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12.09.2013 H & M stärkt die Innenstadt von Celle, aber das reicht mittelfristig nicht

Die niedersächsische Kreisstadt Celle liegt etwa 40 km nordöstlich der Landeshauptstadt Hannover. Die Stadt fungiert innerhalb eines weitgehend ländlich geprägten und dünn besiedelten Raumes als maßgeblicher Arbeitsplatzstandort sowie als Behörden-, Dienstleistungs- und Verwaltungszentrum und dementsprechend auch als Oberzentrum. Unter soziodemographischen Aspekten schneidet Celle nicht durchgehend gut ab. In den letzten Jahren mussten auf städtischer Ebene Einwohnerrückgänge in einer Größenordnung von rund 1,5 % verkraftet werden. Die Arbeitslosenquote liegt mit 7,5 % auf Kreisebene etwas oberhalb des niedersächsischen Landesniveaus. Die einzelhandelsrelevante Kaufkraft erreicht mit gut 99 Prozent nahezu den Bundesdurchschnitt.

BEDEUTUNG DER STADT ALS EINZELHANDELS-STANDORT

Celle ist über drei Bundesstraßen an die wichtigen Autobahnen BAB 7 und BAB 2 angebunden und verfügt über einen IC-Halte¬punkt. Die fehlende direkte Autobahnanbindung hat für die Ent¬wicklung als Einzelhandelsstandort auch Vorteile, denn durch die längeren Fahrzeiten in die Nachbarstädte Hannover, Braun¬schweig und Wolfsburg geben viele Einwohner vorwiegend ihr Geld in ihrer Stadt aus. Dementsprechend kann Celle auf ein auskömmliches Einzugsgebiet von rund 270.000 Einwohnern zugreifen. In dem ländlich geprägten Raum östlich der A7 zwi¬schen Hamburg und Hannover sind Celle und Lüneburg zudem die beiden größten Städte mit entsprechender Strahlkraft auf das direkte Umland. Dies wird auch von den aktuellen Leis¬tungsdaten gestützt, denn die Kennzahl für Einzelhandelszent¬ralität rangiert klar über 130,0, zeigt COMFORT Chef-Researcher, Olaf Petersen, auf.

In der niedersächsischen Stadt sind eine Reihe von mittelständischen Betrieben aus der Indust¬rie, Elektronik, Nahrungsmittelherstellung sowie der Materialver¬arbeitung beheimatet. Der Fremdenverkehr ist darüber hinaus ein bedeutender Wirtschaftszweig, der auch dem innerstädti-schen Einzelhandel zugutekommt.

Celle bietet Tagesbesuchern touristische Reize: Der historische Altstadtkern verfügt über knapp 500 restaurierte Fachwerkhäuser aus dem 16. bis 18. Jahrhundert und des Weiteren über das 1292 erbaute Herzogschloss sowie die barocke Stadtkirche aus dem Jahr 1308. Ergänzt durch ein ausgeprägtes gastronomisches Angebot in vielen Seitenstraßen besitzt die Stadt entsprechend eine hohe Aufenthaltsqualität. Unter Einzelhandelsaspekten erschwert die historische Innenstadt allerdings an manchen Stellen die Ansiedlung neuer Einzelhandelskonzepte durch Einschränkungen in der Entwicklungsmöglichkeit denkmalgeschützter Gebäude. Neben einigen Großflächenmietern gibt es in der Innenstadt überwiegend kleinteiliges Flächenangebot und aufgrund Denkmalschutzbeschränkungen oftmals niedrige Deckenhöhen und Stufen innerhalb der Geschäftsflächen. Dass auch namhafte, filialisierte Einzelhändler diese nicht mehr zeitgemäßen Flächenqualitäten akzeptieren, spricht nach Ansicht der COMFORT Hamburg für die grundsätzliche Attraktivität der Stadt als Einkaufsdestination. Celle verfügt über eine weit verzweigte Fußgängerzone, innerhalb der die Zöllnerstraße und die Poststraße die 1A-Lage darstellen. Abgeschwächt ergänzen der Große Plan und die Westcellertorstraße sowie eine Reihe von Seitenstraßen die Einkaufslagen der Stadt.

Insgesamt erreichte die innerstädtische Verkaufsfläche 2012 ein Niveau von gut 50.000 m², was einem Anteil an der gesamtstädtischen Verkaufsfläche von gut 22 % entsprach. Hier wurden Einzelhandelsumsätze in einer Größenordnung von rund 170 Mio. Euro getätigt, das sind immerhin mehr als ein Drittel (rd. 36 %) aller Celler Einzelhandelsumsätze im Stadtgebiet. Allerdings weniger als im Durchschnitt der Einkaufsstädte dieser Größenklasse.

