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18.09.2014 Deutsche Wirtschaft nach Dämpfer weiter auf Wachstumskurs

Die deutsche Wirtschaft setzt ihren moderaten Aufschwung nach einer vorübergehenden Eintrübung fort. In diesem Jahr wird das Bruttoinlandsprodukt wohl um 1,5 Prozent steigen, im kommenden Jahr dürfte das Wachstum bei 1,8 Prozent liegen. Das geht aus den Herbstgrundlinien des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hervor. Ein wichtiges Fundament der deutschen Konjunktur ist die Konsumnachfrage, die sich auf eine anhaltend gute Arbeitsmarktlage und kräftige Lohnsteigerungen stützen kann. Auch die Realeinkommen steigen merklich. Die deutsche Wirtschaft dürfte zunächst aber nur wenig Fahrt aufnehmen, weil sich die Weltkonjunktur verhalten entwickelt und die Konjunktur im Euroraum auf der Stelle tritt. Hinzu kommt die Unsicherheit aufgrund der Ukrainekrise, die den Außenhandel und die Investitionen dämpft. Wenn sich die hohe Unsicherheit infolge der geopolitischen Krisen ab der Jahreswende auflöst, dürften die Unternehmen im weiteren Prognosezeitraum wieder mehr investieren. Die Lage der öffentlichen Haushalte bleibt derweil gut. Sowohl 2014 als auch 2015 wird der Überschuss bei 0,3 Prozent in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt liegen, trotz deutlich steigender Ausgaben.

Erholung der Wirtschaft im Euroraum ist zum Stillstand gekommen

Die Weltwirtschaft hat sich in der ersten Jahreshälfte 2014 etwas abgekühlt, das Wachstum war deutlich geringer als im Jahresverlauf 2013. Vor allem in den Schwellenländern verlangsamte sich das Expansionstempo bis zuletzt weiter, nur in China nicht. Während die russische Wirtschaft – auch infolge der Verunsicherung infolge der Ukrainekrise – stagnierte, rutschte Brasilien sogar in die Rezession. Unter den Industrieländern haben die USA aktuell wieder die Rolle der Lokmotive übernommen: Im zweiten Quartal ist das Bruttoinlandsprodukt um 4,2 Prozent gestiegen. Das kräftige Wachstum der US-Wirtschaft dürfte im weiteren Jahresverlauf und auch im kommenden Jahr anhalten, wenn auch mit leicht abnehmenden Raten. Sorgenkind ist nach wie vor Japan, wo die Wirtschaft mit geringen Wachstumsraten weiterhin kaum Fahrt aufnimmt.

Nur schwer in die Gänge kommt auch der Euroraum: Die Erholung der Wirtschaft hat sich im zweiten Quartal nicht fortgesetzt. Zwar sind die Exporte und auch die Konsumausgaben gestiegen, allerdings weisen Stimmungsindikatoren darauf hin, dass sich dies nicht fortsetzen dürfte. Die Investitionen sind bereits gesunken und die Auftragslage bei den Unternehmen deutet auf eine weitere Verschlechterung hin. Zwar scheinen die Reformen in den Krisenländern Spanien, Portugal und Irland allmählich erste Früchte zu tragen; dennoch wird die Wirtschaft im Euroraum den Berechnungen des DIW Berlin zufolge in diesem Jahr nur um 0,7 Prozent und im kommenden Jahr um 1,1 Prozent wachsen – vor allem, weil wirtschaftlich bedeutende Länder wie Frankreich und Italien weiter auf der Stelle treten dürften.

Lage auf dem Arbeitsmarkt bleibt gut

Nach dem schwachen zweiten Quartal ist die deutsche Wirtschaft wieder auf einen – wenn auch moderaten – Aufwärtskurs eingeschwenkt. Zwar verliert der Beschäftigungsaufbau etwas an Schwung, dennoch dürften im laufenden Jahr 330.000 und im kommenden Jahr 120.000 neue Stellen besetzt werden. Die Arbeitslosigkeit wird in diesem Jahr auf durchschnittlich 2,91 Millionen Personen sinken. Im nächsten Jahr wird der Beschäftigungsaufbau wohl nicht mehr ausreichen, um den Anstieg der Erwerbspersonenzahl zu kompensieren – obwohl mit der Einführung der „Rente mit 63“ das Erwerbspersonenpotential zurückgeht. Die Arbeitslosenzahl wird dann leicht auf 3,06 Millionen Personen steigen und die Arbeitslosenquote mit sieben Prozent um 0,3 Prozentpunkte höher liegen als noch in diesem Jahr. Die insgesamt positive Situation auf dem Arbeitsmarkt stützt die private Konsumnachfrage in Deutschland, zumal die Reallöhne kräftig steigen. Allerdings ist die niedrige Inflationsrate in Deutschland ein Risikofaktor, da fallende Preise die Konsum- und Investitionsnachfrage schwächen könnten.

