29.08.2013 BBE sieht Reformbedarf beim Zentrale-Orte-Konzept in Baden-Württemberg
Bei der Planung und Entwicklung von Einzelhandelsgroßprojekten ist die raumordnerische Zulässigkeit ganz wesentlich an die Einstufung der Ansiedlungsgemeinde als Zentraler Ort gebunden. Im Landesentwicklungsplan Baden-Württemberg heißt es: „Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe für Endverbraucher (Einzelhandelsgroßprojekte) sollen sich in das zentralörtliche Versorgungssystem einfügen; sie dürfen in der Regel nur in Ober-, Mittel- und Unterzentren ausgewiesen, errichtet oder erweitert werden.“
Die Ausweisung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben ist in Baden-Württemberg also grundsätzlich nur möglich, wenn der geplante Standort sich mindestens in einem Unterzentrum befindet. In Kleinzentren oder Orten ohne zentralörtlichen Status sind nur ausnahmsweise Ansiedlungen möglich, zum Beispiel um die Grundversorgung der Bevölkerung zu gewährleisten.
In anderen Bundesländern erfolgte bereits eine Anpassung des Systems Zentraler Orte an veränderte Rahmenbedingungen. So wurden beispielsweise in Brandenburg die Grundzentren gestrichen und in Bayern die Hierarchieebenen von sieben auf drei reduziert. In Baden-Württemberg hingegen ist das System seit über einem Jahrzehnt weitgehend unverändert geblieben, während sowohl auf der Nachfrageseite (Bevölkerung) als auch auf der Angebotsseite (Einzelhandelsunternehmen) eine starke Dynamik festzustellen ist. So existieren auch in Baden-Württemberg einerseits Kommunen, die zukünftig noch einen Bevölkerungszuzug erwarten können, andererseits weisen aber gerade auch im ländlichen Raum schon viele Städte und Gemeinden Bevölkerungsverluste auf. Auf der Angebotsseite, also zum Beispiel bei den Lebensmittelmärkten, steigen nach wie vor die Flächenanforderungen.
„Aber auch in Baden-Württemberg gibt es Hinweise dafür, dass das System Zentraler Orte dringend an die veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden müsste“, erläutert Oliver Behrens, Leiter des Standortes Ludwigsburg der BBE Handelsberatung. „Insbesondere in den Ballungsräumen können ‚Kleinzentren’ oder Orte ohne zentralörtliche Ausweisung durchaus 20.000 und mehr Einwohner aufweisen, sodass die Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben in Übereinstimmung mit den Zielen der Landes- und Regionalplanung erschwert oder gar verhindert werden kann, obwohl zweifellos ein großes Nachfragepotenzial besteht“, so Behrens weiter.
Aus Sicht der BBE Handelsberatung könnte sich die Orientierung an der Ausweisung Zentraler Orte vor allem für die ländlichen Regionen als problematisch bei der Nahversorgung erweisen, da die Hauptträger der Nahversorgung – Supermärkte und Discountern mit durchweg Verkaufsflächen von teils deutlich über 800 m² – grundsätzlich als großflächig zu bewerten sind. In Orten, die nur als Kleinzentren oder gar nicht als Zentraler Ort eingestuft sind, sind diese Konzepte aber eben nur ausnahmsweise zulässig. Während im Verdichtungsraum, also im Umland der Großstädte, grundsätzlich viele Orte aufgrund ihrer Einwohnerzahl ein ausreichendes Potenzial aufweisen, ist dies im ländlichen Raum oft nicht der Fall, was die Ansiedlung von Nahversorgern zusätzlich erschwert. Daher existiert in vielen Orten schlicht kein Nahversorgungsangebot.
Behrens sieht eine Gefahr, dass die ländlichen Räume in ihrer Versorgungsqualität zurückfallen, sodass möglicherweise in einigen Regionen langfristig ein bereits in den 60er Jahren festgestelltes Versorgungsdefizit droht. Hier bedarf es nach Ansicht von Behrens dringend neuer Ansätze zu Steuerung der Handelsentwicklung, die sich nicht zwingend an den Zentralen Orten allein ausrichten können. Speziell für den ländlichen Raum könnte ein Lösungsansatz die Zusammenarbeit mehrerer kleinerer Kommunen, die jeweils für sich genommen kein ausreichendes Potenzial zum Beispiel für einen Lebensmittelmarkt aufweisen, ein gangbarer Weg sein. „Warum soll im Bereich der Grundversorgung der Bevölkerung nicht auch funktionieren, was zum Beispiel bei der Flächennutzungsplanung oder der Wasserversorgung nicht schon lange Gang und Gäbe ist? Hier arbeiten die Kommunen in vereinbarten Verwaltungsgemeinschaften, Zweckverbänden und auf ähnliche Weise ja auch zusammen“, meint Behrens.
Hintergrund »Zentrale-Orte-Konzept«
Das Zentrale-Orte-Konzept stellt bundesweit auf der Ebene der Raumordnung das Rückgrat der Steuerung von Einzelhandelsgroßprojekten dar und wurde in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts in der Landes- und Regionalplanung implementiert. Es handelt sich um eine „Theorie optimaler Standorte des tertiären Sektors, genauer: der haushaltsorientierten, auf die Endnachfrage bezogenen Handels- und Dienstleistungsfunktionen.“ (ARL 2005, S.1307). In Baden-Württemberg werden die Zentralen Orte bis zur Stufe der Mittelzentren als Ziele im Landesentwicklungsplan festgeschrieben – Unter- und Kleinzentren in den Regionalplänen. Den Zentralen Orten werden administrativ zentralörtliche Verflechtungsbereiche (zum Beispiel Mittelzentren Mittelbereiche, bei Unterzentren Nahbereiche) zugeordnet, für welche sie primär einen Versorgungsauftrag erfüllen sollen.
