14.06.2024 Bundesfinanzhof zweifelt an Rechtmäßigkeit der Grundsteuerreform
Aengevelt Immobilien empfiehlt Grundeigentümern, ihre Grundsteuerbescheide im Hinblick auf Anfechtungsaussicht zu überprüfen, insbesondere wenn Umstände dafürsprechen, dass der Verkehrswert ihres Grundstücks unterhalb des Bodenrichtwertes liegt.
Hintergrund: Mit seinem Beschluss vom 27. Mai 2024 (Az. II B 79/23) hat der Bundesfinanzhof (BFH) Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der typisierenden und pauschalisierenden Grundsteuerermittlung erkennen lassen, wie sie im Rahmen der Grundsteuerreform in allen Bundesländern eingeführt worden ist. Der Ausschluss einer niedrigeren Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen widerspreche dem Übermaßverbot, das aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt, der ein Element des verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzips ist.
Bei dem Urteil ging es zwar lediglich um die Aussetzung der Vollziehung eines Grundsteuerbescheids. Aber der BFH entschied, dass die Aussetzung zu gewähren sei, weil erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Grundsteuerwertfeststellung nach dem novellierten Bewertungsgesetz bestehen.
Konkret ging es um die Bewertung eines Grundstücks, das wegen seiner Lage in zweiter Reihe, der Erschließung über einen Privatweg und der Topographie (Hanglage) nur eingeschränkt nutzbar ist, so dass der gemeine Wert deutlich unterhalb des Bodenrichtwertes liegt, der bei der Grundsteuerwertfeststellung zugrunde gelegt wird. Das Finanzamt argumentierte, dass es sich bei der Grundsteuerwertfeststellung um ein typisierendes Verfahren auf der Basis von Bodenrichtwerten handele und damit eine individuelle Wertermittlung nicht zulasse.
Der Bundesfinanzhof ließ in seinem Urteil erkennen, dass solche typisierenden und pauschalisierenden Verfahren zwar grundsätzlich zulässig sind, dass individuelle Bewertungen indessen gleichwohl erforderlich sind, wenn der lediglich pauschalisiert ermittelte Wert (in diesem Fall der Bodenrichtwert) um mehr als 40 % über dem tatsächlich nachgewiesenen gemeinen Wert liegt. Für solche Fälle sieht § 163 Abgabenordnung eine abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen vor. Die Anwendung dieser Regelung ist aber nach § 220 Bewertungsgesetz ausdrücklich ausgeschlossen. Dies kann dazu führen, dass bei der Grundsteuerwertfeststellung ein Bodenrichtwert verwendet wird, der weit über dem Verkehrswert des jeweiligen Grundstücks liegt. In solchen Fällen liegt dann ein Verstoß gegen das Übermaßverbot vor, das aus dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Ab. 3 Grundgesetz folgt.
Daraus lässt sich folgern, dass § 220 Bewertungsgesetz, der eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen ausschließt, dem Rechtsstaatsprinzip widerspricht und mithin verfassungswidrig ist. Das Bewertungsgesetz liegt aber der Grundsteuerreform in allen Bundesländern zugrunde. Die typisierende Verwendung des Bodenrichtwerts und der gleichzeitige Ausschluss einer gebotenen individuellen Bewertung sind aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung vorgenommen worden, können indessen im Individualfall zu Ungerechtigkeiten bei der Besteuerung führen.
Aengevelt empfiehlt deshalb allen Eigentümern zu prüfen, ob der Bodenrichtwert deutlich, d.h. um mehr als 40 %, den Verkehrswert ihres Grundstücks übersteigt. Individuelle Faktoren, die den Verkehrswert mindern, können sich aus Besonderheiten der Lage, der Topographie, der Erschließung, der baurechtlichen Zulässigkeit (insbesondere GRZ, GFZ, Baugrenzen, besondere Auflagen), des Baugrunds (z.B. Altlasten), der Nachbarschaft, aufgrund von besonderen Immissionen, Hochwassergefahren oder sonstigen Besonderheiten ergeben. In diesen Fällen rät Aengevelt dazu, die Grundsteuerwertfeststellung anzufechten.