Die Exporttätigkeit ist zuletzt zwar weiter gestiegen, wird aber zunehmend von der Ukrainekrise belastet. Das DIW Berlin nimmt für seine Prognose an, dass die Verunsicherung im Zusammenhang mit den geopolitischen Krisen bis zum Jahresende anhält. Die Ausfuhren werden daher im vierten Quartal schwächer expandieren. Wenn die Unsicherheit nach dem Jahreswechsel an Bedeutung verliert, wird die Exportdynamik wieder anziehen – auch, weil die Investitionen dann wieder kräftig zunehmen dürften. Diese waren zuletzt ebenfalls schwächer; die Unternehmen investierten im zweiten Quartal 1,6 Prozent weniger in Ausrüstungen als noch im ersten Vierteljahr. Bei weiterhin günstigen Rahmenbedingungen – dazu zählen auch die niedrigen Zinsen – werden die Ausrüstungsinvestitionen im laufenden Jahr wohl dennoch um knapp vier Prozent steigen. Bei nachlassender Unsicherheit dürften sie im Jahr 2015 um rund sieben Prozent zulegen.

Öffentliche Haushalte trotz steigender Ausgaben mit Überschüssen

Die Lage der öffentlichen Haushalte hat sich in den vergangenen Jahren stetig verbessert und ist insgesamt gut, dürfte sich fortan aber nicht weiter aufhellen. Zwar hinterlässt die kurze Schwächephase der wirtschaftlichen Entwicklung kaum Spuren bei den Steuereinnahmen; vor allem die Lohnsteuereinnahmen steigen aufgrund der zunehmenden Beschäftigung und steigenden Löhne. Gleichwohl werden die Steuereinnahmen wohl insgesamt weniger expandieren als noch im vergangenen Jahr. Die Ausgaben des Staates legen im Prognosezeitraum kräftig zu: So haben Bund und Kommunen für ihre Beschäftigten spürbare Lohnanhebungen vereinbart. Die sozialen Sachleistungen werden vor allem im Gesundheitsbereich deutlich steigen, ebenso wie die monetären Sozialleistungen aufgrund der „Rente mit 63“ und der Mütterrente sowie der steigenden Arbeitslosenzahl. Alles in allem dürfte der öffentliche Gesamthaushalt in beiden Jahren mit einem Überschuss von 0,3 Prozent in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt abschließen. Während die Gebietskörperschaften ihre Finanzlage dabei weiter verbessern können, rutschen die Sozialversicherungen nach und nach ins Minus.
KURZ GESAGT
Marcel Fratzscher (Präsident des DIW Berlin): „Die Wirtschaft im Euroraum ist fragil und auch Deutschland ist vor Rückschlägen nicht gefeit, wie der Dämpfer im zweiten Quartal gezeigt hat. Die Risiken sind enorm, denn die Konjunktur im Euroraum läuft nach wie vor schleppend. Wenn die Wirtschaft im Euroraum nicht bald stärker wächst oder sich die Krise sogar wieder zuspitzt, wird sich Deutschland dem nicht entziehen können. Auch die Risiken fallender Preise sind für Deutschland bereits heute gravierend.“

Ferdinand Fichtner (Leiter der Abteilung Konjunkturpolitik): „Die letzten Zahlen für die deutsche Wirtschaft waren gut, aber nach dem schwachen zweiten Quartal ist es nicht ungewöhnlich, dass das dritte Quartal wieder etwas kräftiger ist. Zwar ist der Aufschwung grundsätzlich intakt, allerdings dürfen die Risiken nicht außer Acht gelassen werden. Die Ukrainekrise hat das Potential, die Konjunktur in Deutschland nachhaltig zu schwächen, wenn die Unsicherheit nicht ab der Jahreswende zurückgeht. Das gilt vor allem auch deshalb, weil der Euroraum als wichtigster Absatzmarkt nur schwach wächst.“

Simon Junker (Deutschlandexperte): „Der private Konsum ist weiterhin eine wichtige Stütze der deutschen Wirtschaft. Zwar wird die Arbeitslosenzahl im kommenden Jahr leicht steigen, dennoch nimmt die Beschäftigung weiter zu. Weil die Löhne kräftig zulegen, lassen die Konsumenten die Kassen auch weiterhin klingeln. Wenn die Unsicherheit im Zusammenhang mit den geopolitischen Spannungen wieder nachlässt, dürften auch die Exporteure wieder mehr vom Aufschwung erfahren.“

Kristina van Deuverden (Finanzexpertin): „Die öffentlichen Haushalte stehen insgesamt gut da. Allerdings wird sich die positive Entwicklung der vergangenen Jahre nicht eins zu eins fortsetzen. Zwar verbessert sich die Finanzlage bei den Gebietskörperschaften, bei den Sozialversicherungen spannt sie sich aber nach und nach an. Unter anderem die Rente mit 63 und die Mütterrente, aber auch zunehmende Transfers aufgrund der steigenden Arbeitslosenzahl belasten. Die deutlichen Ausgabensteigerungen des Staates dürfen und können nicht zur Routine werden.“



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