News RSS-Feed

16.07.2014 Experten fordern Systemwandel in der Maklerbranche

Politik und Digitalisierung stellen Immobilienmakler vor neue Herausforderungen. Wie müssen sich Makler in Zukunft aufstellen und was können sie vom Ausland lernen? Die Experten Björn Dahler von Dahler & Company, Martin Eberhardt FRICS, Vorstandsvorsitzender der RICS Deutschland und Marc Stilke, CEO von ImmobilienScout24, diskutierten im Pressegespräch über die Zukunft der Maklerbranche. Dazu hatte Björn Dahler in den Hauptsitz des Maklerunternehmens in die Hamburger HafenCity geladen. Fazit: Um positive Veränderungen durchzusetzen gilt es, Transparenz und Professionalisierung zu fördern sowie ein nachhaltiges Umdenken in der Branche anzustoßen. Vorbilder könnten die angelsächsischen Systeme sein.

Was bringt das Bestellerprinzip?

Die große Koalition hat die Einführung des Bestellerprinzips für 2015 beschlossen. Die Regelung besagt, dass der Auftraggeber eines Maklers die Courtage trägt und diese nicht mehr so wie bisher rein auf den Suchkunden fällt.

Martin Eberhardt: International ist das Bestellerprinzip bzw. die klare Interessenvertretung einer Seite bereits etabliert und auch in Deutschland ist die Begleitung durch einen Transaktionsberater auf B2B-Ebene Usus. Auch auf der Verbraucherebene würde ich diese Entwicklung begrüßen. Es muss klar sein, in wessen Auftrag ein Makler agiert. Derzeit zahlt ausschließlich der Suchkunde, obwohl der Makler in den meisten Fällen vom Vermieter oder Verkäufer bestellt wird. Ein Interessenkonflikt ist programmiert. Das Bestellerprinzip soll für Klarheit sorgen. Somit zahlt es nicht nur auf professionelle Standards ein sondern auch auf ethische Normen.

Björn Dahler: Den Grundsatz des Bestellerprinzips finde ich gut. Dennoch frage ich mich, ob die Einführung in Gestalt einer gesetzlichen Regelung nötig und richtig ist und eine Änderung zum angestrebten Ziel nach sich zieht. Die Motivation für dieses Gesetz besteht darin, Geringverdienern den Zugang zu Wohnraum zu erleichtern, die sich keine zweifache Monatsmiete als Courtage leisten können. Aber die Gruppe, die geschützt werden soll, wird auch in Zukunft nicht leichter an die Wohnungen gelangen, weil Vermieter ihre Entscheidung aufgrund der Bonität treffen. Die angespannte Lage im Wohnungsmarkt kann nur durch Neubauten gelöst werden. Meines Erachtens sollte die Maklerbranche darüber nachdenken, wie ein faires und nachhaltiges Vergütungsmodell aussehen könnte.

Brauchen wir angesichts der Onlineportale überhaupt noch Makler?

Marc Stilke: ImmobilienScout24 wird den Makler nicht ersetzen. Denn für die professionelle Vermarktung von Immobilien sind das Know-how und die Expertise von regionalen Experten gefragt, die den lokalen Markt sehr gut kennen und ihre Kunden individuell beraten. Wir als Immobilienportal sorgen hingegen für Transparenz und machen so Transaktionen und digitales Marketing effizienter. Unsere Stärken liegen in der Entwicklung neuer digitaler Services, nicht im lokalen Vor-Ort-Geschäft.

Björn Dahler: Wir als Makler vor Ort müssen mehr leisten als es ein Portal kann. Wir kennen den Mikromarkt bis ins Detail und können mit unserer Expertise und unserem Service tiefer schürfen. Wir übernehmen die spezifische Objektbewertung, stehen unseren Kunden in allen Transaktions-Belangen beratend zur Seite und übernehmen auf Wunsch auch die Umzugsorganisation und weitere Services. Nur mit diesen Zusatzleistungen können wir unsere Existenzberechtigung bewahren und das ist es auch, was einen Qualitäts- von einem reinen Nachweismakler unterscheidet. Ich bin mir sicher, dass letztere langsam aber sicher zu einer aussterbenden Spezies gehören.

Martin Eberhardt: Die Frage ist doch, was der Kunde will. Er sucht ein neues Eigenheim oder eine Mietwohnung. Das Vehikel ist dabei weniger wichtig. Der Makler wird bleiben, wenn er sich zum Berater wandelt, echten Mehrwert bietet und den Kunden durch die komplexen Unwägbarkeiten eines Hauskaufs intensiv begleitet. Um nur ein Beispiel aus der Immobilienbewertung zu nennen: Der Preis definiert sich nicht nur über die Lage in einem Stadtteil – auch innerhalb eines Straßenabschnitts kann dieser variieren. Ist das Dach gemacht, wie fällt das Licht in die Fenster? Die Faktoren sind vielfältig und es gibt keine allgemeingültigen Standards für die Wertermittlung von Immobilien.

Wie kann die Qualität in der Maklerbranche gewährleistet werden?

Björn Dahler: Im B2B-Bereich, wenn es um Gewerbeimmobilien geht, haben sich längst internationale Standards durchgesetzt. Im B2C-Segment der Wohnimmobilien gibt es immer noch viele schwarze Schafe bzw. bloße Nachweismakler. Die Branche leidet unter der Tatsache, dass es keine Zulassungsbeschränkungen gibt. Diese sind jedoch notwendig, um Qualität zu gewährleisten.

