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19.02.2014 Gute Rahmendaten, aber stagnierender Einzelhandel in Wolfsburg

Die als Unternehmenssitz des Volkswagen-Konzerns welt¬bekannte Stadt ist Bestandteil der Metropolregion Hannover-Braunschweig-Göttingen-Wolfsburg. Sie stellt innerhalb Niedersachsens, aber auch in bundesdeutscher Perspektive einen absoluten Top-Wirtschaftsstandort dar und ist vor allem geprägt von der Automobilproduktion und von deren Zulieferern.

Golfsburg, wie sich die landesplanerisch als Oberzentrum eingestufte Stadt anlässlich der Einführung des „Golf V“ nannte, verfügt über gute einzelhandelsrelevante Eckdaten. Die Einwohnerzahl und die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wachsen stetig, die Arbeitslosenquote ist unterdurchschnittlich und die einzelhandelsrelevante Kauf¬kraft innerhalb Niedersachsens ist außerordentlich hoch. Mit einem Wert von 110,1 erreicht sie den höchsten aller nieder¬sächsischen Großstädte, zeigt COMFORT-Chefresearcher Olaf Petersen auf.

Die Stadt versucht, die Fokussierung und Abhängigkeit von der Automobilindustrie zu verringern. So gelang es ihr, dass sich Europas größtes außeruniversitäres Innovations¬zentrum hier ansiedelte. Darüber hinaus entpuppt sie sich als Tourismusstadt, was jedoch größtenteils auf die hohe Anzahl von Selbstabholern ihres Neuwagens in der Auto¬stadt zurückzuführen ist.

Die Verkehrsinfrastruktur ist mit der Autobahn A 39 bzw. A2 sowie den Bundesstraße B 188 und 248 passend zum Auto-Schwerpunkt der Stadt gut ausgebaut und wird darüber hinaus mit einer ICE-Anbindung sowie dem Mittellandkanal weiter komplettiert, berichten die Einzelhandels- und Immo¬bilienexperten von COMFORT.

BEDEUTUNG DER STADT ALS EINZELHANDELS-STANDORT

Während in wirtschaftlicher Hinsicht Wolfsburg einen Primus in Niedersachsen darstellt, ist der inner¬städti¬sche Einzelhandel in Relation dazu nur unterdurchschnittlich entwickelt und hat in den letzten 10 Jahren trotz erheblicher Bemühungen der Stadt nicht Fahrt aufnehmen können.

Entsprechend ist die Zugkraft des Wolfsburger City-Einzelhandels angesichts eines Einzugsgebiets in der Größenordnung von rund 388.452 Einwohnern als durchaus überschaubar einzustufen. Der gesamtstädti¬sche Einzelhandelsumsatz betrug im Jahre 2012 insgesamt 805 Millionen Euro und die Zentralitätskennziffer fällt mit einem Wert von 118,5 auch nicht überragend aus. Die Anteile der Innen¬stadt an der Verkaufsflä¬che (24,2%, das sind rd. 70.000 m²) und am Umsatz (33,8%, das entspricht 270 Mio. €) liegen eindeutig unter den Referenzwerten in ihrer Städtegrößenklasse, so COMFORT-Chefresearcher Olaf Petersen. Diese relative Schwäche der Innenstadt - im Verbund u.a. mit städte¬baulich ungünstigen Voraussetzungen - ist als wesentliche Ursache für die überschaubare räumliche Ausstattung von Wolfsburg als Einkaufsstadt anzusehen. Dies gilt insbesondere angesichts der starken regionalen Konkurrenz „vor der Haustür“, die in erster Linie von der südwestlich, in nur rd. 25 km Entfernung gelegenen, Löwenstadt Braunschweig mit ihrer außerordentlich starken City ausgeht.

CHARAKTERISIERUNG DER 1A-LAGEN

Porschestraße

• Geradlinige, breite Straße im Süd- und Mittelbereich als Fußgängerzone ausgebildet, im Nordbereich befahrbar.

• Stärkster Abschnitt ist der Mittelbereich der Porschestraße, in dem auch das Center City Galerie angesiedelt ist. Pavillons in der Straßenmitte schränken die Sichtbeziehungen beider Straßenseiten ein.