Dr. Wulff Aengevelt, geschäftsführender Gesellschafter von Aengevelt Immobilien: „Die Grundsteuerreform sollte die Grundsteuer gerechter machen. Der Gesetzgeber hat jedoch das Gegenteil erreicht, wenn er diejenigen übermäßig belastet, deren Grundstücke wertmindernde Besonderheiten aufweisen. Der Bundesfinanzhof hat nun festgestellt, dass das Bewertungsgesetz verfassungswidrig ist, weil es den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt. Wir empfehlen deshalb, die Grundsteuerwertbescheide zu prüfen und bei Vorliegen der vom BFH angeführten Kriterien anzufechten, wenn sie auf unrealistischen (zu hohen) Bodenrichtwerten oder anderen pauschalisierenden Bewertungen beruhen.“
Aengevelt verweist darauf, dass Bodenrichtwerte aus vielfältigen Ableitungen gebildet werden, die aus völlig unterschiedlichen Fallzahlen höchst individueller und damit nur eingeschränkt vergleichbarer Zahl von Transaktionen gebildet werden. Zudem ist Fakt, dass bei vielen Immobilientransaktionen Grundstückswert und Gebäudewert nicht zuverlässig ermittelt und dann prüfbar getrennt ausgewiesen werden. Gerade im Bereich von Bürovierteln und Handelsimmobilien finden sich häufig markant unterschiedliche Bodenrichtwerte, die von den Gutachterausschüssen aus einzelnen, für zuverlässige Ableitungen indessen zu wenigen Transaktionen ermittelt worden sind, die durch vielfältige Besonderheiten gekennzeichnet sein können. Zudem erfolgen die Fortschreibungen der Bodenrichtwerte nur im Rhythmus auf den 1. Januar eines Jahres aus dem gesamten Vorjahr und sind aufgrund dieses Timelags in vielen Fällen insbesondere in volatilen Märkten unzureichend aktuell, Beispielsweise wirkt sich der bundesweite Wegfall von Handelsimmobilien bereits mit Ankündigung der Schließung auf Kauf- und Mietpreisniveaus aus, wird aber im laufenden Jahr gar nicht mehr für die Veränderung des Bodenrichtwertes herangezogen, sondern erst zum nächsten Jahresersten.
Hintergrund: Mit seinem Beschluss vom 27. Mai 2024 (Az. II B 79/23) hat der Bundesfinanzhof (BFH) Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der typisierenden und pauschalisierenden Grundsteuerermittlung erkennen lassen, wie sie im Rahmen der Grundsteuerreform in allen Bundesländern eingeführt worden ist. Der Ausschluss einer niedrigeren Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen widerspreche dem Übermaßverbot, das aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt, der ein Element des verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzips ist.
Bei dem Urteil ging es zwar lediglich um die Aussetzung der Vollziehung eines Grundsteuerbescheids. Aber der BFH entschied, dass die Aussetzung zu gewähren sei, weil erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Grundsteuerwertfeststellung nach dem novellierten Bewertungsgesetz bestehen.
Konkret ging es um die Bewertung eines Grundstücks, das wegen seiner Lage in zweiter Reihe, der Erschließung über einen Privatweg und der Topographie (Hanglage) nur eingeschränkt nutzbar ist, so dass der gemeine Wert deutlich unterhalb des Bodenrichtwertes liegt, der bei der Grundsteuerwertfeststellung zugrunde gelegt wird. Das Finanzamt argumentierte, dass es sich bei der Grundsteuerwertfeststellung um ein typisierendes Verfahren auf der Basis von Bodenrichtwerten handele und damit eine individuelle Wertermittlung nicht zulasse.