Marc Stilke: In Singapur wurde ein Sach- und Fachkundenachweis eingeführt. Dieser muss alle zwei Jahre erbracht werden. Dadurch sank die Zahl der Makler; nur die guten Dienstleister blieben am Markt und die Qualität stieg.

Martin Eberhardt: Es gibt viele Werkzeuge, welche die Qualität verbessern und gewährleisten können. Dazu gehören zum Beispiel Ausbildungsstandards und Fachkundenachweise, die sich sehr positiv auf die Beratungsqualität auswirken. Obwohl wir diese in Deutschland noch nicht haben, wandelt sich das Bild. Die Einführung erster Studiengänge im Bereich Immobilienwirtschaft in den 1990er Jahren hat dazu beigetragen. In Großbritannien ist die akademische Tradition allerdings viel stärker verwurzelt. Hier wurden über Generationen Top-Leute ausgebildet.

Bezogen auf den Standort Hamburg zeigt sich, dass dieser in Deutschland am besten qualifiziert ist. Hamburg ist eine Maklerstadt, sei es Schiffsmakler, Versicherungsmakler oder eben auch Immobilienmakler. Traditionsreiche Maklerhäuser haben sich einen guten Namen gemacht. Diese Häuser bleiben bestehen, weil sie ehrlich und seriös arbeiten.

Ist das System in Deutschland verbraucherfreundlich und wie kann eine Veränderung aussehen?

Björn Dahler: Ich befürworte das nordamerikanische System (Multiple Listing System). Dort gibt es eine Listung aller Objekte auf einem Portal, das nur Maklern zugänglich ist. Wer einen Interessenten hat, sucht dort nach passenden Objekten. Das ist sehr verbraucherfreundlich, denn der Kunde muss nur mit einem Makler seiner Wahl sprechen. Wenn ich in Deutschland ein Haus suche, muss ich mich bei zahlreichen Maklern melden, die die jeweiligen Objekte betreuen. In Deutschland machen alle die Schotten dicht – und der Verbraucher ist der Leidtragende.

Ist Deutschland bereit für einen Systemwandel?

Björn Dahler: Um das Fortbestehen der Maklerbranche zu sichern, ist der Systemwandel hin zu mehr Transparenz und Verbraucherfreundlichkeit zwingend erforderlich. Wichtig ist allerdings, dass Veränderungen für die gesamte Branche gelten. Wenn es gelingen soll, ein Multiple Listing System in Deutschland einzuführen, ist der IVD gefragt, das Heft in die Hand zu nehmen. Offene Modelle, die nur einen Teilmarkt betreffen, sind aufgrund des vorherrschenden Konkurrenzdenkens zum Scheitern verurteilt. So konnte sich beispielsweise schon in den 1990ern das Modell der Hamburger Immobilienbörse nicht durchsetzen.

Die deutsche Mentalität ist in Bezug auf Transparenz zwiespältig: Die Städte erheben in den Gutachterausschüssen umfangreiche Daten zu Immobilienpreisen und –verkaufszahlen. Diese werden jedoch nicht umfassend ausgewertet, geschweige denn herausgegeben. Da stellt sich die Frage, wozu es diese Erhebungen gibt, wenn der Zugriff darauf erschwert wird. Wenn die öffentliche Hand die Auswertung wegen Personalmangels nicht leisten kann, sollte diese Aufgabe abgegeben werden, um Maklerunternehmen wichtige Erkenntnisse zugänglich zu machen.

Marc Stilke: Mehr Transparenz ist auch in unserem Sinne. Wir werten bei ImmobilienScout24 schon seit Jahren unsere Angebotsdaten gezielt aus und veröffentlichen Vergleichspreise als Richtwerte in den Exposés. Damit sorgen wir für mehr Augenhöhe zwischen Anbietern und Nachfragern. Obgleich einige unserer Maklerkunden davon weniger begeistert sind, ist der Ansatz, mehr Informationen über Transaktionen öffentlich zu machen, richtig.

Martin Eberhardt: Im Fazit ist ein kurzfristiges Umdenken der Branche leider nicht absehbar, obwohl ein offenes System für alle Beteiligten - ob Makler, Käufer oder Verkäufer - Vorteile hat.

Der Ruf des Maklers ist seit jeher negativ behaftet – zeichnet sich eine Verbesserung ab?

Marc Stilke: Durch Bewertungen im Internet steigt der Druck für Makler. Dadurch hat sich die Qualität in den letzten Jahren verbessert. Durch die angespannte Marktsituation ist der Ruf der Zunft gleichzeitig jedoch schlechter geworden. Das empfundene Preis-Leistungs-Verhältnis befindet sich in Schieflage. Diese Entwicklung trifft allerdings für Makler aller Bereiche zu.

Martin Eberhardt: Das Qualitätslevel wird sich durch die Ausbildungsangebote an Universitäten verbessern, davon profitiert letztlich der Ruf des Maklers. Auch das Bestellerprinzip wird einen positiven Einfluss haben, wenn Kunden die Verteilung der Courtage nicht mehr als ungerecht empfinden.



Leserumfrage
Wir schätzen Ihre Expertenmeinung!
Hier ist unsere Leserumfrage:
schnell & unkompliziert
Jetzt starten!