• Der nördliche Abschnitt führt zur Autostadt, dem Science Center Phaeno und dem Designer Outlet Center Wolfsburg.

• Geprägt von flachen Häusern mit 50er/60er Jahre Architektur und überwiegend kleinteiligen, eingeschossigen Ladenlokalen.

• Neue Mieter: Vapiano, Eat with heart

• Aktueller Mietpreis liegt bei 36,- EUR/m²

Die Haupteinkaufstraße ist die Porschestraße. Die dreigeteilte Straße ist schnurgerade und mit ca. 1.000 m recht lang, allerdings kann nur der mittlere Bereich als A-Lage bezeichnet werden. Hier gibt es die wenigen nicht ins Center umgezogenen Großmieter wie H&M, Müller Drogerie und C&A sowie das tradi¬tionelle Modekaufhaus WKS, das seit den 50er Jahren hier ansässig ist. Darüber hinaus gibt es kleintei¬lige, eingeschossige Einzelhandelsnutzungen. Mehrere in der Mitte der Straße befindliche Pavillons erschweren die Sichtbarkeit einzelner Mietflächen. Insbesondere im Süd- aber auch im Nordabschnitt überwiegen regionale Mietkonzepte. Der befahrbare Nordabschnitt ist etwas stärker, da hier zuletzt durch Projektentwicklungen großflächigere Mieter, wie z.B. Woolworth, KiK, Tedi oder Vapiano angesie¬delt wurden. In erster Linie aber profitiert die Lage von der Nähe zum Science Center Phaeno, der Autostadt des VW Konzerns und dem innerstädtischen Designer Outlet Center Wolfsburg. Der Südab¬schnitt wird nur einseitig für Einzelhandelsflächen genutzt, da auf der anderen Seite öffentliche Gebäude wie das Rathaus und das Kunstmuseum stehen. Die Lage endet aus Einzelhandelssicht am Südkopf¬center, das seit vielen Jahren unter hohem Leerstand leidet und keine Sogkraft entfachen kann. Anker¬mieter ist im Untergeschoss ein Real SB-Warenhaus, im Erdgeschoss überwiegen kleinteilige Flächen mit Nahversorgungs-, Gastronomie- und Dienstleistungscharakter. In den Obergeschossen befinden sich Arztpraxen und Büros. Ankermieter Real verlässt Ende 2014 das Center. Das kam nicht unbedingt unerwartet, wurde eine Ansiedlung eines modernen und deutlich größeren Real-Marktes in Fachmarkt¬lage vor 10 Jahren nur unter der Bedingung genehmigt, Bestandsschutz im Südkopfcenter für 10 Jahre zu erklären. Diese Frist läuft nun aus und Real nutzt dies umgehend, um den unwirtschaftlichen Standort aufgeben zu können. Das fehlende Mietinteresse an diesem Standort in der südlichen Porschestraße verdeutlichen die aktuellen Überlegungen, in der freiwerdenden Fläche das Parkhaus unter dem Center zu erweitern, bemerkt COMFORT-Geschäftsführer Frank Reitzig.

Aber auch der stärkste Bereich der Porschestraße hatte zu kämpfen: Das 2001 dort eröffnete ECE-Center City Galerie sorgte für einen Umzug etlicher namhafter Mieter von der Straße in das Center. Das Center verfügt über knapp 100 Fachgeschäfte auf 3 Ebenen und ca. 20.000 m² Verkaufsfläche. Das Center dominiert die Einkaufsstraße und ist seitdem erste Anlaufstelle für den innerstädtischen Einkauf. Dementsprechend gab es dort in der Vergangenheit kaum Leerstände und auch die ca. 800 Parkplätze werden intensiv genutzt, stellen diese immerhin die zentralste größere Parkmöglichkeit in der 1A-Lage dar. Eine Rückkehrbewegung namhafter Mieter in die Porschestraße ist nach COMFORT-Einschätzun¬gen bisher nicht zu erkennen.

