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15.03.2013 Der Druck auf die Innenstadt Lübecks nimmt zu

Ob man nun schon vor Ort gewesen ist oder nicht, fast jeder Deutsche hat zu Lübeck ein Bild im Kopf. Man assoziiert damit u.a. Lübecker Marzipan, Thomas Mann, das UNESCO-Weltkulturerbe der historischen Altstadt mit den sechs Kirchtürmen oder das Holstentor, früher prominent auf der Rückseite des 50 DM-Scheins präsent. Last, but not least denkt man auch an die traditionsreiche Hanse- und damit Handelsstadt. In der Tat hat die Stadt in puncto Einzelhandel eine ganze Menge zu bieten, steht aktuell nach Auffassung der COMFORT Hamburg allerdings vor beträchtlichen Veränderungen und einhergehenden Herausforderungen.

BEDEUTUNG DER STADT ALS EINZELHANDELS-STANDORT

Mit rund 210.000 Einwohnern ist Lübeck die zweitgrößte Stadt Schleswig-Holsteins, die als eines von vier Oberzentren im nördlichsten Bundesland auf eine solide wirtschaftliche Basis aufsetzen kann. Sie stellt ein herausragendes Wissenschafts-, Produktions- und Dienstleistungszentrum an der Ostsee und verfügt in ihren Stadtgrenzen über den größten Fährhafen Europas. Ihrer oberzentralen Versorgungsfunktion entsprechend weist die Stadt als Arbeitsplatzstandort einen Einpendlerüberschuss von arbeitstäglich knapp 20.000 Beschäftigten auf. Einhergehend mit einer etwas überdurchschnittlichen Arbeitslosenquote erreicht die Einzelhandelskaufkraft mit einem Wert von 96,5 (lt. GfK 2012, Bundesdurchschnitt = 100) allerdings nicht ganz das Referenzniveau des Bundes.
Entsprechend der Tradition Lübecks als Kaufmannstadt stellt die Hansestadt auch heute einen starken Einzelhandelsstandort dar. Dies kommt nicht zuletzt in einer hohen und für bundesdeutsche Städte dieser Größenordnung ausgesprochen hohen Einzelhandels-zentralität (lt. GfK 2012 144,6) zum Ausdruck.

Den bedeutendsten Standortbereich im lokalen Gefüge von innerstädtischen und diversen Nahversorgungs- und ‚Grüne Wiese‘-Standorten stellt heute eindeutig die City dar. Durch verschiedenste Maßnahmen, wie z. B. der Etablierung von P&C oder ZARA hatte die Stadt in den letzten 10 Jahren einen zuvor kennzeichnenden ‚schleichenden‘ Niedergang gestoppt und wieder umgekehrt. 2011 wurde in der historischen Innenstadt auf einer Verkaufsfläche von 137.000 m² (= rd. 30 % der gesamtstädtischen Verkaufsfläche) ein Gesamtumsatz von 525 Mio. EUR (= gut 36 % des gesamtstädtischen Einzelhandelsumsatzes) getätigt. Im Vergleich mit den anderen bundesdeutschen Städten dieser Größenordnung (200.000 - 500.000 Einwohner: Verkaufsfläche knapp 26 %, Umsatz rd. 30 %) können sich diese City-Anteilswerte wirklich sehen lassen.
Nach Ansicht der Einzelhandelsexperten der COMFORT in Hamburg sind sie einerseits sicherlich auf das weithin über die Stadt hinaus gehende Einzugsgebiet der City von insgesamt mehr als 530.000 Einwohnern zurückzuführen. Andererseits ist hier aber auch der Zusammenhang mit einer außerordentlich hohen touristischen Bedeutung der Stadt zu sehen. Nach einer neuen 2012 von dwif consult veröffentlichten Studie zum Wirtschaftsfaktor Tourismus kann der Lübecker Einzelhandel auf ein Potenzial an Tagestouristen von rd. 16 Mio. p.a. reflektieren. Und auch die Anzahl der gewerblichen Übernachtungen ist mit rd. 1,4 Mio. p.a. absolut bemerkenswert

