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10.09.2019 architecture meets consume – caspar. befreit Lidl von alten Stereotypen

Fotocredit: HGEsch, Hennef
Hallentragwerke, kühle Neonbeleuchtung, schmucklose Warenreihen – jahrzehntelang dienten Supermärkte dem rationalisierten Einkaufen. Doch mit neuen Frischekonzepten, Genuss und gestalterischem Anspruch bietet eine junge Discounter-Generation auch für Architekten spannende Herausforderungen. So das Beispiel der neuen Lidl-Filiale in Köln Buchforst, den caspar. realisierte. Das Architekturbüro, das sich unter anderem in seiner eigenen Forschungsabteilung, dem brain.lab, mit dem Thema retail in transition beschäftigt hat, gewann im Jahr 2015 einen von der Stadt Köln geförderten Wettbewerb zum Neubau einer Lidl-Filiale, der gestalterisch die denkmalgeschützten Siedlungsstrukturen der Nachbarschaft aufnehmen sollte. Der Wunsch der Stadt Köln: „eine architektonische Lösung zur qualitätsvollen Gestaltung des neuen Lidl?Standortes“ zu finden.

„Einen schönen Lidl zu bauen, kann eine größere Herausforderung sein, als ein gutes Museum“, resümiert Architekt Caspar Schmitz-Morkramer und spielt damit auf die unterschiedlichen wirtschaftlichen wie zeitlichen Rahmenbedingungen zwischen Funktions- und Kulturbau an. Im Supermarkt verbringt der Mensch durchschnittlich mehr Zeit als im Museum, doch über Jahrzehnte entschied die Frage von Quadratmetern und Warensortiment die Ausrichtung der Einkaufstempel. Inzwischen wünschen sich auch Städte, wie das Beispiel Köln zeigt, eine klare Haltung zur Gestaltung. Zugleich verändert der Online-Handel die Situation rasant. Die Auswirkungen und Potenziale untersuchte Caspar Schmitz-Morkramer über zwei Jahre im büroeigenen brain.lab.

Es überlebt, wer besondere Atmosphäre, gestalterische Qualität oder ein Einkaufserlebnis bietet, so sein Fazit, das als Lab.report mit neuen Ideen und Entwicklungen im September erscheint. „Auch Alltags-Orte werden immer häufiger architektonisch geprägt, da sie dadurch Identität und höhere Aufmerksamkeit generieren“, so Caspar Schmitz-Morkramer. „Für uns ist das eine Bestätigung. Unser Büro arbeitet an der Vision der Europäischen Stadt. Das heißt, wir denken nicht in isolierten Bauten, sondern in Quartieren. Wir nehmen Beziehungen zum Umfeld auf und verbinden Themen - ob mit Wohnungsbau, Mobilität oder Produktion. Das Beispiel der Lidl-Filiale wirft einen Blick auf die Zukunft des Lebensmittelhandels.“

Für das Büro caspar., das bundesweit Stadtentwicklungsthemen umsetzt, ist die Filiale ein besonderes Projekt: Keine standardisierte Kiste, sondern ein Lebens-Ort, der Sensibilität und gestalterischen Anspruch erforderte. In Köln Buchforst wird die Nachbarschaft der neuen Filiale von denkmalgeschützten Siedlungsstrukturen mit Klinker-Fassaden geprägt. Die Gestaltung der neuen Fassade der Lidl-Filiale knüpft daran an und interpretiert sie in moderner Formensprache. Vor dem transparenten Eingangsbereich haben die Architekten einen städtischen Platz mit kommunikativen Bänken geschaffen. „Der Parkplatz wurde bewusst ein Stück zur Seite gesetzt, so dass wir die kommunikative Situation vor der Filiale durch Bänke nutzbar machen können.“ Der Vorplatz verschafft der Filiale einen repräsentativen Auftakt, den Kunden einen adäquaten Empfang und gibt dem Quartier an prominenter Stelle ein Stück Urbanität zurück.

Auch in Dimensionierung und Proportion beginnt das Gebäude den Dialog zum umliegenden Quartier. „Wir haben hier bewusst ein Stück Stadtreparatur geschaffen,“ erzählt Caspar Schmitz-Morkramer, „auch auf einem kleinen Grundstück lässt sich das städtische Leben fördern.“ So gewinnt der Discounter in Köln-Buchforst, einem rechtsrheinischen Stadtteil Kölns im Bezirk Mülheim mit knapp 8000 Einwohnern, zugleich eine gesellschaftlich verbindende Aufgabe. Das Vordach lädt ein, bietet Ordnung für Fahrräder und Einkaufswagen. Der Filialparkplatz ist nach Geschäftsschluss für die Nachbarschaft geöffnet, zwei Elektro-Ladestationen können von den Anwohnern genutzt werden. Die einladende und klare Geste, die caspar. Architekten für den Außenbereich entworfen haben, setzt sich auch im Inneren fort.

Lidl, als eines der führenden Unternehmen im Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland mit rund 3200 Filialen, präsentiert sich hier in einem großzügig hellen Verkaufsraum.

Stadtreparatur und Baukultur; Konsum und Architektur – „insbesondere in Deutschland erleben wir derzeit einen starken Veränderungswillen der Städte,“ sagt Caspar Schmitz-Morkramer. Ob er eine Lidl-Filiale von den bekannten Stereotypen befreit oder einen ganzen Stadtteil wie in Ulm, Düsseldorf oder Berlin neu erfindet – „wir werden unsere Städte neu denken müssen,“ ist er überzeugt. Köln Buchforst zeigt als erlebbares Beispiel, wie das Große im Kleinen funktionieren kann.

Lab.report:

Über zwei Jahre sammelten die Architekten von caspar. in einem eigens gegründeten brain.lab, einer Forschungsabteilung, Fakten, Daten und neue Ergebnisse zum Thema retail in transition – Chancen für den Wandel im Handel. Sie zeigen, dass sich Baukultur und Konsum nicht ausschließen, sondern architektonische Konzepte neue Einkaufserlebnisse schaffen, entwerfen Szenarien für die Innenstädte der Zukunft, in denen die Themen von neuer Mobilität, grünen Innenstädten und Produktion, Bildung & Forschung zusammenfließen können. Der Report erscheint im September.







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