Vielmehr verharrt die Stadt in ihrem Status Quo: Wolfsburg steht seit Jahren auf nur wenigen Listen expansionswilliger Einzelhändler und wenn, dann will man in der Regel eine Fläche im Center bespielen. Dementsprechend gibt es kaum nennenswerte Bewegungen im Mieterbesatz der Porschestraße und Leerstände werden nicht sofort wieder neu vermietet. Zuletzt haben zudem meist discounterorientierte Mieter (wie z.B. Woolworth, KiK, Tedi, MäcGeiz) verfügbare, neuwertige Flächen in der Porschestraße bezogen, was die geringe Auswahlmöglichkeit an Mietinteressenten widerspiegelt und nicht gerade die Attraktivität der Innenstadt erhöht. Auch die architektonisch gelungene Revitalisierung des ehemaligen Hertie Hauses zu einer Markthalle im nördlichen Abschnitt der Porschestraße scheiterte grandios am fehlenden Mieterbesatz: Mit 50 % Vermietungsquote 2009 gestartet, ging der Wert schnell wieder Richtung Null. Seit längerem nutzt ausschließlich ein Gastronom kleine Teilbereiche der 1.700 m² verfügbaren Fläche der Markthalle, berichtet der Einzelhandels- und Immobilienexperte Reitzig.

Das erste innerstadtnahe Designer Outlet Center in Deutschland wurde 2007 in Wolfsburg auf ca. 10.000 m² eröffnet. Das Center läuft gemäß dem englischen Entwickler und Betreiber Outlet Centres International (OCI) sehr erfolgreich und entsprechend schnell wurde über einen zweiten Bauabschnitt gesprochen, dessen Realisierung dann aber mehrmals verschoben wurde. Ab Dezember 2013 wurde dann der Erweiterungsbau mit rund 25 neuen Mietflächen vorab eröffnet und im März dieses Jahres erfolgt die offizielle Eröffnungsfeier. Neben einigen neuen Marken wie z.B. Seidensticker, Reebook und Camel Active, haben bestehende Mieter wie z. B. Adidas oder Fossil die Möglichkeit genutzt, ihre Fläche im Center zu vergrößern. Das Outlet Center bietet ein rundes Angebot an Designer Marken, hat in Sachen Aufenthaltsqualität aber noch Potenzial. So ist z. B. das Gastronomieangebot etwas unterentwickelt. Das Center verfügt nach Fertigstellung des zweiten Bauabschnittes über rund 16.000 m² Verkaufsfläche, circa 70 Shops und rund 900 Parkplätze. Ein weiterer Bauabschnitt mit rund 4.000 m² steht bereits auf der Wunschliste von OCI. Die Auswirkungen auf die Innenstadt wurden seit Anbeginn kontrovers diskutiert. Der Stadt zufolge gebe es keine nachteiligen Auswirkungen auf den innerstädtischen Einzelhandel. Da Wolfsburg in der Vergangenheit nicht unbedingt als Standort mit besonderer Kompetenz im gehobenen Modesegment galt, ist dies sogar nachvollziehbar, da die meisten Designerlabels zuvor nicht in Wolfsburg erhältlich waren. Ob sich im Gegenzug aber durch das Outlet Center auch positive Effekte für die Innenstadt ergeben, ist mehr als fraglich. Die Kunden kommen zum einen meist aus einem größeren Einzugsgebiet, um gezielt reduzierte Designmarken zu erwerben und zum anderen ist das Shoppingerlebnis der Porschestraße begrenzt, das Center mit seinem Besatz absolut austauschbar. Es werden nicht allzu viele Kunden, die komfortabel direkt am Outlet Center parken, den Drang verspüren, den Weg über den unspektakulären nördlichen Abschnitt der Porschestraße entlang zu laufen, um in der Innenstadt einzukaufen.