Der Bundesfinanzhof ließ in seinem Urteil erkennen, dass solche typisierenden und pauschalisierenden Verfahren zwar grundsätzlich zulässig sind, dass individuelle Bewertungen indessen gleichwohl erforderlich sind, wenn der lediglich pauschalisiert ermittelte Wert (in diesem Fall der Bodenrichtwert) um mehr als 40 % über dem tatsächlich nachgewiesenen gemeinen Wert liegt. Für solche Fälle sieht § 163 Abgabenordnung eine abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen vor. Die Anwendung dieser Regelung ist aber nach § 220 Bewertungsgesetz ausdrücklich ausgeschlossen. Dies kann dazu führen, dass bei der Grundsteuerwertfeststellung ein Bodenrichtwert verwendet wird, der weit über dem Verkehrswert des jeweiligen Grundstücks liegt. In solchen Fällen liegt dann ein Verstoß gegen das Übermaßverbot vor, das aus dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Ab. 3 Grundgesetz folgt.
Daraus lässt sich folgern, dass § 220 Bewertungsgesetz, der eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen ausschließt, dem Rechtsstaatsprinzip widerspricht und mithin verfassungswidrig ist. Das Bewertungsgesetz liegt aber der Grundsteuerreform in allen Bundesländern zugrunde. Die typisierende Verwendung des Bodenrichtwerts und der gleichzeitige Ausschluss einer gebotenen individuellen Bewertung sind aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung vorgenommen worden, können indessen im Individualfall zu Ungerechtigkeiten bei der Besteuerung führen.
Aengevelt empfiehlt deshalb allen Eigentümern zu prüfen, ob der Bodenrichtwert deutlich, d.h. um mehr als 40 %, den Verkehrswert ihres Grundstücks übersteigt. Individuelle Faktoren, die den Verkehrswert mindern, können sich aus Besonderheiten der Lage, der Topographie, der Erschließung, der baurechtlichen Zulässigkeit (insbesondere GRZ, GFZ, Baugrenzen, besondere Auflagen), des Baugrunds (z.B. Altlasten), der Nachbarschaft, aufgrund von besonderen Immissionen, Hochwassergefahren oder sonstigen Besonderheiten ergeben. In diesen Fällen rät Aengevelt dazu, die Grundsteuerwertfeststellung anzufechten.
Dr. Wulff Aengevelt, geschäftsführender Gesellschafter von Aengevelt Immobilien: „Die Grundsteuerreform sollte die Grundsteuer gerechter machen. Der Gesetzgeber hat jedoch das Gegenteil erreicht, wenn er diejenigen übermäßig belastet, deren Grundstücke wertmindernde Besonderheiten aufweisen. Der Bundesfinanzhof hat nun festgestellt, dass das Bewertungsgesetz verfassungswidrig ist, weil es den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt. Wir empfehlen deshalb, die Grundsteuerwertbescheide zu prüfen und bei Vorliegen der vom BFH angeführten Kriterien anzufechten, wenn sie auf unrealistischen (zu hohen) Bodenrichtwerten oder anderen pauschalisierenden Bewertungen beruhen.“
Aengevelt verweist darauf, dass Bodenrichtwerte aus vielfältigen Ableitungen gebildet werden, die aus völlig unterschiedlichen Fallzahlen höchst individueller und damit nur eingeschränkt vergleichbarer Zahl von Transaktionen gebildet werden. Zudem ist Fakt, dass bei vielen Immobilientransaktionen Grundstückswert und Gebäudewert nicht zuverlässig ermittelt und dann prüfbar getrennt ausgewiesen werden. Gerade im Bereich von Bürovierteln und Handelsimmobilien finden sich häufig markant unterschiedliche Bodenrichtwerte, die von den Gutachterausschüssen aus einzelnen, für zuverlässige Ableitungen indessen zu wenigen Transaktionen ermittelt worden sind, die durch vielfältige Besonderheiten gekennzeichnet sein können. Zudem erfolgen die Fortschreibungen der Bodenrichtwerte nur im Rhythmus auf den 1. Januar eines Jahres aus dem gesamten Vorjahr und sind aufgrund dieses Timelags in vielen Fällen insbesondere in volatilen Märkten unzureichend aktuell, Beispielsweise wirkt sich der bundesweite Wegfall von Handelsimmobilien bereits mit Ankündigung der Schließung auf Kauf- und Mietpreisniveaus aus, wird aber im laufenden Jahr gar nicht mehr für die Veränderung des Bodenrichtwertes herangezogen, sondern erst zum nächsten Jahresersten.