CHARAKTERISIERUNG DER 1A-LAGEN

Zöllnerstraße
• Traditionell stärkste Einkaufsstraße
• Gerade Verbindung vom angrenzenden C&A bis zum Celler Schloss über die Verlängerung Stechbahn (B-Lage)
• Überwiegend kleinteiliges, eingeschossiges Mietflächenangebot
• Neue Mieter: Claires, Triumph, Ulla Popken, demnächst H&M
• Aktuelle Mietpreise liegen bei ca. 57,- EUR/m² (80 – 120 m²) und ca. 35,- EUR/m² (300 – 500 m²)
Poststraße
• Kurze Verbindungsstraße von der Zöllnerstraße zur schwächeren Lage Großer Plan
• Standort großflächiger Mieter (Karstadt, Müller Drogerie, New Yorker)
• Aktuelle Mietpreise vergleichbar mit der Zöllnerstraße
Am Plan
• Schwächere Lage und Mieterqualität
• Trennende Fahrbahn und PKW-Stellplätze beschränken Fußgängerbereiche
• Verbindung zur Westcellertorstraße mit mehreren Modehäusern des örtlichen Modeplatzhirschen Dettmer+Müller und Parkmöglichkeiten in der Nähe (Südwall)

Centersituation
Eine innerstädtische Centerplanung des Münchner Projektentwicklers Gedo führte zu lang anhaltenden Diskussionen in der Stadt und ließ viele Einzelhändler mit ihrer Ansiedlung abwarten. Das Projekt wurde Ende 2010 endgültig abgesagt, nachdem aus Sicht der Gedo verfahrenstechnische Hürden aufkamen, die zu großer Unsicherheit führten. Schwierigkeiten, entsprechende Ankermieter vertraglich zu binden, mögen hierbei eine weitere Rolle gespielt haben. Wenn auch ein Ausbau moderner und nachgefragter Flächenformate zu begrüßen ist, war der geplante Centerstandort im Bereich Bergstraße und Südwall ungenügend an die Lauflagen angebunden. Dieser Umstand hätte zudem eine Schwächung der 1A-Lage bedeutet. Die Centerabsage war die Chance für die Innenstadt, die Flächennachfrage auf der Straße wieder auf das alte Niveau zu bringen.

PERSPEKTIVE

Nach Auffassung der COMFORT Hamburg waren die Bestrebungen der Stadt, moderne Einzelhandelsflächen zu schaffen, grundsätzlich richtig. Ob es in der Größenordnung eines Centers sein muss, ist wohl fraglich, die gewählte Lage war hinsichtlich der Stärkung der 1A-Lage sicherlich nicht geeignet. Insbesondere strebte die Stadt drei Ziele an: Ansiedlung eines Elektronikmarktes und eines Lebensmittelmarktes sowie den Ausbau des jungen Modeangebotes durch zugkräftige Konzepte. Hinsichtlich dieser Ambitionen ist die Stadt in den letzten zwei Jahren immerhin auf gutem Weg, diese zu erreichen. In der Folge der Centerabsage fand ein potenzieller Ankermieter des Centers auf der Straße eine Fläche, der Elektronikriese Saturn mietete Ende 2011 die Flächen des ehemaligen Karstadt Technikhauses an. Der Standort am Nordwall ist zwar nicht direkt an die A-Lage angebunden, doch aufgrund des dortigen Parkhauses, das von vielen Auswärtigen für den Einkaufsstart angefahren wird, ist jedoch eine gewisse Grundfrequenz vorhanden. Ebenso bestätigten sich frühe Gerüchte, wonach der schwedische Textilhändler H&M nach Celle kommen solle. Wie vermutet, wird der Mieter in bester Lage in der Zöllnerstraße 31 eine der wenigen großflächigen Liegenschaften beziehen. Die Bauarbeiten des Projektentwicklers MIB sind in vollem Gange, aufgrund von technischen Schwierigkeiten und Einsprüchen von Nachbareigentümern kam es wohl zu Verzögerungen, sodass derzeit unklar ist, ob das Geschäft noch in 2013 eröffnet werden kann.

Und auch für einen Lebensmittelmarkt in der City gibt es Pläne der Stadt. So führt man zwar Verhandlungen mit einem Investor, der außerhalb einen großen Lebensmittel-Vollsortimenter erstellen will. Dessen Genehmigung ist aber an eine Verpflichtung zur Errichtung eines Citymarktes im Kern der City geknüpft. Standortmöglichkeiten hierfür wurden in den Karstadt-Immobilien in der Bergstraße, die derzeit einen Schnäppchenmarkt beherbergen, benannt. Ob und wann diese Überlegungen umgesetzt werden, ist aber noch ungewiss, zumal noch weitere Investoren die Leerstände in der Bergstraße ins Auge gefasst haben. Insgesamt ist die Nachfrage von Einzelhändlern für die Straße aber nicht in dem Maße angestiegen, wie es nach Absage des Centers erwartet wurde. Die Ansiedlung von H&M ist hierbei sicherlich ein wichtiger Erfolg und ein großer Zugewinn für die Zöllnerstraße.

