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07.12.2012 DomAquarée - 775 Jahre Berliner Stadtgeschichte in modernem Gewand

Mittelalterliche Spuren würden sie wohl eher auf der Museumsinsel gegenüber vermuten. Doch dieser nördliche Teil der Spreeinsel war nur eine unwirtliche Flussaue, als die Schwesterstädte Cölln und Berlin in den Jahren 1237/38 zum ersten Mal urkundlich erwähnt wurden. Während Cölln am südlichen Ende der Spreeinsel lag, reichte Alt-Berlin vom Mühlendamm, der beide Städte verband, bis zum Nordrand des heutigen „DomAquarée“. Hier lag das Spital Sankt Spiritus für Arme und Kranke, von dem die gleichnamige „Heilig-Geist-Kapelle“ bis heute erhalten blieb. Zwischenzeitlich als Mensa für das angrenzende Wirtschaftsinstitut der Humboldt-Universität genutzt, wurde die Kapelle 2005 aufwändig restauriert und im Rahmen der Neubebauung mit einem kleinen Vorplatz versehen. Dort befindet sich auch der Grundstein des „DomAquarée“, dessen Gestaltung der langen geistlichen Geschichte des Quartiers Rechnung trägt.
Die kleine Passage zwischen Radisson Blu-Hotel und dem Sea Life-Wasserzoo verweist mit ihrem Namen auf das mittelalterliche Berlin: Heilig-Geist-Gasse heißt sie nun wieder und markiert das letzte Stück der historischen Heilig-Geist-Straße, die einst vom Marktplatz im Nikolai-Viertel in gerader Linie entlang der Spree zum Spital führte. Die mittelalterlichen Wohnhäuser drumherum gingen verloren, die letzten von ihnen im Zuge der Kriegszerstörung, die meisten lange vorher.

Wo heute die Spree-Promenade steht, verlief früher die Burgstraße, zeitweilig sogar bis zum Mühlendamm. Ihr Name verweist auf den Brandenburgischen Kurfürsten Friedrich Eisenzahn, der am gegenüberliegenden Spreeufer 1440 eine Burg errichten ließ, aus der später das Stadtschloss werden sollte. Der Bürgeraufstand gegen diesen Plan, ging zwar als „Berliner Unwille“ in die Geschichte ein, blieb aber erfolglos.

Vierhundert Jahre später (1849) wohnte in der Burgstraße eine Familie Liebermann, deren kleiner Sohn Max als impressionistischer Maler Weltruhm erlangen sollte. Ein paar Häuser weiter stand noch das Hotel „König von Portugal“, das ein knappes Jahrhundert zuvor (1767) von Gotthold Ephraim Lessing in seiner Komödie „Minna von Barnhelm“ verewigt wurde. Auf der anderen Seite des Gevierts, an der Spandauer Straße, wirkte in jener Zeit Lessings Freund, der Philosoph Moses Mendelssohn. Und am Nordende des „DomAquarée“ findet sich im heutigen Spree-Palais eine Gedenktafel für den jüdischen Bankier Daniel Itzig, der seine Kinder von Mendelssohn im Geiste der Aufklärung erziehen ließ.

Ein anderer Wegbereiter der Aufklärung, Friedrich der Große, ernannte Itzig zum obersten Repräsentanten der preußischen Juden und machte ihn zu seinem Hoffaktor. Wo heute die Gedenktafel hängt, kaufte Itzig daraufhin in den 1760er Jahren mehrere Häuser auf, um sie zum barocken Palais Itzig umbauen zu lassen. Dieses Palais sollte nicht nur prunkvolle Wohnstatt sein, es wurde auch für Kulturveranstaltungen und philosophische Versammlungen genutzt.

Während sich also im Heilig-Geist-Viertel die intellektuellen Größen jener Zeit tummelten, war auf der gegenüberliegenden Museumsinsel von städtischem Leben weiterhin wenig zu sehen. Nachdem man im 17. Jahrhundert die nördliche Insel trockengelegt hatte, diente sie als Lustgarten für das Stadtschloss. 1748 wurde die kleine Orangerie der Anlage in einen Packhof mit hölzernem Drehkran verwandelt und drumherum entstanden Hafenanlagen für den Güterverkehr. Die Museumsbauten, die die Insel heute so alt-ehrwürdig wirken lassen, entstanden allesamt erst im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Den Anfang machte 1830 das Alte Museum nach Plänen von Karl-Friedrich Schinkel, und für die nächsten hundert Jahre hatte jeder, der vom Gelände des „DomAquarée“ hinüber blickte, eine Aussicht, die der heutige Berliner nur zu gut kennt: Dauerbaustelle.

Einer, der diesen Anblick täglich hatte, war der Schriftsteller Paul Heyse. Fast gleichzeitig mit der Fertigstellung des Alten Museums wurde er in der Heilig-Geist-Gasse geboren, und als er 1910 als zweiter Deutscher den Literatur-Nobelpreis erhielt, begannen gerade die Bauarbeiten am letzten großen Museumsbau, dem Pergamonmuseum. Dessen Fertigstellung 1930 sollte er jedoch nicht mehr erleben.

Auch das Heilig-Geist-Viertel bekam im 19. Jahrhundert abermals ein neues Gewand. Wichtigste Veränderung war der Abriss des Palais Itzig und weiter Teile der Uferbebauung durch Daniel Itzigs Großneffen Friedrich Hitzig, eines Schinkel-Schülers, der an dieser Stelle 1864 die prunkvolle Berliner Börse errichtete. Nebenan mussten Wohnhäuser Geschäften weichen und ein Teil der Heilig-Geist-Gasse wurde schon damals zur überdachten Passage.

Während die Berliner Börse nach ihrer Zerstörung im 2. Weltkrieg noch bis 1965 als Ruine erhalten blieb, waren die Trümmer rund um die Heilig-Geist-Gasse schon 1950 abgetragen. Das Gelände blieb eine trostlose Freifläche bis hier Ende der 1970er Jahre das Palast-Hotel entstand. Dessen Name verwies, ebenso wie die braune Spiegelglasfront, auf den schräg gegenüberliegen Palast der Republik. Aber im Gegensatz zum großen Palast mit seinen Theater- und Konzertsälen, blieb das Hotel für DDR-Bürger verschlossen. Hier pflegte der staatliche Devisenbeschaffer Alexander Schalck-Golodkowski seine West-Kontakte, und die Stasi lauschte mit. Auch diesem Teil der Geschichte wird heute Rechnung getragen: Unter der Spree-Promenade ist das DDR-Museum entstanden.

In den Jahren 1989/90 schließlich nahmen Journalisten aller Herren Länder im Palast-Hotel Quartier, um über die Wende-Wirren zu berichten, während tagtäglich Hunderte staunender DDR-Bürger durch die mit Fernsehtechnik vollgestopfte Lobby spazierten. Nachzulesen ist das in Thomas Brussigs großartigem Wende-Roman „Wie es leuchtet“ oder in den Reportagen Matthias Matusseks, der dafür den Egon-Erwin-Kisch-Preis erhielt.

1992 übernahm Radisson Blu das Hotel, und von 2001 bis 2004 entstand an seiner Stelle das heutige „DomAquarée“ mit dem weltweit größten freistehenden Aquarium und modernen Geschäften und Restaurants entlang der wiedererstandenen Heilig-Geist-Gasse, die so alt ist wie Berlin.


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