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28.04.2015 Sell in May – 2015 die richtige Empfehlung?

„Sell in May and go away“, die Börsenweisheit, die dazu rät, sich im Wonnemonat von seinen Aktienengagements zu trennen, hat ihren Ursprung in der Statistik: Im Mai beginnt die in der Regel schwächere Phase des Börsenjahres. Doch wie sieht es konkret 2015 aus? Ist die Situation diesmal eine besondere? Vermögensverwalter und Marktstrategen geben Antworten.

„Wir sehen weder eine Überhitzung noch eine Rezession“
Ralf Müller-Rehbehn, Leitung Portfoliomanagement Aktien AMF Capital AG

„Die Aktienbörsen 2015 haben sich bisher vor allem in Europa prächtig entwickelt. Wichtiger Treiber hierfür war die Währungsentwicklung: Die EZB senkte die Zinsen auf historische Tiefststände und kauft Anleihen zurück – mit der entsprechenden Wirkung auf die Entwicklung des Euro. Die Gewinnsituation vieler europäischer Unternehmen hat sich tatsächlich in letzter Zeit verbessert – nicht nur, aber auch – wegen der Währung. Hiervon profitiert in besonderer Weise der DAX. Aus fundamentaler Sicht spricht also weiterhin viel für deutsche und andere europäische Unternehmen. Und: Wir hören immer wieder, dass gerade institutionelle Anleger derzeit am Aktienmarkt weitgehend nicht investiert sind. Somit spricht einiges dafür, dass die Märkte 'mit Angst nach oben gehen', was insgesamt ein positives Szenario zu werden verspricht. Darüber hinaus bietet das Renditeniveau am Rentenmarkt insgesamt wenig Alternativen. Und nicht zuletzt die Ausschüttungsquote der Aktienunternehmen und die anstehende Dividendensaison sollten weitere Argumente dafür liefern, dass ein potenzieller 'Setzer am Aktienmarkt' nicht allzu heftig ausfällt.

Wir gehen von einem moderaten Umsatz- und Gewinn-Wachstum des Unternehmenssektors in Europa aus. Gleichzeitig erwarten wir eine fortgesetzte Zins- und Preis-Stabilität bei niedriger Inflationsrate. In diesem Umfeld erwarten wir eine längere Phase eines 'wackeligen Aufschwungs', der sich durchaus bis zum Ende des Jahrzehnts hinziehen kann. Die Bewertung der Unternehmen ist zwar nicht 'billig', aber doch attraktiv und in vernünftiger Relation zu den Wachstumserwartungen. Eine Überhitzung der Aktienbörsen können wir nicht feststellen, und insbesondere Bärenmärkte erfolgen vorrangig vor bzw. während Rezessionsphasen – beides sehen wir derzeit nicht.“

„Eine Beimischung von Aktien bleibt sinnvoll“
Anja Welz, Vorstand Laureus AG Privat Finanz

„In der aktuellen Situation positiv zu beurteilen ist die stetige Erholung der globalen Wirtschaft, gestützt durch ein freundlicheres Bild in der Eurozone sowie den USA. Für Unsicherheit sorgte in der Vergangenheit die Situation der Schwellenländer. Während die US-Notenbank mit dem Tapering begonnen hat, sehen wir weiter eine konjunkturstützende Geldpolitik der großen Zentralbanken in Europa sowie in Japan. Trotz der zum Teil bereits hohen Kursgewinne am Aktienmarkt erachten wir eine Beimischung von Aktien in den kommenden Monaten weiterhin als sinnvoll.
Die Luft wird allerdings dünner, daher sollten abhängig von der persönlichen Risikobereitschaft Gewinnmitnahmen getätigt und das Risiko zurückgefahren werden. Auf dem aktuellen Niveau muss eine höhere Volatilität einkalkuliert werden. Vor dem Hintergrund des geldpolitischen Umfelds in Europa bieten Rücksetzer dann jedoch auch wieder Gelegenheit zum Einstieg. Die Devise lautet also keineswegs grundsätzlich 'Go away', allerdings sollten Anleger die Märkte genau im Blick behalten.“

„Mai-Verkäufer könnten die Leidtragenden sein“
Philipp Dobbert, Chefvolkswirt quirin bank

„Die Anhänger der Börsenweisheit 'Sell in May and go away' könnten in diesem Jahr eine herbe Enttäuschung erleben. Denn nach wie vor ist das dominierende Thema an den Aktienmärkten die Notenbankpolitik und das Niedrig- bzw. Niedrigst-Zinsumfeld. Bundesanleihen beispielsweise rentierten aktuell bis in die neunjährige Laufzeit hinein negativ. Vor dieser „Welt ohne Zinsen“ flüchten viele – auch professionelle – Anleger in die Aktie und treiben damit die Kurse. Da die EZB diese geldpolitische Haltung aktuell weiter verstärkt, könnte sich der Aufwärtstrend der letzten Monate – unter Schwankungen – weiter fortsetzen. Mai-Verkäufer wären die Leidtragenden.

Aber natürlich sind auch Risiken denkbar, etwa eine empfindliche Marktreaktion aufgrund der ersten vorsichtigen Zinssteigerungen in den USA. Hier wird deutlich: Für den strategischen und planbaren Vermögensaufbau eignen sich Börsenweisheiten rund um die vermeintlich 'richtigen' Ein- und Ausstiegszeitpunkte nicht. Viel entscheidender ist eine langfristig ausgelegte, an die eigene Risikotragfähigkeit und Renditeerwartung angepasste, breit diversifizierte Investition in die internationalen Aktien- und Anleihemärkte. Die prognosefreie Ausnutzung systematischer Renditetreiber bei gleichzeitig disziplinierter Schwankungsbegrenzung durch Rebalancing ist der überlegene Weg – fernab von Börsenweisheiten und anderen 'todsicheren' Renditequellen.“


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