CHARAKTERISIERUNG DER 1A-LAGE

Breite Straße

• Die absolute 1A-Lage ist die Breite Straße im Bereich zwischen Kohlmarkt und Beckergrube.
• sehr hohe Passantenfrequenz
• klassische Konsum- und Flaniermeile mit den wichtigsten Textil- und Schuhkonzepten; Karstadt, TK Maxx, Görtz, Esprit, H&M, ZARA, Deichmann,
S. Oliver u. a.
• Einkaufen in Verbindung mit Kulturerlebnis (Markt inklusive historischem Rathaus, Marienkirche, Thomas Mann´s Buddenbrookhaus, Niederegger u.a.)
• neue Mieter: Breite Str. 81, Görtz; Breite Str. 29, Tom Tailor; Breite Str. 83, dm
• aktueller Mietpreis liegt bei rund 102,- EUR / m² (80-120 m²-Ladenlokal, ebenerdig) und ca. 55,- EUR / m² (300-500 m²)

Königstraße

• 1B-Lage mit gemischtem Besatz
• Diese Einkaufslage wird überwiegend von der Lübecker Bevölkerung angenommen, ist aber kein relevanter Standort für die überregionalen Highstreet-Filialisten.
• Standort der Königspassage, die seit Jahren mit deutlichen Problemen wie akutem Leerstand und sehr wenig Frequenz zu kämpfen hat. Wie die Zukunft nach der Insolvenz des Eigentümers aussieht, ist noch ungewiss

Kohlmarkt / Holstenstraße

• zentrale 1B-Lage, Einfallstor in den Innenstadtbereich über Holstentor. Viele auswärtige Besucher parken Ihr Auto außerhalb der Altstadt und flanieren über diese B-Lagen in die 1A-Lage
• P&C Standort (COMFORT-HH / CENTRUM-Entwicklung), Karstadt Sport u.a.
• stark frequentierte Lage, da Drehscheibe der Passantenströme und verkehrlich durch diverse Buslinien von Bedeutung - Lage ist zentralster Innenstadtbereich

Hüxstraße

• Klassische B-Lage mit sehr hohem Anteil an Dienstleistungen (Gastronomie, Friseure, Kunstschmiede u.a.). Hier sind viele lokale und individuelle Akteure ansässig.
• charmante Lage, in die sich auch viele Touristen lenken lassen

Sandstraße

• Die Sandstraße konnte sich, wie auch in den letzten Jahren, nicht als Verlängerung der Breiten Straße durchsetzen.
• Das Haerder-Center bildet den Auftakt der Sandstraße, kämpft aber mit Leerständen und muss sich als Einzelhandelsstandort noch besser positionieren und durchsetzen

PERIPHERIE VS. CITY

In den nächsten Jahren steht die gesamte bestehende Lübecker Einzelhandelslandschaft ausgehend von den Stadträndern vor erheblichen Veränderungen, die aus Sicht der COMFORT Hamburg nicht zuletzt zu Lasten der Lübecker City gehen dürften.

Zum Einen ist in verkehrsorientierter Lage an der A 226 auf dem ehemaligen Areal von Villeroy & Boch, im nördlichen Stadtteil Lübeck-Dänischburg, das IKEA Scandinavian Centre mit ca. 60.000 m² Verkaufsfläche im Bau. Das Vorhaben wird bestehen aus einem IKEA-Einrichtungshaus, House of Living von Villeroy & Boch, einem Einkaufszentrum mit Fachhändlern aus unterschiedlichen Branchen (u.a. Saturn, CB-Mode, Görtz Schuhhaus, Depot, Spielemax, Edeka, Parfümerie Schuback, C&A) und einem solitären Bau- und Gartenfachmarkt (Hornbach). Die Eröffnung ist für das kommende Jahr im Frühjahr geplant. Mit dem Umzug des Saturn-Marktes von den Linden-Arkaden nach Dänischburg, wird es keinen einzigen Elektronikmarkt mehr in der Innenstadt von Lübeck geben.