Die Stadt hat versucht, dem erodierenden Trend der Einkaufsstraße Porschestraße entgegen zu wirken und seit 2005 erheblich in den öffentliche Straßenraum der A-Lage investiert: Neue Pflasterungen, Rückbau einiger Pavillons, zusätzliche Bäume und Sitzgelegenheiten sowie eine großflächige Überdachung des Hugo-Bork-Platzes. Die Frequenzen sollen seitdem in der Straße zwar wieder angestiegen sein, eine positive Auswirkung auf den Mieterbesatz ist aber bisher nicht wahrzunehmen, stellt Reitzig fest. Weiteres Hemmnis zur Entwicklung der Straße sind die zahlreichen Erbbaurechtsgrundstücke in der Innenstadt. Diese führen zu geringer Investitionsbereitschaft der Erbbauberechtigten sowie baurechtlich eingeschränkten Flächenerweiterungsmöglichkeiten. Zumindest letzteres soll aktuell durch einen neuen Bebauungsplan für die mittlere Porschestraße, der derzeit die Gremien durchläuft, behoben werden. Durch die Ermöglichung mehrgeschossigerer und großflächigerer Ladenflächen in der 1A-Lage ist geplant, zusätzliche Investitionsanreize zu schaffen. Das Bestreben geht in die richtige Richtung. Dennoch leidet die Porschestraße nicht nur an fehlender Flächenverfügbarkeit, sondern vielmehr an fehlender Mieternachfrage. Von daher ist abzuwarten, ob dadurch die gewünschte Kehrtwende eingeleitet werden kann.

INVESTMENT
Der Investmentmarkt ist ein Spiegelbild des Vermietungsmarktes: Die fehlende Nachfrage auf Investorenseite sorgt für ein sehr geringes Transaktionsaufkommen in der Innenstadt. Für den Investmentmarkt erschwerend kommt, wie bereits angesprochen, die besondere Grundstückssituation vieler innerstädtischen Flächen hinzu: eine ganze Reihe von Grundstücken gehört der Stadt und diese werden nur über Erbbaurechte weitergegeben, was den Kundenkreis unabhängig vom Standort deutlich verringert. Die erwähnenswerteste Transaktion der letzten Jahre war der Verkauf des Designer Outlets Wolfsburg. Der Entwickler und Betreiber OCI hat Ende 2012 die Mehrheitsanteile des Centers an die britische Immobiliengesellschaft Europa Capital verkauft. Der neue Eigentümer war auch mit frischem Geld verantwortlich für den Startschuss des Erweiterungsbaus. Darüber hinaus geht die Nachfrage vorwiegend von lokalen Privatinvestoren aus und die erzielbaren Renditen bewegen sich im Bereich von ca. 7,5 – 8,3 %, wobei kaum aktuelle Vergleichstransaktionen verfügbar sind, zeigt COMFORT-Geschäftsführer Günter Rudloff auf.

FAZIT UND PERSPEKTIVE
Die wirtschaftlichen Kennzahlen der Stadt sind vielversprechend. Aktuell wurde die Stadt gemäß der Aufstellung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) aus Köln 2013 wieder mal als wirtschaftsstärkste Stadt Deutschlands geführt. In keiner anderen deutschen Stadt ist die Wirtschaftsleistung Pro-Kopf höher. Ebenso in punkto Durchschnittseinkommen steht Wolfsburg an der Spitze. Die guten Rahmenbedingungen konnten aber bisher nicht genutzt werden, um dem Einzelhandel der Stadt in Relation zu den hervorragenden Wirtschaftsdaten eine angemessene Bedeutung zukommen zu lassen. Einzig das Designer Outlet Wolfsburg wächst seit Eröffnung, die Innenstadt stagniert.

Die Bemühungen der Stadt, durch Investitionen in den öffentlichen Raum neue Attraktivität zu schaffen und durch baurechtliche Lockerungen Investitionsanreize für großflächige Einzelhandelskonzepte zu schaffen, gehen in die richtige Richtung. Hierfür muss aber auch gleichzeitig die Nachfrage von Mietern deutlich ansteigen. Dieser Umschwung kann gelingen, zumal die Rahmendaten prinzipiell als gute Basis dienen können. Mit einer schnellen Änderung der Situation ist aber nicht zu rechnen und es bleibt zu hoffen, dass sich die Straße Stück für Stück Schlagkraft zurückholt. Kein leichtes Unterfangen, bedenkt man das bemerkenswerte Wachstum konkurrierender Einzelhandelsstandorte wie Hannover und Braunschweig, das einer Stadt wie Wolfsburg zunehmend Raum zum Entfalten wegnimmt, resümieren die Einzelhandels- und immobilienexperten von COMFORT.



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