„Die Stadt muss sich aber noch stärker bemühen, zugstarke Mieter zu gewinnen, ihre Modekompetenz weiter ausbauen und ein klares Einzelhandelsprofil bekommen, um auch zukünftig attraktiv für das Umland zu sein, und insbesondere gegenüber den deutlichen größeren und weiterhin wachsenden Einzelhandelsstandorten Hannover und Braunschweig nicht zurückzufallen“, meint COMFORT-Geschäftsführer Günter Rudloff.
Als neuer Wettbewerber ist seit Ende 2012 das Designer Outlet in Soltau, ca. 50 km entfernt hinzugekommen. Das von der Mutschler Gruppe realisierte 80 Millionen-Projekt verfügt über rund 13.500 m² Verkaufsfläche und etwa 70 Läden. Gerade das in Celle zu schwach ausgeprägte Damen- und Herrenmodeangebot dürfte hier Umsätze verlieren.

Celle braucht eine höhere Dynamik in der Ansiedlung von namhaften Mietern mit entsprechender Zugkraft. So kamen in den letzten zwei Jahren z.B. Claires, Triumph, Ulla Popken und aktuell noch Intersport mit einer zweiten Fläche hinzu, während Modekonzepte wie s.Oliver, Esprit oder Street One wegfielen. Das war „unterm Strich“ sicherlich noch nicht genug, um den Einzelhandelsstandort nachhaltig zu stärken.
Auf der anderen Seite muss man dem Umstand Rechnung tragen, dass es aufgrund der historischen Immobilien auch eine besondere Herausforderung darstellt, die geforderten Flächen zu finden. Zuletzt sei auch noch erwähnt, dass auch Celle ein „Karstadt-Thema“ hat. Das Haus ist in sehr guter Lage in der Poststraße gelegen, zeigt aber insbesondere an der Fassade deutlichen Sanierungsstau. Die ungewisse Zukunft des Großmieters ist in vielen größeren Städten als Chance zu sehen und dementsprechend decken sich derzeit gerne Projektentwickler mit diesen Immobilien ein. In kleineren Städten, so auch in Celle, ist es allerdings kein „Selbstgänger“, die gesamte Fläche ggfs. alternativ zu nutzen, resümiert der Einzelhandels- und Immobilienexperte, Frank Reitzig.

INVESTMENT

Auch wenn die Weiterentwicklung der Innenstadt nur in kleineren Schritten vorangeht, bietet Celle insgesamt als Investitionsstandort eine recht attraktive Innenstadt und gesunde Kennzahlen. Die Anmietung von H&M dürfte der Innenstadt einen neuen Schub geben. Aufgrund der Stadtgröße unter 100.000 Einwohnern suchen im Wesentlichen lokale und regionale Investoren, ergänzt durch einige institutionelle Investoren, die in Mittelstädten attraktivere Renditen finden. Zuletzt waren es die Projektentwickler, die den Nachholbedarf an moderneren und größeren Flächen erkannt haben und in Celle aktiv nach Entwicklungsmöglichkeiten suchen.

Der insgesamt gesunde Investmentmarkt in Deutschland führt auch in Celle zu einer stabilen Nachfrage und das anhaltend niedrige Zinsniveau treibt viele Privatinvestoren in überschaubare Immobilieninvestments, die in Celle aufgrund der vielen kleinteiligen Liegenschaften auch genügend vorhanden sind. Lediglich die gleichwohl wenig vorhandene Verkaufsbereitschaft privater Eigentümer bremst in Celle den Transaktionsmarkt. Die aktuelle Anfangsrendite für Topobjekte in bester Lage liegt stabil oberhalb von 6,5%, stellt Rudloff fest.

FAZIT

Celle ist eine Einkaufsstadt mit hoher Aufenthaltsqualität, die für das ländlich geprägte Umfeld eine wichtige Bedeutung hat. Im weiteren regionalen Wettbewerb hat sich die Stadt schwächer entwickelt als z.B. Lüneburg, Hannover oder Braunschweig und hat mit dem Designer Outlet Center in Soltau einen weiteren Wettbewerber erhalten. Auch wenn mit H&M ein seit langem gewünschter Kandidat für die Innenstadt gefunden wurde, muss Celle zukünftig noch eine höhere Dynamik entwickeln, Angebotslücken schließen und weitere attraktive Mieter gewinnen, um nicht im regionalen Wettbewerb Boden zu verlieren.


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