Zum Anderen ist auf die ebenfalls aktuell in der Umsetzung befindliche Erweiterung des im Süden des Stadtgebiets nahe der A 1-Ausfahrt Moisling gelegenen CITTI-Parks hinzuweisen. Die Verkaufsfläche wird mit einem Aufwand von rund 100 Mio. Euro um ca. 8.600 m² auf dann insgesamt rd. 33.600 m² erweitert, die hauptsächlich für inhabergeführten Fachhandel vorgesehen ist. Darüber hinaus soll das Pkw-Stellplatzangebot um rd. 1.000 Stellplätze auf rd. 2.800 ausgeweitet werden.

Diese beiden verkehrsorientierten Großflächen-Vorhaben nehmen die City sowohl aus dem nördlichen wie auch südlichen Stadtgebiet (mit Ausstrahlung auf die zugehörigen Bereiche des City-Einzugsgebiets) massiv in die Zange. Schon rein in quantitativer Hinsicht wird durch die zusätzlichen knapp 69.000 m² der Verkaufsflächenanteil der City von den heutigen rd. 30 % auf nur noch rd. 26 % absinken. Alle erzielten rechnerischen Aufholeffekte der jüngeren Vergangenheit werden damit wieder relativiert.

Die rechnerischen Gesamteffekte überzeichnen die Entwicklung zwar etwas, da das Gros der neuen Verkaufsflächen insbesondere durch die Ansiedlung von IKEA und den großen Baumarkt in Dänischburg nicht in den klassischen innenstadtrelevanten Sortimenten vorgesehen ist. Andererseits greifen die benannten Einzelhandels-Labels für das IKEA-Center und des CITTI-Parks den Innenstadt-Einzelhandel an deren absoluten Kern-, Betreiber- und Qualitätskompetenzen an. Von den sich ergebenden Verbundeinkaufsmöglichkeiten von Möbel-, DIY- oder Lebensmitteleinkäufe mit klassischen ‚City‘-Einkäufen in dem neuen bzw. erweiterten Center ganz zu Schweigen.

Alle diese Entwicklungen rufen eine gewisse Zurückhaltung bei der Nachfrage von Einzelhandelsflächen bei den bekannten Filialisten hervor. Zwar möchten weiterhin viele hier eine Filiale eröffnen, aber nicht zu jedem Preis und wenn, dann vor allem nur in der absoluten 1A-Lage, so Frank Reitzig, Geschäftsführer bei COMFORT. Nur hier ist der expansionsfreudige Filialist sicher, auch in den nächsten Jahren gute Geschäfte zu tätigen. Zu sehr haben viele Einzelhändler die negativen Entwicklungen der letzten 10 -15 Jahre in der Landeshauptstadt Kiel vor Augen. Erst jetzt scheint sich nach vielen Jahren der Abwanderung aus der Holstenstraße in die Einkaufscenter Sophienhof und Citti-Park eine neue Belebung und Stärkung der 1A-Lage Holstenstraße abzuzeichnen.

Auch wenn die Lübecker Altstadt eine deutlich höhere Aufenthaltsqualität und über den Flair einer historischen Altstadt verfügt, die Lübecker müssen auf die „Königin der Hansestädte“ aufpassen. Dies gilt insbesondere für die innerstädtischen B-Lagen.

