,5 % nach oben. Das ist weit vom Inflationsziel der FED (2 %) entfernt. Das Bild sieht anders aus, wenn die Verbraucherpreise ohne Energie und Lebensmittel betrachtet werden. Für diese Abgrenzung sind wir aktuell exakt bei 2 % angekommen. Wenn sich die Lage am US-Arbeitsmarkt weiter verbessert und insbesondere wenn die Rohstoffpreise nicht mehr nachgeben, wäre die Tendenz weiter steigend. Mit letzterem sollte allerdings erst zur Jahresmitte gerechnet werden; kurzfristig scheint also von dieser Seite noch keine größere Gefahr zu drohen.

Die US-Konjunktur kann unterschiedlich eingeschätzt werden. Der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe zeigt deutlich nach unten, der für das Dienstleistungsgewerbe ist auf einem vergleichsweise hohen Niveau stabil. In der Vergangenheit hat sich die US-Konjunktur an dem wirtschaftlich weniger gewichtigen Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe orientiert. Demnach wäre wiederum keine rasche weitere US-Zinsanhebung zu erwarten.

Der Zustand der Weltwirtschaft ist eher schwächlich. Je schwächer diese ist, umso weniger kann die FED handeln, weil sonst der US-Dollar zu stark würde. Und das würde nicht nur der US-Wirtschaft schaden. Sollte aber die Konjunktur weltweit anziehen, würden die Rohstoffpreise und Inflationserwartungen steigen; in diesem Fall müsste die FED handeln. Wir würden uns dieses Szenario wünschen, aber es erscheint unwahrscheinlich.

Vor diesem Hintergrund erwarten wir den nächsten US-Zinsschritt nicht vor Jahresmitte 2016 und möglicherweise einen dritten erst gegen Jahresende.
Welches Finanzmarktsegment wird profitieren? Möglicherweise vor allem europäische Aktien. Wenn die Amerikaner ihre Zinsen wie erwartet nur langsam anheben, kann die EZB ihre lockere Geldpolitik weiter beibehalten. Damit blieben die Zinsen noch für über ein Jahr in Europa extrem niedrig, was wiederum einem starken Euro im Wege stünde. Beides ist für europäische Aktien eher positiv zu werten. Allerdings drohen im Jahresverlauf auch in Europa viele Risiken, das größte ist ein möglicher BREXIT, aber auch die Flüchtlingskrise muss immer im Auge behalten werden.

(Kommentar von Dr. Otmar Lang, Chefvolkswirt der TARGOBANK)




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