Die Ausweisung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben ist in Baden-Württemberg also grundsätzlich nur möglich, wenn der geplante Standort sich mindestens in einem Unterzentrum befindet. In Kleinzentren oder Orten ohne zentralörtlichen Status sind nur ausnahmsweise Ansiedlungen möglich, zum Beispiel um die Grundversorgung der Bevölkerung zu gewährleisten.
In anderen Bundesländern erfolgte bereits eine Anpassung des Systems Zentraler Orte an veränderte Rahmenbedingungen. So wurden beispielsweise in Brandenburg die Grundzentren gestrichen und in Bayern die Hierarchieebenen von sieben auf drei reduziert. In Baden-Württemberg hingegen ist das System seit über einem Jahrzehnt weitgehend unverändert geblieben, während sowohl auf der Nachfrageseite (Bevölkerung) als auch auf der Angebotsseite (Einzelhandelsunternehmen) eine starke Dynamik festzustellen ist. So existieren auch in Baden-Württemberg einerseits Kommunen, die zukünftig noch einen Bevölkerungszuzug erwarten können, andererseits weisen aber gerade auch im ländlichen Raum schon viele Städte und Gemeinden Bevölkerungsverluste auf. Auf der Angebotsseite, also zum Beispiel bei den Lebensmittelmärkten, steigen nach wie vor die Flächenanforderungen.
„Aber auch in Baden-Württemberg gibt es Hinweise dafür, dass das System Zentraler Orte dringend an die veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden müsste“, erläutert Oliver Behrens, Leiter des Standortes Ludwigsburg der BBE Handelsberatung. „Insbesondere in den Ballungsräumen können ‚Kleinzentren’ oder Orte ohne zentralörtliche Ausweisung durchaus 20.000 und mehr Einwohner aufweisen, sodass die Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben in Übereinstimmung mit den Zielen der Landes- und Regionalplanung erschwert oder gar verhindert werden kann, obwohl zweifellos ein großes Nachfragepotenzial besteht“, so Behrens weiter.
Aus Sicht der BBE Handelsberatung könnte sich die Orientierung an der Ausweisung Zentraler Orte vor allem für die ländlichen Regionen als problematisch bei der Nahversorgung erweisen, da die Hauptträger der Nahversorgung – Supermärkte und Discountern mit durchweg Verkaufsflächen von teils deutlich über 800 m² – grundsätzlich als großflächig zu bewerten sind. In Orten, die nur als Kleinzentren oder gar nicht als Zentraler Ort eingestuft sind, sind diese Konzepte aber eben nur ausnahmsweise zulässig. Während im Verdichtungsraum, also im Umland der Großstädte, grundsätzlich viele Orte aufgrund ihrer Einwohnerzahl ein ausreichendes Potenzial aufweisen, ist dies im ländlichen Raum oft nicht der Fall, was die Ansiedlung von Nahversorgern zusätzlich erschwert. Daher existiert in vielen Orten schlicht kein Nahversorgungsangebot.
Behrens sieht eine Gefahr, dass die ländlichen Räume in ihrer Versorgungsqualität zurückfallen, sodass möglicherweise in einigen Regionen langfristig ein bereits in den 60er Jahren festgestelltes Versorgungsdefizit droht. Hier bedarf es nach Ansicht von Behrens dringend neuer Ansätze zu Steuerung der Handelsentwicklung, die sich nicht zwingend an den Zentralen Orten allein ausrichten können. Speziell für den ländlichen Raum könnte ein Lösungsansatz die Zusammenarbeit mehrerer kleinerer Kommunen, die jeweils für sich genommen kein ausreichendes Potenzial zum Beispiel für einen Lebensmittelmarkt aufweisen, ein gangbarer Weg sein. „Warum soll im Bereich der Grundversorgung der Bevölkerung nicht auch funktionieren, was zum Beispiel bei der Flächennutzungsplanung oder der Wasserversorgung nicht schon lange Gang und Gäbe ist? Hier arbeiten die Kommunen in vereinbarten Verwaltungsgemeinschaften, Zweckverbänden und auf ähnliche Weise ja auch zusammen“, meint Behrens.
Hintergrund »Zentrale-Orte-Konzept«
Das Zentrale-Orte-Konzept stellt bundesweit auf der Ebene der Raumordnung das Rückgrat der Steuerung von Einzelhandelsgroßprojekten dar und wurde in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts in der Landes- und Regionalplanung implementiert. Es handelt sich um eine „Theorie optimaler Standorte des tertiären Sektors, genauer: der haushaltsorientierten, auf die Endnachfrage bezogenen Handels- und Dienstleistungsfunktionen.“ (ARL 2005, S.1307). In Baden-Württemberg werden die Zentralen Orte bis zur Stufe der Mittelzentren als Ziele im Landesentwicklungsplan festgeschrieben – Unter- und Kleinzentren in den Regionalplänen. Den Zentralen Orten werden administrativ zentralörtliche Verflechtungsbereiche (zum Beispiel Mittelzentren Mittelbereiche, bei Unterzentren Nahbereiche) zugeordnet, für welche sie primär einen Versorgungsauftrag erfüllen sollen.