Zusammenfassend ist die Nachfrage auf Mieterseite insgesamt zum Vorjahr nochmals etwas abgeklungen. Dies ist auch auf die Schaffung moderner und hochleistungsfähiger Geschäftshäuser zurückzuführen, die bereits ein Reservoir an vorhandenem Potenzial absorbiert haben, wobei diese Tatsache zeitlich betrachtet schon einige Jahre zurückliegt. Andererseits befindet sich die Nachfrage derzeit immer noch in der Warteschleife, um die Entwicklung mit der besagten IKEA-Projektentwicklung abzuwarten. Nach Jahren des Aufschwungs befindet sich die Mietpreisentwicklung nun bereits im zweiten Jahr in einem Konsolidierungsprozess. Wie bereits im vorigen Städtereport festzustellen war, sind die Mieten für Einzelhandelsflächen weiterhin leicht unter Druck, resümiert Frank Reitzig.
INVESTMENT
Der Ausbau des Einzelhandelsangebotes in der Peripherie ist nicht nur hinsichtlich Anmietungsüberlegungen von Einzelhändlern relevant, sondern macht sich auch im Ankaufsinteresse von Investoren bemerkbar. Die grundsätzlich guten Kennzahlen und das attraktive Einkaufsflair der Innenstadt ziehen aber nach wie vor Investoren an. Dennoch wird man hinsichtlich Rand- und B-Lagen oder potenziellen Entwicklungslagen wie die Sandstraße vorsichtiger, da eine kurzfristige Weiterentwicklung der Innenstadt und Stärkung solcher Lagen im Hinblick auf die Peripherie als zu unsicher angesehen werden. Die Suche fokussiert sich auf die beste Lage in der Breite Straße. Da sich in der Lübecker Innenstadt nach wie vor viele Immobilien in privater Hand befinden und wenig Verkaufsbereitschaft besteht, ist das Transaktionsaufkommen entsprechend gering, stellt COMFORT-Geschäftsführer Günter Rudloff fest.

Im letzten Jahr gab es nur wenige Objektverkäufe im kleinvolumigen Bereich, wie z.B. ein Haus in der Holstenstraße, dass der Eigentümer Görtz im Zuge mehrerer Immobilienverkäufe an einen Privatinvestor veräußerte. Die Kaufpreise in der Bestlage geraten aufgrund der anhaltend hohen Käufernachfrage weniger unter Druck, wachsen aber auch nicht an, sondern verharren auf bestehendem Niveau. Abstriche dürften Eigentümer in Rand- und B-Lagen erfahren, sollten Sie ihre Immobilie verkaufen wollen. In bester Lage sind nachhaltig Renditen von ca. 6%, im Einzelfall leicht darunter zu erzielen.
FAZIT UND PERSPEKTIVE
Alles in allem handelt es sich bei der Hansestadt Lübeck und speziell der Altstadt um einen Einzelhandelsstandort mit bisher recht stabilem eigenen, wie auch touristischen Potenzial. Dieses wird durch eines für eine Stadt dieser Größenordnung außerordentliches Einzelhandelsmieter- wie auch entsprechendes Investoreninteresse belegt.

Bei all der Attraktivität der historischen Altstadt und der kompakten, stabilen 1A-Lage ist zu beachten, dass die Stärkung des CITTI-Parks oder die IKEA-Projektentwicklung dazu führen, dass noch mehr potenzielle Kunden aus dem näheren Umkreis der Stadt, auf Stadtrand-Alternativen ausweichen.

Deren kostenlose Parkplätze und die direkte Lage an der Autobahn machen das Einkaufen bequem und zeitsparend. Für den „großen Wochenendeinkauf“ fahren ohnehin viele potenzielle Kunden mangels Alternativen in die Peripherie. Eine Ausweitung der innerstädtischen Parkmöglichkeiten und die Modernisierung der mittlerweise größtenteils veralteten Parkhäuser würde eine Fahrt mit dem PKW in die Innenstadt erleichtern. Hier könnten die Stadt und die Parkhausbetreiber die Attraktivität der Altstadt als Einkaufsdestination nachhaltig steigern. Es besteht die Gefahr, dass der Verbraucher in die Peripherie fährt und nur noch Touristen oder Bewohner der Altstadt in der 1A-Lage einkaufen. Die erfolgreiche Eröffnung des Designer Outlets in Neumünster und die schnelle Verbindung über die A1 zur Metropole Hamburg tragen ebenfalls dazu bei, dass der Ein oder Andere kaufwillige Lübecker einer anderen Einkaufsdestination den Vorzug gibt. So schön das Flanieren in der Altstadt ist, es muss auch attraktiv bleiben dort einzukaufen!


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